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Antisemitische Äußerungen im Internet: Kündigung scheitert

8. Mai. 2025
6 MIN

Illustration mit Symbolen wie Hashtag, Faust, Messer, Bombe, Feuer und Blitze – als Darstellung von Hasskommentaren und Gewaltaufrufen in Social Media Beiträgen.Ein Arbeitnehmer hatte sich auf Facebook öffentlich antisemitisch geäußert und Gewalt gegen Israelis befürwortet. Daraufhin erhielt er eine fristlose Kündigung, doch die scheiterte vor dem Arbeitsgericht. Das Urteil zeigt: Gegen rein private Äußerungen von Mitarbeitenden bietet das Arbeitsrecht keine Handhabe. Auf außerdienstlichen Extremismus können Arbeitgeber nur reagieren, wenn er sich negativ auf das Unternehmen auswirkt.

 

Der Fall: Fristlose Kündigung wegen antisemitischer Facebook-Postings

Ein türkischstämmiger Schlosser aus dem Ruhrgebiet ließ sich Ende Oktober 2023 zu gewaltverherrlichenden und antisemitischen Postings auf Facebook hinreißen. Hintergrund waren der Überfall der Hamas auf Israel und die folgenden israelischen Militäraktionen im Gazastreifen.

Der Mann fragte auf Facebook öffentlich, wann die nächste Demonstration „gegen Juden“ in Nordrhein-Westfalen stattfinde. Außerdem teilte er Videoaufnahmen eines Mobs, der unter antisemitischen Parolen den Flughafen von Machatschkala im Nord-Kaukasus gestürmt und zwanzig Personen verletzt hatte, nachdem dort ein Flugzeug aus Tel Aviv gelandet war. Der Schlosser kommentierte diese Bilder mit Aussagen wie „Das sind Männer“, „so muss es sein“ und „Ehrenmänner“.

Nachdem der Arbeitgeber von den antisemitischen Äußerungen im Internet erfuhr, kündigte er dem Schlosser fristlos und außerordentlich. Gleichzeitig erfolgte hilfsweise eine ordentliche, verhaltensbedingte Kündigung mit Kündigungsfrist. Zuvor wurden der Arbeitnehmer und der Betriebsrat angehört, um das Arbeitsrecht bei Kündigungen einzuhalten.

Kurz nach den Postings hatte sich bereits die Bild-Zeitung bei dem Unternehmen nach dessen Reaktion erkundigt.

 

Die Kündigung scheitert vor dem Landesarbeitsgericht

Der Schlosser erhob Kündigungsschutzklage. Und er hatte Erfolg. Sowohl das Arbeitsgericht Oberhausen in erster als auch das Landesarbeitsgericht Düsseldorf in zweiter Instanz entschieden, dass dieser Schritt nicht gerechtfertigt war. Der Arbeitgeber hätte sich mit einer Abmahnung begnügen müssen.

Damit war der Schlosser weiterhin beschäftigt und hatte Anspruch auf Nachzahlung des Lohns. Er hatte vor Gericht die Äußerungen bedauert und sein Verhalten auf einseitige Informationen durch türkische Medien zurückgeführt. Außerdem hatte er mittlerweile seinen Facebook-Account gelöscht.

 

Entscheidend: Bestand ein ausreichender Bezug zum Arbeitgeber?

Das Landesarbeitsgericht beschönigte die Äußerungen des Mannes nicht: Diese zeigten ein „äußerst grenzwertiges Verhältnis zu menschlichem Leben, körperlicher Unversehrtheit und Gewalt im Allgemeinen und zu der jüdischer und/oder israelischer Menschen im Besonderen“. Außerdem stellte es fest, dass das zweite Posting strafbar war, wegen Billigung von Straftaten und möglicherweise auch als Volksverhetzung.

Für mögliche arbeitsrechtliche Konsequenzen war dies jedoch nicht entscheidend. Dafür war allein ein ausreichender Bezug zum Arbeitgeber und dessen Belangen ausschlaggebend. Diesen Punkt hob das Landesarbeitsgericht deutlich hervor.

Der Schlosser hatte 2017 auf Facebook seinen Eintritt in das Unternehmen in der damaligen Rechtsform als „Lebensereignis“ angegeben. Ansonsten enthielt sein Facebook-Profil keine Bezüge zum Arbeitgeber. Das rettete ihm den Job.

Zwar sah das Gericht die Belange des Unternehmens durch die Nennung auf der Facebook-Seite sehr wohl berührt. Schließlich hatte dies unter anderem zur Presseanfrage durch die Bild-Zeitung geführt. Die Arbeitgeber-Nennung in Verbindung mit den gewaltverherrlichenden Äußerungen war ein Verstoß gegen die arbeitsvertragliche Pflicht des Schlossers zur Rücksichtnahme auf die Arbeitgeberinteressen. Der Mann hatte die Unternehmensangabe und die antisemitischen Äußerungen jedoch eher fahrlässig und nicht vorsätzlich verknüpft. Deshalb hielt das Landesarbeitsgericht eine Abmahnung für ausreichend (LAG Düsseldorf, 08.10.2024 - 3 SLa 313/24).

 

Fazit: Arbeitgeber können nur reagieren, wenn Hass und Extremismus den Betrieb tangieren

  • Arbeitgeber können ihre Mitarbeitenden nicht generell zu gemäßigten oder demokratischen Meinungen verpflichten. Sie können jedoch verlangen, dass Hass-Kommentare und ähnliche Äußerungen im Betrieb unterbleiben und dort Toleranz und Respekt gelebt werden. Mehr dazu: „Am Arbeitsplatz hat die Meinungsfreiheit ihre Grenzen“.

  • Auf außerdienstliche extremistische oder volksverhetzende Äußerungen von Arbeitnehmern können Arbeitgeber nur reagieren, wenn ein direkter oder indirekter Bezug zum Unternehmen vorliegt. Ist das nicht der Fall, sind ihnen selbst bei menschenfeindlichen oder volksverhetzenden Äußerungen die Hände gebunden.

  • Ein solcher Bezug entsteht beispielsweise, wenn der Betreffende die Äußerungen zwar nach Dienstschluss macht, dabei aber Firmenbekleidung trägt. Oder wenn wie im geschilderten Fall der Arbeitgeber im Social-Media-Profil oder in anderen Mitteilungen genannt wird. Dann droht dem Unternehmen eine Rufschädigung.

  • Auch bei einem direkten Bezug von Hasskommentaren zu Kollegen sind in der Regel betriebliche Interessen verletzt. Dann droht eine schwerwiegende Störung des Betriebsfriedens.

  • Damit in solchen Fällen eine Kündigung möglich wird, muss die negative Rückwirkung auf die Arbeitgeberbelange entsprechend groß sein. Eine fristlose Kündigung setzt voraus, dass die Weiterbeschäftigung unzumutbar ist.

  • Allerdings ist die Trennung in Betrieben mit maximal zehn Beschäftigten auch ohne Angaben von Gründen möglich. Dort gilt das Kündigungsschutzgesetz nicht.

  • Entscheidend für die Auswirkung auf den Arbeitgeber ist unter anderem die Stellung und Aufgabe des Betreffenden im Betrieb. Private Äußerungen einer Führungskraft wiegen schwerer als die eines Mitarbeiters ohne Mitarbeiterverantwortung und ohne Außenkontakt.

  • Während der private Lebensbereich der Mitarbeitenden für den Arbeitgeber tabu ist, ändert sich die Rechtslage, sobald ein Bezug zum Betrieb entsteht. Dann hat der Arbeitgeber grundsätzlich nicht nur das Recht, sondern sogar die Pflicht, diskriminierende oder menschenfeindliche Äußerungen zu sanktionieren. Andernfalls können Mitarbeitende, die zum Ziel verbaler Angriffe wurden, vom Unternehmen Schadenersatz verlangen. Mehr zu dieser Form der Schadenersatzpflicht steht in „Diskriminierung, sexuelle Belästigung, Mobbing: Schadenersatz vom Arbeitgeber?“.

 

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