Praktika sind eine feine Sache: Schüler, Studierende, Arbeitslose und Wiedereinsteiger lernen passende Berufe und den Alltag der Geschäftswelt kennen.
Umgekehrt verschaffen sich Arbeitgeber einen Eindruck von den Fähigkeiten eines potenziellen Mitarbeiters. Eine Art vorgezogene Probezeit, sozusagen. Nach ein paar Monaten der Zusammenarbeit sollten alle Beteiligten wissen, ob die Chemie stimmt.
Eigentlich also eine Win-win-Situation – wären da nicht die vielen Praktikanten, die oft jahrelang als billige und willige Hilfskräfte ausgenutzt wurden und werden. Trotz Fachkräftemangel ist die sprichwörtliche „Generation Praktikum“ ja noch immer nicht ausgestorben.
Mindestlohn für (fast) alle!
Traditionell haben Praktikanten gar keinen gesetzlichen Vergütungsanspruch. Wenn Praktikumsbetriebe eine Vergütung zahlen, bringen sie damit Ihre Anerkennung und Wertschätzung für den Praktikanten zum Ausdruck.
Seit Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes hat sich die prekäre Lage von Dauer-Praktikanten allerdings gebessert. Denn der Mindestlohn gilt für alle Arbeitnehmer. Dazu zählen grundsätzlich auch Praktikanten! § 22 MiLoG stellt die befristete Dauer und die Vorbereitung auf eine berufliche Tätigkeit in den Mittelpunkt:
„Praktikantin oder Praktikant ist unabhängig von der Bezeichnung des Rechtsverhältnisses, wer sich nach der tatsächlichen Ausgestaltung und Durchführung des Vertragsverhältnisses für eine begrenzte Dauer zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Erfahrungen einer bestimmten betrieblichen Tätigkeit zur Vorbereitung auf eine berufliche Tätigkeit unterzieht, ohne dass es sich dabei um eine Berufsausbildung im Sinne des Berufsbildungsgesetzes oder um eine damit vergleichbare praktische Ausbildung handelt.“
Ausdrücklich nicht mindestlohnpflichtig sind allerdings die folgenden Ausnahmen:
- schul-, ausbildungs- oder hochschulrechtliche Pflichtpraktika,
- maximal dreimonatige Orientierungspraktika in Vorbereitung auf eine Berufsausbildung oder ein Studium,
- freiwillige Praktika im Rahmen einer Berufs- oder Hochschulausbildung (nur einmal pro Arbeitgeber zulässig!),
- Praktika im Rahmen einer Einstiegsqualifizierung nach § 54a SGB III oder einer Berufsausbildungsvorbereitung nach § 68 bis 70 Berufsbildungsgesetz.
Wer keine dieser vier Bedingungen erfüllt, absolviert kein Praktikum im Sinne des Mindestlohngesetzes. Der Betroffene hat dann als Arbeitnehmer Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn von derzeit 9,19 Euro pro Stunde.
Bitte beachten Sie: In manchen Branchen gelten sogar deutlich höhere Mindestlöhne. Spitzenreiter ist das Bauhauptgewerbe mit aktuell 15,20 Euro pro Stunde. Rechtsgrundlage sind Tarifverträge, das Arbeitnehmer-Entsendegesetz für die Pflegebranche und das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz.
Lektüretipp: Eine Übersicht über die aktuellen Branchen-Mindestlöhne finden Sie auf der Website der deutschen Zollverwaltung.
Unterbrechungen: Vorsicht Falle!
Wird die zeitliche Obergrenze von drei Monaten überschritten, verlangen findige Praktikanten den Mindestlohn unter Umständen rückwirkend für den gesamten Zeitraum ihrer Mitarbeit! Auf diese Weise kommen leicht mehrere tausend Euro Lohnnachzahlungen zustande!
Besonders heikel: Unterbrechungen eines Praktikums können zum Überschreiten der Gesamtdauer führen. Hat der Praktikant die Verlängerung selbst zu verantworten (z. B. wegen Krankheit oder anderer Verpflichtungen), wird die Unterbrechung allerdings nicht auf die Gesamtdauer angerechnet. Vorausgesetzt, die einzelnen Praktikumsphasen „hängen sachlich und zeitlich zusammen“. Das hat das Bundesarbeitsgericht im Januar dieses Jahres in einem Revisionsverfahren entschieden (Az.: 5 AZR 556/17).
Nachweis verlangen!
Ganz gleich, ob mit oder ohne Unterbrechung: Es reicht nicht, einfach einen Vertragsvordruck aus dem Internet herunterzuladen und zusammen mit dem Praktikanten zu unterschreiben. Mit der Überschrift „Praktikumsvertrag“ ist es nicht getan. Es kommt auf die konkreten Verhältnisse des Einzelfalls an. Im Gesetz ist von der „tatsächlichen Ausgestaltung und Durchführung des Vertragsverhältnisses“ die Rede.
Als „Ausbilder“ müssen Sie sich daher vergewissern, dass es sich tatsächlich um einen der oben genannten Praktikumstypen handelt. Verlangen Sie von Schülern, Auszubildenden, Studierenden und Arbeitslosen den Nachweis einer rechtlich einwandfreien Praktikums-Vorschrift. Anderenfalls bewegen Sie sich auf dünnem Eis: Dann kommt möglicherweise ein Arbeitsvertrag im Sinne des Mindestlohngesetzes zustande.
Praxistipps:
|