Viele Selbstständige und Unternehmer sind durch die Folgen der Corona-Pandemie existenziell bedroht. Wenn eine betriebliche Krise nicht mehr bereinigt werden kann, droht die Zahlungsunfähigkeit („Insolvenz“). Das Insolvenzrecht kennt zwei verschiedene Insolvenzverfahren: die Regelinsolvenz und die Verbraucherinsolvenz. Letztere wird umgangssprachlich auch Privatinsolvenz genannt.
Regelinsolvenz oder Verbraucherinsolvenz?
Betroffenen ist oft unklar, welches der beiden Verfahren für sie gilt. Für Einzelselbstständige und Freiberufler gibt es verschiedene Möglichkeiten.
Wer als Freiberufler, Gewerbetreibender oder Unternehmer ...
- selbstständig ist und seine Zahlungsverpflichtungen nicht mehr erfüllen kann, fällt unter das Regelinsolvenzverfahren.
- selbstständig war, die Tätigkeit zum Zeitpunkt der Insolvenz also bereits beendet hat, kann wie Arbeitnehmer, Arbeitslose oder Rentner die Verbraucherinsolvenz in Anspruch nehmen.
Bei der zweiten Variante gelten laut § 304 Insolvenzordnung jedoch zwei Ausnahmen:
- Ein ehemals Selbstständiger schuldet 20 und mehr Gläubigern Geld. Oder:
- Bei den Verbindlichkeiten handelt es sich um unbezahlte Gehälter, Sozialversicherungsbeiträge oder Lohnsteuern.
In diesen Fällen greift das Regelinsolvenzverfahren auch dann, wenn die Selbstständigkeit bereits beendet ist.
Insolvenzverfahren: Die Unterschiede auf einen Blick
Bei einer Regelinsolvenz setzt das zuständige Insolvenzgericht einen Insolvenzverwalter ein. Seine Aufgabe ist es, so viel wie möglich vom verbliebenden Vermögen (= „Insolvenzmasse“) anteilsmäßig unter den Gläubigern zu verteilen. In der Realität reicht es meist nur für eine kleine Quote der Forderungen.
Bei einer Verbraucherinsolvenz wird dem Schuldner ein Treuhänder an die Seite gestellt. Während einer in der Regel sechsjährigen Wohlverhaltensperiode, hat er den Teil seines Einkommens an die Gläubiger abzugeben, der die Pfändungsgrenze übersteigt. Dazu muss er sich natürlich um Einkommen bemühen. Am Ende des Verbraucherinsolvenzverfahrens steht in der Regel die Restschuldbefreiung. Liegen Pflichtverstöße vor, kann die Restschuldbefreiung aber auch verweigert werden.
Regelinsolvenz: Insolvenzgründe bei Selbstständigen
Für Selbstständige gibt es zwei Insolvenzgründe, die einen Insolvenzantrag begründen und eine Regelinsolvenz auslösen können:
- Zahlungsunfähigkeit: Der Selbstständige hat nicht mehr die Mittel, um seinen fälligen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen (§ 17 InsO). In der Regel gilt Zahlungsunfähigkeit als eingetreten, wenn die Zahlungen eingestellt werden.
- Drohende Zahlungsunfähigkeit: Die Mittel, die dem Selbstständigen zur Verfügung stehen, werden voraussichtlich nicht für die Zahlungsverpflichtungen reichen, wenn diese fällig werden (§ 18 InsO). Bei diesem Insolvenzgrund kann nur der Schuldner Insolvenzantrag stellen, nicht aber die Gläubiger.
Die Überschuldung (§ 19 InsO) als dritter Insolvenzgrund ist nur für juristische Personen wie etwa eine GmbH relevant. Auf Einzelselbstständige trifft dieses Kriterium nicht zu.
Sonderfall GmbH-Geschäftsführer Geschäftsführer einer GmbH oder haftungsbeschränkten Unternehmergesellschaft (UG) machen sich grundsätzlich strafbar, wenn sie trotz Vorliegen eines Insolvenzgrundes nicht spätestens nach drei Wochen Insolvenzantrag stellen. Sie haften in dem Fall auch mit ihrem Privatvermögen. Allerdings ist die Insolvenzantragspflicht bei Überschuldung Corona-bedingt noch bis Ende Dezember 2020 unter bestimmten Voraussetzungen aufgehoben. |
Anders als bei einer GmbH oder einer oder haftungsbeschränkten Unternehmergesellschaft (UG) gibt es für Einzelunternehmer keine Insolvenzantragspflicht, die innerhalb einer begrenzten Frist zum Handeln zwingt. Einzelselbstständige dürfen das gescheiterte Unternehmen also durchaus zunächst in Eigenregie abwickeln und dann erst die Regelinsolvenz oder Privatinsolvenz beantragen.
Voraussetzungen für die Verbraucherinsolvenz
Eine Verbraucherinsolvenz ist möglich, wenn der zahlungsunfähige Betroffene erfolglos versucht hat, sich mit seinen Gläubigern außergerichtlich auf einen Schuldenbereinigungsplan zu einigen. In der Praxis führt der Weg zur Verbraucherinsolvenz häufig über die Eidesstattliche Versicherung (EV). Die EV wurde früher häufig als „Offenbarungseid“ bezeichnet.
Bitte beachten Sie: Die Abgabe einer EV führt nicht automatisch zur Verbraucherinsolvenz. Umgekehrt ist sie auch nicht deren notwendige Voraussetzung.
Eine EV können Gläubiger beantragen, wenn Vollstreckungsversuche ins Leere gehen: Der Schuldner muss in der Erklärung seine Vermögensverhältnisse umfassend offenlegen, z. B. alle Konten, Wertgegenstände und Einkommensquellen angeben.
Rechtzeitig beraten lassen
Das Insolvenzrecht hält eine Menge Fallen bereit – selbst Einzelselbstständige können schnell über die Vorschriften stolpern. So lässt sich ohne fachliche Prüfung der Geschäftszahlen kaum feststellen, ob die Zahlungsunfähigkeit bereits eingetreten ist oder erst droht.
Ganz gleich, welches Insolvenzverfahren droht: Wenn sich geschäftliche Krisen verschärfen, sollten Sie sich beraten lassen. Die ohnehin meistens überlasteten Schuldnerberatungsstellen sind dabei nur für Verbraucherinsolvenzen zuständig. Geschäftsleute wenden sich am besten an einen erfahrenen Steuer- oder Unternehmensberater.
Im Zweifel fragen Sie bei ...
- Ihrem Berufs- oder Branchenverband,
- der zuständigen IHK oder
- Handwerkskammer nach.
Geplante Änderungen im Insolvenzrecht
Die Bundesregierung will die Rechtslage rund um die Insolvenz reformieren. Zu den Neuregelungen, die bereits für das Jahr 2021 geplant sind, gehören folgende Änderungen:
- Die Restschuldbefreiung soll schon nach drei Jahren möglich sein, auch für Selbstständige.
- Es ist ein geordnetes, außergerichtliches Sanierungsverfahren geplant. Das Verfahren für die Phase gedacht, in der Zahlungsunfähigkeit droht, aber noch nicht eingetreten ist.
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