In vielen Unternehmen gilt der Leitsatz „Never change a running system“. Die Logik dahinter ist klar: Warum sollte man ein System oder bestimmte Vorgänge ändern, wenn sie sich doch bereits bewährt haben und in schöner Regelmäßigkeit zum Ziel führen? Doch zumeist ist es eben genau diese Denkweise, die zu einem der größten Probleme eines jeden Unternehmens führt: der Betriebsblindheit.
Im Laufe der Zeit schleichen sich nämlich in den meisten Betrieben immer mehr Routinen ein. Zunächst einmal ist das auch gar keine verwerfliche Entwicklung. Wer etwas öfter in der gleichen Art und Weise tut, erwirbt schließlich Erfahrung. Diese hilft ihm wiederum dabei, (wiederkehrende) Aufgaben besonders schnell und effizient zu erledigen – und das, ohne groß darüber nachdenken zu müssen. Laut einer Studie der Texas A&M University und der Michigan State University werden mindestens 50 Prozent aller Aktionen, die wir tagtäglich durchführen, nicht durch aktive Entscheidungen, sondern durch Gewohnheiten – also ohne bewusst darüber nachzudenken – ausgeführt. Übrigens: Dieser Vorgang ist ganz natürlich. Das Gehirn strebe nämlich danach, so viel wie möglich zu routinisieren, da diese Vorgänge stoffwechselbiologisch und neuronal besonders einfach sind, wie Hirnforscher der Universität Bremen bestätigen.
Doch in genau dieser Routine liegt auch eine große Gefahr, denn die Aufmerksamkeit für betriebliche Prozesse und deren Optimierung lässt immer weiter nach. So werden Abläufe unter Umständen lange Zeit beibehalten, ohne sie regelmäßig neu zu beurteilen und auf den Prüfstand zu stellen. Getreu dem Motto: Das haben wir schon immer so gemacht, das hat sich bewährt! Und so schleicht sich heimlich, still und leise die gefürchtete Betriebsblindheit im Unternehmen ein.
Tückische Betriebsblindheit
Was genau macht aber die Betriebsblindheit eigentlich so tückisch? Nun, kurz gesagt verhindert sie auf Dauer neue Innovationen und führt deshalb über kurz oder lang zum Stillstand in der Entwicklung des Unternehmens. Denn nur weil Prozesse und Abläufe heute gut laufen, heißt das nicht, dass sie für die Zukunft nicht verbessert und Vorgänge so effizienter gestaltet werden könnten. Ist die Betriebsblindheit aber der ständige Begleiter der Mehrheit derer, die im Unternehmen arbeiten, werden die eigenen Arbeitsabläufe nicht mehr reflektiert. Aktuelle Entwicklungen werden ausgeblendet, Veränderungen finden nicht mehr statt, neue Impulse bleiben aus. Die Folgen sind klar: Umsatzeinbußen, Stellenabbau, im schlimmsten Fall gar die Schließung.
Soweit muss es allerdings gar nicht kommen. Denn die Betriebsblindheit lässt sich überwinden! Denn auch wenn der Mensch ein Gewohnheitstier ist und sich gern an Altbekanntem und Bewährtem festhält, kann es gelingen, den Blick fürs Wesentliche wieder neu zu schulen.
Eigene Komfortzone verlassen
Auch wenn es schwerfällt: Wer der Betriebsblindheit ein Schnippchen schlagen will, muss raus aus der eigenen Komfortzone und vor allem bereit sein, auch einmal über den Tellerrand zu schauen. Kein leichter Weg, schließlich ist das Ausbrechen aus altbewährten Routinen immer auch mit Arbeit verbunden. Neuerungen benötigen schließlich mehr Zeit und „Hirnschmalz“ und laufen eben auch nicht von Beginn an automatisiert ab.
Doch der Weg lohnt sich, denn die Vergangenheit beweist, dass gerade die Menschen und Betriebe, die sich dazu entschlossen haben, neue Wege zu gehen, in der Regel erfolgreicher sind als jene, die immer nur auf ausgetretenen Pfaden unterwegs sind. Ohne den Mut, auch einmal etwas zu riskieren und sich nicht auf dem, was bereits erreicht wurde auszuruhen, hätten es wohl viele Innovationen bis heute nicht in unser Leben geschafft. Der bekannte britische Mediziner, Kognitionswissenschaftler und Schriftsteller Edward de Bono beschreibt genau das in einem schönen Bild: „Wenn man alle Fehler aus einer Kutsche beseitigt, erhält man möglicherweise eine perfekte Kutsche, aber wahrscheinlich nicht das erste Automobil.“
Der Blick über den Tellerrand
Wer erkannt hat, dass sich im Unternehmen bereits eine gewisse Betriebsblindheit eingeschlichen hat, hat bereits den ersten wichtigen Schritt getan. Sich des Problems bewusst zu sein und dieses aktiv angehen zu wollen sind wichtige Voraussetzungen, um zum Ziel zu gelangen. Schließlich müssen sie gar nicht zwangsläufig alles auf den Kopf stellen und alle Routinen sprengen. Viel wichtiger ist es zu erkennen, welche Routinen und Prozesse weiterhin effizient sind und an welchen noch zahlreiche Stellschrauben gedreht werden können.
Folgende Schritte helfen Ihnen dabei:
1. Fangen Sie an, sich selbst kritisch zu hinterfragen: Welche Aufgaben bearbeiten Sie tagtäglich? Warum erledigen Sie diese so, wie Sie es aktuell tun? Macht dieses Vorgehen Sinn oder gibt es hier Optimierungspotenzial? Planen Sie sich für die Beantwortung solcher und ähnlicher Fragen gerne Zeit ein, um diese gezielt zu reflektieren.
2. Betrachten Sie Ihre Arbeit aus einem anderen Blickwinkel: Versuchen Sie Ihre eigene Tätigkeit einmal aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Überlegen Sie, wie zum Beispiel Ihre Kunden Ihr Tun beurteilen würden und denken Sie darüber nach, was sich aus dieser Sicht verändern müsste.
3. Nehmen Sie Kundenkritik ernst: Kritik Ihrer Kunden kann ein guter Ansatzpunkt sein, die eigene Arbeitsweise einmal kritisch zu hinterfragen.
4. Holen Sie sich Feedback ein: „Vier Augen sehen mehr als zwei“ – zögern Sie nicht, sich Feedback von Außenstehenden einzuholen. Im ersten Schritt muss dafür noch nicht einmal ein externer Berater hinzugezogen werden. Oftmals kann die Sicht eines Kollegen aus einer anderen Abteilung schon viel Licht ins Dunkle bringen. Manchmal kann es aber natürlich auch ratsam sein, seinen Betrieb einmal gänzlich von einem außenstehenden Experten durchleuchten zu lassen.
5. Blicken Sie regelmäßig zurück: Nehmen Sie sich nach abgeschlossenen Projekten Zeit für ein Review: Was lief gut, was nicht? Wo gibt es Optimierungspotenzial?
6. Bleiben Sie aufmerksam und aufgeschlossen: Werfen Sie regelmäßig einen Blick auf die Marktentwicklung. Behalten Sie auch gern die Maßnahmen Ihrer Mitbewerber im Blick. Scheuen Sie sich nicht, Neues zu versuchen und trauen Sie sich auch einmal Wege zu gehen, die zunächst nicht so komfortabel scheinen.
Mut zur Veränderung
Auch wenn es anfangs schwer fallen mag: Trauen Sie sich, Ihre altbewährten Routinen aufzubrechen. Fangen Sie mit kleinen Gewohnheiten an. Reflektieren und hinterfragen Sie. Versuchen Sie, Änderungen nicht nur anzustoßen, sondern auch beizubehalten. Bedenken Sie: Offen für Neues zu sein und der Betriebsblindheit möglichst wenig Chancen zu geben, kann sich nicht nur positiv auf die Qualitätssicherung Ihrer Produkte auswirken, sondern sogar auf die Entwicklung und Wettbewerbsfähigkeit Ihres ganzen Unternehmens. Neue Wege zu gehen, kann also Erfolg und Umsatz steigern und Ihnen so dabei helfen, Ihr Unternehmen weiter voranzubringen.