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Fluch und Segen der Kleinunternehmerregelung

16. Mai. 2019
7 MIN

kleinunternehmerregelung

„Der Bürger liebt sein Finanzamt mit der gleichen Leidenschaft wie der Metzger den Vegetarier.“ – ein Ausspruch von Peter Gillies, deutscher Wirtschaftsjournalist und ehemaliger Chefredakteur der Tageszeitung „Die Welt“. Natürlich sind Steuern unverzichtbar, um das Gemeinwesen zu finanzieren. Dennoch sind Steuern für jeden, der sie zahlen muss, eine lästige Pflicht – ein Fluch für Selbstständige und Unternehmer, die sich mit Bürokratie und Abgaben herumschlagen müssen. Gleichzeitig kann das Steuersystem aber auch ein Segen sein – insbesondere für Kleinunternehmer, die durch gezielte Regelungen, wie die Kleinunternehmerregelung, steuerliche Erleichterungen in Anspruch nehmen und so wertvolle finanzielle Ressourcen sparen können.

Gerade für GründerInnen und kleinere Betriebe lohnt es sich, die Regelung genau unter die Lupe zu nehmen. Und das besonders jetzt: Zum 1. Januar 2025 sind umfangreiche Änderungen in Kraft getreten.

 

Was versteht man unter der Kleinunternehmerregelung?

Grundsätzlich unterliegen alle Unternehmen der Umsatzsteuer. Kleinunternehmer können sich jedoch von der Erhebung dieser Steuer befreien lassen. Wer unter bestimmten Umsatzgrenzen bleibt, muss keine Umsatzsteuer auf seinen Rechnungen ausweisen – und auch keine Umsatzsteuervoranmeldung abgeben.

Die Voraussetzungen ab 2025:

  • Der Umsatz im vorangegangenen Kalenderjahr lag unter 25.000 Euro netto.

  • Der Umsatz im laufenden Kalenderjahr überschreitet voraussichtlich nicht 100.000 Euro netto.

Wichtig: Maßgeblich sind nun Netto-Umsätze – also Umsätze ohne Umsatzsteuer. Das ist neu: Bisher galten Brutto-Grenzen.

Beispiel: Ein Netto-Umsatz von 25.000 € entspricht einem Bruttoumsatz von 29.750 €, sofern auf alle Leistungen 19 % Umsatzsteuer entfielen.

 

Wie wird der Umsatz ermittelt?

Die Berechnung der maßgeblichen Umsätze richtet sich weiterhin nach § 19 UStG. Dabei bleiben bestimmte Umsätze unberücksichtigt, etwa:

  • umsatzsteuerfreie Leistungen wie Heilbehandlungen, Pflegeleistungen oder bestimmte Vermietungen (§ 4 UStG),

  • Hilfsumsätze,

  • Verkäufe von Anlagevermögen (z. B. gebrauchte Maschinen).

Diese bleiben bei der Beurteilung des Kleinunternehmer-Status außen vor. Entscheidend sind also nicht alle Einnahmen – sondern nur jene, die für die Umsatzsteuerpflicht relevant wären.

 

Ab wann bin ich nicht mehr Kleinunternehmer?

Ein großer Unterschied zur bisherigen Rechtslage: Die Umsatzgrenze für das laufende Jahr wird nicht mehr prognostiziert.

Stattdessen gilt ab 2025:
Sobald Sie im laufenden Jahr die Grenze von 100.000 Euro netto überschreiten, gelten Sie ab diesem Moment als umsatzsteuerpflichtig.

Die bis dahin ausgestellten Rechnungen bleiben umsatzsteuerfrei. Es erfolgt keine rückwirkende Besteuerung. Die Steuerpflicht greift nur für die Umsätze ab dem Überschreiten der Grenze.

 

Wie kann ich die Kleinunternehmerregelung beantragen?

Wer ein Unternehmen gründet, füllt zu Beginn den Fragebogen zur steuerlichen Erfassung aus. Dort können Sie direkt angeben, ob Sie die Kleinunternehmerregelung in Anspruch nehmen wollen.

Falls Sie sich später für die Regelbesteuerung entscheiden, muss der Wechsel schriftlich beim Finanzamt angezeigt werden. Diese Option kann bis zum 28. Februar des übernächsten Jahres rückwirkend für das betreffende Jahr ausgeübt werden.

 

Gilt die Regelung auch für mehrere Gewerbebetriebe?

Ja – aber nicht mehrfach. Der Kleinunternehmerstatus wird der Person zugewiesen, nicht dem einzelnen Betrieb. Wer also mehrere Gewerbebetriebe führt, muss die gesamten Umsätze aller Tätigkeiten zusammenrechnen.

 

Neu: EU-weiter Kleinunternehmerstatus

Seit 2025 gilt: Wer als Kleinunternehmer in Deutschland tätig ist, kann auch in anderen EU-Staaten umsatzsteuerfreie Leistungen erbringen. Voraussetzung ist:

  • EU-weiter Jahresumsatz unter 100.000 Euro,

  • Einhaltung der jeweiligen nationalen Umsatzgrenzen,

  • digitale Anmeldung beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt).

Das BZSt plant hierfür ein quartalsweises Meldeverfahren.

Auch Unternehmen mit Sitz im EU-Ausland dürfen in Deutschland unter bestimmten Bedingungen als Kleinunternehmer auftreten – sofern die Umsatzgrenzen eingehalten werden.

 

Gibt es eine spezielle Identifikationsnummer?

Ja, das ist neu: Ab 2025 können Kleinunternehmer eine spezielle Kleinunternehmer-Identifikationsnummer (KU-IdNr.) beim Bundeszentralamt für Steuern beantragen – ähnlich wie die bisherige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.).

 

Ausnahme bei der E-Rechnungspflicht

Ein weiterer wichtiger Punkt: Kleinunternehmer sind ab 2025 von der E-Rechnungspflicht für Ausgangsrechnungen befreit. Sie dürfen also weiterhin PDF- oder Papierrechnungen versenden. Eingehende E-Rechnungen müssen jedoch verarbeitet werden können – hier gibt es keine Ausnahme.

 

Vorteile der Kleinunternehmerregelung

Die Kleinunternehmerregelung bietet gerade für Gründerinnen und Gründer sowie kleine Betriebe eine Reihe von Vorteilen – sowohl finanzieller als auch organisatorischer Natur:

1. Keine Umsatzsteuer auf Rechnungen

Kleinunternehmer müssen keine Umsatzsteuer auf ihren Rechnungen ausweisen – und auch keine an das Finanzamt abführen. Das spart nicht nur Geld, sondern vereinfacht auch die Buchhaltung erheblich. Sie müssen keine Umsatzsteuer berechnen, keine Abgrenzungen vornehmen und keine Umsatzsteuerkonten führen.

Besonders vorteilhaft: Die Einnahmen fließen ohne Abzüge direkt ins Unternehmen – ein echter Liquiditätsvorteil.

2. Keine Umsatzsteuer-Voranmeldung notwendig

Da keine Umsatzsteuer erhoben wird, entfällt auch die Pflicht zur monatlichen oder vierteljährlichen Umsatzsteuervoranmeldung. Damit reduziert sich der bürokratische Aufwand erheblich – ein Gewinn an Zeit und Nerven, der besonders in der Anfangsphase wichtig ist.

Hinweis: Die Einkünfte müssen dennoch in der Einkommensteuererklärung (Anlage S bei Selbstständigen, Anlage G bei Gewerbetreibenden) angegeben werden.

3. Wettbewerbsvorteil bei Privatkunden

Wer vor allem mit Privatpersonen zu tun hat, profitiert vom Preisvorteil: Endkunden vergleichen in der Regel Bruttopreise. Da Kleinunternehmer keine Umsatzsteuer aufschlagen, können sie ihre Produkte oder Dienstleistungen günstiger anbieten – ohne Einbußen bei der Marge.

Wichtig für die Preisstrategie: Der Preisvorteil liegt – entgegen der Annahme von 19 % – tatsächlich bei rund 15,97 %. Beispiel:
Ihr Angebotspreis beträgt 100 €. Ein Wettbewerber mit Umsatzsteuer muss denselben Artikel für 119 € brutto verkaufen. Ihr Vorteil liegt also bei rund 16 % (100 / 119 = 84,03 %).

4. Wahlfreiheit: Option zur Regelbesteuerung

Die Kleinunternehmerregelung ist freiwillig. Wer möchte, kann auf sie verzichten und zur Regelbesteuerung optieren. Das kann sich vor allem dann lohnen, wenn zu Beginn hohe Ausgaben anfallen – etwa für Büroausstattung, Maschinen, Software oder Fortbildungen. Denn nur wer der Regelbesteuerung unterliegt, kann auch die gezahlte Vorsteuer geltend machen.

Tipp: Ein Wechsel ist bis zum 28. Februar des übernächsten Jahres möglich – gut zu wissen für alle, die ihre Geschäftsentwicklung zunächst abwarten wollen.

 

Nachteile der Kleinunternehmerregelung

Trotz der zahlreichen Vorteile sollten auch die möglichen Einschränkungen nicht unterschätzt werden. Für manche Geschäftsmodelle kann die Regelung unvorteilhaft sein.

1. Kein Vorsteuerabzug möglich

Als Kleinunternehmer zahlen Sie beim Einkauf von Waren oder Dienstleistungen den vollen Bruttobetrag – inklusive Umsatzsteuer. Diese können Sie nicht beim Finanzamt geltend machen. Gerade bei größeren Investitionen oder regelmäßigen betrieblichen Ausgaben kann das schnell ins Geld gehen.

Beispiel: Eine neue Software kostet 1.190 €. Als Kleinunternehmer tragen Sie diesen Betrag vollständig. Regelbesteuerte Unternehmer dagegen erhalten 190 € als Vorsteuer vom Finanzamt zurück.

2. Rechnungsvermerk mit möglicher Außenwirkung

Sie sind verpflichtet, auf jeder Rechnung einen Hinweis wie diesen anzubringen:
„Keine Umsatzsteuer gemäß § 19 UStG (Kleinunternehmerregelung).“

Dieser Vermerk ist gesetzlich vorgeschrieben – und macht nach außen hin sichtbar, dass Ihr Unternehmen (noch) unterhalb der Umsatzgrenzen agiert. In bestimmten Branchen oder bei Geschäftskunden kann das als Zeichen fehlender Größe oder Erfahrung gewertet werden – insbesondere bei Ausschreibungen oder im B2B-Bereich.

Hinweis: Für viele Kunden spielt dieser Hinweis keine Rolle. Dennoch sollten Sie abwägen, wie Ihr Außenauftritt wirken soll – und ob es sinnvoll ist, auf die Kleinunternehmerregelung zu verzichten.

 

Was ist, wenn ich meine Umsätze falsch einschätze?

Durch die neue Regelung entfällt die Prognose. Sobald Sie die 100.000 Euro netto im laufenden Jahr überschreiten, tritt automatisch Umsatzsteuerpflicht ein – aber nicht rückwirkend.

Sie müssen dann:

  • Umsatzsteuer auf alle weiteren Umsätze im selben Jahr ausweisen und abführen,

  • künftig reguläre Umsatzsteuervoranmeldungen abgeben,

  • sich ggf. für die Regelbesteuerung registrieren lassen.

Ein aktives Controlling der Umsätze ist daher ab 2025 unerlässlich.

 

Fazit: Prognosen zahlen sich trotzdem aus

Auch wenn die neue Regelung keinen rückwirkenden Verlust des Kleinunternehmerstatus vorsieht, ist eine realistische Planung weiterhin sinnvoll. Wer knapp unter oder über den Grenzen liegt, sollte regelmäßig die Umsätze prüfen und Rücklagen für eine potenzielle Steuerpflicht bilden.

Die Kleinunternehmerregelung bleibt – trotz aller Änderungen – eine wertvolle Möglichkeit, den Start in die Selbstständigkeit zu erleichtern. Wer privat orientierte Kunden anspricht und keine großen Investitionen plant, profitiert oft erheblich von dieser Sonderregelung.

Sollten Sie weitere Informationen zum Thema Kleinunternehmer oder Existenzgründung benötigen, empfehlen wir Ihnen die Seite www.kleinunternehmer.de sowie das Existenzgründungsportal des Bundesministeriums für Wirtschaft www.existenzgruender.de.

 

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