orgaMAX Blog | Mehr Wissen für Ihren Büroalltag

Änderungen für Kleinunternehmer: Praktische Auswirkungen

Geschrieben von orgaMAX Redaktionsteam | 02.05.25 06:00

Seit Jahresbeginn 2025 gelten für umsatzsteuerbefreite Kleinunternehmer wichtige Änderungen. Nun hat die Finanzverwaltung ihre Vorgaben zur Kleinunternehmerregelung veröffentlicht. Das BMF-Schreiben klärt aus Sicht der Finanzämter, welche Folgen das Überschreiten der Umsatzgrenze hat. Ein weiterer Punkt sind die Möglichkeiten von Kleinunternehmern bei Geschäften über EU-Grenzen hinweg.

 

Neues zu Kleinunternehmern im Umsatzsteuer-Anwendungserlasses

Die Finanzverwaltung hat auf die seit Jahresbeginn geltenden Änderungen für Kleinunternehmer reagiert und den Umsatzsteuer-Anwendungserlass geändert. Der Erlass ist eine umfassende Verwaltungsanweisung: sozusagen das Handbuch für Finanzbeamte zu Umsatzsteuerfragen.

Die neuen Festlegungen haben praktische Auswirkungen auf Selbstständige, die mit der Kleinunternehmerregelung zu tun haben. Dieser Beitrag fasst einige der wichtigsten Neuerungen zusammen:

  • Wie wird die neu eingeführte Kleinunternehmer-Umsatzgrenze von 100.000 Euro berechnet?

  • Welche praktischen Auswirkungen hat es, wenn sie mitten im Jahr überschritten wird? Welche Geschäfte werden dann umsatzsteuerpflichtig?

  • Welche Umsatzgrenze gilt beim Start in die Selbstständigkeit?

  • Muss man auch in Deutschland Kleinunternehmer sein, um sich beim Bundeszentralamt für Steuern für die Kleinunternehmer-Regelung in anderen EU-Staaten zu registrieren?

  • Wie lässt sich nun die Reverse-Charge-Falle für deutsche Kleinunternehmer bei Aufträgen an Dienstleister im EU-Ausland umgehen?  

Hintergrund:

  • Kleinunternehmerregelung: Selbstständige, deren Umsatz im Vorjahr und im laufenden Jahr bestimmte Grenzen nicht überschreitet, sind als „Kleinunternehmer“ von der Umsatzsteuer befreit. Ausnahme: Sie entscheiden sich ausdrücklich für Rechnungen mit Umsatzsteuer. Das ist der Kern der Kleinunternehmerregelung.

  • Änderungen für Kleinunternehmer seit 2025: In vielen Punkten wurde die Kleinunternehmerregelung zum Jahresbeginn geändert. So gelten jetzt neue Umsatzgrenzen: 25.000 Euro im Vorjahr, 100.000 Euro im laufenden Jahr, und zwar als Nettobeträge. Außerdem kann der Kleinunternehmer-Status auch in anderen EU-Ländern genutzt werden. Die Neuerungen sind im Beitrag „Kleinunternehmerregelung: Wichtige Änderungen ab 2025“ zusammengefasst.

Quellen:

Die Kleinunternehmerregelung ergibt sich aus § 19 Umsatzsteuergesetz. Das Meldeverfahren als Kleinunternehmer in anderen EU-Staaten regelt § 19a UStG. Die Verwaltungsvorgaben zur Kleinunternehmerregelung findet sich in der aktuellen Fassung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses, dort in den Unterpunkten 19.1 bis 19a.4 (Seiten 740 bis 754). Mitgeteilt wurden sie im BMF-Schreiben vom 18.03.2025.

 

100.000-Euro-Frage: Was passiert, wenn im laufenden Jahr die Umsatzgrenze erreicht wird?

Sobald der Umsatz von Kleinunternehmern im laufenden Jahr die Netto-Grenze von 100.000 Euro überschreitet, werden sie umsatzsteuerpflichtig. Das gilt schon für den Auftrag, durch den die Grenze überschritten wird. Diese Regelung ist neu. Bis 2024 ging der Kleinunternehmerstatus erst ab dem Folgejahr verloren.

Das BMF-Schreiben stellt klar: Ein Kleinunternehmer, der im bisherigen Jahr bereits 80.000 Umsatz erzielt hat und nun einen neuen Auftrag über 40.000 Euro akquiriert, muss dem Kunden bereits für diese 40.000 Euro eine Rechnung mit Umsatzsteuer ausstellen. Das liegt daran, dass dieser Auftrag für den Umsatzposten sorgt, mit dem die 100.000-Euro-Grenze überschritten wird. Der Gesamtumsatz wächst dadurch auf 120.000 Euro, das bedeutet Umsatzsteuerpflicht. Außerdem müssen ab diesem Zeitpunkt Umsatzsteuer-Voranmeldungen abgegeben werden.

Der Zeitpunkt der Einnahme zählt

  • Wird die 100.000-Euro-Grenze mitten im Jahr überschritten, stellt sich die Frage, für welche Aufträge Rechnungen mit Umsatzsteuer ausgestellt werden müssen und für welche nicht.

  • Es gilt das Prinzip der „vereinnahmten Entgelte“: Entscheidend für die Umsatzsteuerpflicht ist der Zeitpunkt, zu dem die Bezahlung eingeht.

  • Das bedeutet: Wird ein Auftrag vor dem Erreichen der Umsatzgrenze vereinbart und ausgeführt, aber das Geld dafür erst nach dem Überschreiten der Umsatzgrenze überwiesen, dann wird auch dieses Geschäft umsatzsteuerpflichtig.

  • Es genügt bereits, dass ein Teil der Bezahlung nach dem Erreichen der Umsatzgrenze eingeht, etwa bei Aufteilung in Anzahlung und Schlussrechnung. In diesem Fall wird der gesamte Auftrag samt Anzahlung umsatzsteuerpflichtig.

  • Umsatzsteuerpflichtig wird der Auftrag selbst dann, wenn er eigentlich vor Überschreiten der 100.000-Euro-Grenze hätte bezahlt werden sollen, der Kunde aber zu spät überweist.

  • Die Folge der Umsatzsteuerpflicht: Die ursprünglich umsatzsteuerfreie Rechnung muss korrigiert und durch eine Rechnung mit Umsatzsteuer ersetzt werden.

  • Das führt leicht zu Diskussionen mit dem Kunden, vor allem bei Privatleuten oder umsatzsteuerbefreiten Selbstständigen. Diese erhalten keine Vorsteuererstattung und bleiben auf der nachträglich fälligen „Mehrwertsteuer“ sitzen. Alternativ können die bisherigen Kleinunternehmer den jetzt fälligen Umsatzsteueranteil selbst tragen. Das ist natürlich ebenfalls keine gute Lösung.

Schon deshalb sollten Kleinunternehmer ihren laufenden Umsatz genau im Auge behalten. Zum einen haften sie für fällige, aber nicht berechnete und abgeführte Umsatzsteuer. Außerdem droht Ungemach durch zunächst umsatzsteuerfreie Geschäfte, die durch verspätete Zahlungen im Nachhinein doch noch steuerpflichtig werden. So wird bei Annäherung an die Grenze ein schneller Zahlungseinzug wichtig.

 

Nicht alles zählt mit

  • Anders ist die Sache, wenn ein Selbstständiger zum Jahreswechsel von der Kleinunternehmerregelung zur Regelbesteuerung wechselt, und ein Kunde dann eine offene Rechnung aus dem umsatzsteuerfreien Vorjahr begleicht. Darauf wird keine nachträgliche Umsatzsteuer fällig.

  • Außerdem bekräftigt die Finanzverwaltung die Regelung aus dem Gesetz: Aufträge, die ohnehin umsatzsteuerfrei sind, etwa Pflegeleistungen oder bestimmte Unterrichtsleistungen, bleiben außen vor. Dasselbe gilt für Umsätze im Ausland.

  • Wichtig: Auch Umsätze mit Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens zählen nicht mit. Verkauft ein Selbstständiger Maschinen, IT-Geräte, Büromöbel oder Fahrzeuge, die er zuvor in seinem Betrieb genutzt hat, führt das nicht zum Verlust des Kleinunternehmer-Status. Das gilt auch bei der Übernahme ins Privatvermögen.

Kleinunternehmerregelung für Gründer

Wie bisher können sich Gründer im Fragebogen zur steuerlichen Erfassung der Finanzverwaltung für oder gegen die Kleinunternehmerregelung entscheiden. Dabei gilt im Jahr der Gründung eine andere Umsatzgrenze als in den Folgejahren. Im Gründungsjahr darf der Umsatz als Kleinunternehmer 25.000 Euro netto nicht überschreiten. Die Umsatzgrenze von 100.000 Euro im laufenden Jahr gilt erst im zweiten Jahr der selbstständigen Tätigkeit. Diese Regelung geht auf ein älteres Urteil des Bundesfinanzhofs zurück. Die Finanzverwaltung hat es übernommen und an die neuen Vorgaben angepasst.

 

EU-KU-Regelung: Kleinunternehmer-Geschäfte im EU-Ausland

Eine weitere gesetzliche Neuerung betrifft die sogenannte EU-KU-Regelung. Deutsche Selbstständige, die in anderen EU-Staaten Aufträge als Kleinunternehmer ausführen wollen, können sich dafür über ein zentrales „besonderes Meldeverfahren“ in Deutschland registrieren. Die Plattform wird vom Bundeszentralamt für Steuern bereitgestellt. Eine Anmeldung bei der Steuerverwaltung des betreffenden Landes ist damit überflüssig.

  • Für die Online-Registrierung muss man beim örtlichen Finanzamt erfasst sein und einen Zugang zur Steuerplattform Elster

  • Nach erfolgreicher Registrierung weist das Bundeszentralamt den Selbstständigen eine Kleinunternehmer-Identifikationsnummer (KU-IdNr.) zu. Mit dieser kann man umsatzsteuerfreie Rechnungen im EU-Ausland stellen.

  • Wer die EU-KU-Regelung nutzt, muss quartalsweise Umsatzmeldungen für alle EU-Länder einschließlich Deutschland abgeben.

  • Für grenzüberschreitende Kleinunternehmer gelten zum einen allgemeine Umsatzgrenzen: 000 Euro im Vorjahr wie im laufenden Jahr. Dabei zählen sämtliche in der EU getätigten Umsätze.

  • Zusätzlich müssen die Umsätze die Kleinunternehmer-Vorgaben des jeweiligen EU-Landes einhalten, damit sie dort umsatzsteuerfrei bleiben. Dies betrifft nur die Umsätze, die dort im Land ausgeführt werden. Die konkreten Voraussetzungen und Umsatzgrenzen der nationalen Kleinunternehmerregelung legt jedes Land für sich fest. So gilt zum Beispiel in Österreich eine Brutto-Umsatzgrenze von 55.000 Euro für das aktuelle und das Vorjahr.

  • Wer bereits beim Import-One-Stop-Shop (IOSS, Vermeidung von Einfuhrumsatzsteuer auf Waren aus Drittländern bis maximal 150 Euro, § 18k UStG) registriert ist, kann sich nicht gleichzeitig als Kleinunternehmer für andere EU-Staaten anmelden.

  • Kein Problem ist es dagegen, wenn man das One-Stop-Shop des Bundeszentralamts gemäß § 18j UStG nutzt, also zum Beispiel für Dienstleistungen in anderen EU-Staaten oder für „innergemeinschaftliche Fernverkäufe“.

Umsatzsteuerpflicht in Deutschland, Kleinunternehmer im EU-Ausland – das geht

Selbstständige können das „besondere Meldeverfahren“ nutzen und in einem anderen EU-Land umsatzsteuerfrei als Kleinunternehmer agieren, selbst wenn sie in Deutschland umsatzsteuerpflichtig sind. Natürlich muss das Auftragsvolumen im anderen EU-Land unter der dort gültigen Kleinunternehmergrenze bleiben.

Beispiel: Angenommen eine Selbstständige hatte einen EU-weiten Gesamtumsatz von 80.000 Euro im Vorjahr und 90.000 Euro im aktuellen Jahr, jeweils netto. In beiden Jahren entfielen davon jeweils 30.000 Euro auf Österreich und 50.000 bzw. 60.000 Euro auf Deutschland. Damit kann sie im laufenden Jahr in Deutschland keine Kleinunternehmerin mehr sein, denn sie hat die Vorjahresumsatzgrenze von 25.000 Euro überschritten. Sie kann sich aber für die Meldeplattform des Bundeszentralamts registrieren und dann den Kunden in Österreich umsatzsteuerfreie Rechnungen ausstellen.

Allerdings müssen Selbstständige, die nur im EU-Ausland als Kleinunternehmer auftreten und in Deutschland umsatzsteuerpflichtig sind, beim Vorsteuerabzug ihre Eingangsleistungen aufteilen (UStAE 15.2 Abs. 3 Nr.4). Kaufen sie Waren, die sie als Kleinunternehmer im Ausland weiterverkaufen, dürfen sie die Umsatzsteuer in der Lieferantenrechnung nicht als Vorsteuer geltend machen. Und wenn Verpackungsmaterial en gros gekauft haben, müsse sie die Vorsteuer aufteilen: Sie dürfen sie nur so viel an Vorsteuer abziehen, wie den in Deutschland verschickten Sendungen entspricht. Der Teil, der auf die Auslandsbestellungen entfällt, müssen sie herausrechnen.

 

EU-Geschäftspartner als Kleinunternehmer in Deutschland: Raus aus der Reverse-Charge-Falle

Für bestimmte Dienstleistungen über EU-Grenzen hinweg gilt die Umkehrung der Umsatzsteuerlast, auch Reverse Charge genannt (§ 13b UStG). Lässt sich ein deutscher Selbstständiger von einer österreichischen Programmiererin eine Datenbankanwendung schreiben, trägt aufgrund dieser Regelung er als Auftraggeber die Umsatzsteuerlast, nicht wie im Regelfall sie als Dienstleisterin. Wegen der „Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers“ muss der deutsche Kunde den – in der Rechnung nicht ausgewiesenen – Umsatzsteueranteil von sich aus in seine Umsatzsteuervoranmeldung aufnehmen.

  • Ist er umsatzsteuerpflichtig, muss er zumindest nichts bezahlen, denn er darf diesen Betrag gleich wieder als Vorsteuer abziehen. Dann bringt das sogenannte Reverse-Charge-Verfahren also nur zusätzlichen Aufwand.

  • Bei Kleinunternehmern ist das anders. Fällt der deutsche Selbstständige unter die Kleinunternehmerregelung, darf er keine Vorsteuer abziehen. In der genannten Konstellation einer Reverse-Charge-Rechnung aus Österreich ist er aber ausnahmsweise umsatzsteuerpflichtig. Deshalb muss er den Umsatzsteueranteil, den er als Leistungsempfänger anstelle der österreichischen Programmiererin zu tragen hat, ermitteln, in einer Umsatzsteuervoranmeldung angeben, und ans deutsche Finanzamt abführen. Eine Erstattung des Betrags als Vorsteuer erhält er nicht.

Diese Regelung machte viele Aufträge an Dienstleister im EU-Ausland für deutsche Kleinunternehmer bisher unattraktiv. Nun bietet die EU-KU-Regelung einen Ausweg. Die österreichische Programmiererin kann sich bei der dortigen Meldeplattform registrieren und damit ihre Aufträge in Deutschland umsatzsteuerfrei ausführen. Der entsprechende Hinweis in ihrer Rechnung erspart dem deutschen Kleinunternehmer als Kunden Umsatzsteuer und Steuermeldung. Voraussetzung ist, dass die Österreicherin die Umsatzgrenzen einhält: EU-weit die Grenze von 100.000 Euro, mit deutschen Kunden die Grenzen von 25.000 Euro im Vorjahr und 100.000 Euro im laufenden Jahr.

 

Beratung ist sinnvoll – auch für Kleinunternehmer

Umsatzsteuerrecht ist komplex. Fehler können teuer werden. Im schlimmsten Fall verlangt das Finanzamt die Nachzahlung der Umsatzsteuer für sämtliche Aufträge mehrerer Jahre. Das kann existenzbedrohend sein. Bei Unklarheiten kann auch für Selbstständige mit überschaubaren Umsätzen die Unterstützung durch eine Steuerberaterin oder einen Steuerberater sinnvoll sein.

 

Lektüretipps

Weiterführende Informationen zu Steuer- und Buchführungsthemen finden Sie im orgaMAX-Blog und im Newsletter-Archiv: