Die Vorschriften über Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (und wieder zurück) finden sich in § 4 Abs. 5 Nr. 6 EStG in Verbindung mit § 9 Abs. 2 bis 4 EStG. Dort ist genau genommen die Entfernungspauschale als Teil der Arbeitnehmer-Werbungskosten geregelt. Die Vorschriften gelten aber sinngemäß auch für Selbstständige und Unternehmer.
Was dem Arbeitnehmer die „erste Arbeitsstätte“, ist dem Selbstständigen die „erste Betriebsstätte“. Für Fahrten zwischen Wohnung und erster Betriebsstätte darf nur die magere Pendlerpauschale von 0,30 Euro pro Entfernungskilometer abgerechnet werden.
Sofern es sich bei der ersten Betriebsstätte um ein Ladenlokal, eine Werkstatt oder ein externes Büro handelt, leuchtet die Analogie zwischen Arbeits- und Betriebsstätte ein. Nur: Wie verhält es sich, wenn ein Freiberufler oder Gewerbetreibender keine solche eigene „ortsfeste betriebliche Einrichtung“ hat? Das Arbeitszimmer oder Home-Office in Ihrer Privatwohnung gilt nach regelmäßiger Auffassung des Bundesfinanzhofs grundsätzlich nicht als „Betriebsstätte“ (vgl. BFH-Urteil vom 18.4.2012, Az.: X R 58/09)
Was ist in solchen Fällen dann die „erste Betriebsstätte“ und wo befindet sie sich? Grundsätzlich gilt: Es gibt (höchstens) eine „erste Betriebsstätte“. Bei mehreren Betriebsstätten ist das der Ort, an dem Sie auf Dauer zwei volle Arbeitstage pro Woche oder mindestens ein Drittel Ihrer regelmäßigen Arbeitszeit verbringen.
Trifft das auf mehrere Orte zu, gilt der wohnungsnächste Standort als erste Betriebsstätte. Wer seine Leistung an ständig wechselnden Orten erbringt (z. B. Handelsvertreter, Berater oder IT-Dienstleister bei Kunden), hat oftmals gar keine erste Betriebsstätte. Dann dürfen sämtliche Fahrten als Auswärtstätigkeiten behandelt werden!
Vorteil: In dem Fall stellt jede Fahrt zwischen der Wohnung und dem jeweiligen Einsatzort eine Auswärtstätigkeit dar. Anders als bei der Entfernungspauschale können Sie Reisekosten für jeden gefahrenen Kilometer ansetzen. Außerdem dürfen Sie Verpflegungsmehraufwendungen geltend machen, sofern Sie mindestens acht Stunden von ihrer Wohnung abwesend waren.
Wichtig: Auch Selbstständige ohne festen eigenen Betriebsstandort können eine erste Betriebsstätte haben.
Beispiel: Eine selbstständige VHS-Dozentin unterrichtet an verschiedenen Volkshochschulen. An drei Tagen pro Woche gibt sie regelmäßig an einer bestimmten Volkshochschule Unterricht. Diese Bildungseinrichtung stellt dann ihre erste Betriebsstätte dar. Als Fahrtkosten zwischen ihrer Wohnung und der ersten Betriebsstätte darf die Dozentin nur die Entfernungspauschale ansetzen. Bei den Fahrten zu anderen Einsatzorten handelt es sich um Auswärtstätigkeiten, für die sie jeden gefahrenen Kilometer und ggf. Verpflegungsmehraufwendungen geltend machen kann.
Lektüretipp: Weitere Beispiele von Selbstständigen mit und ohne erste Betriebsstätte enthält das BMF-Schreiben (PDF, 45 KB) über die „Ertragsteuerliche Beurteilung von Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte und von Reisekosten“.
Bitte beachten Sie: Die Abgrenzung zwischen Auswärtstätigkeiten und Fahrten zwischen Wohnung und erster Betriebsstätte ist in der Praxis ziemlich kniffelig. Die Details Ihres Einzelfalls besprechen Sie daher am besten sprechen mit Ihrem Steuerberater!