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Selbstständig und gleichzeitig angestellt: Was bedeutet das für die Krankenversicherung?

2. Jun. 2022
6 MIN

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Es gibt viele Teilzeit-Selbstständige, die gleichzeitig auch angestellt arbeiten. Dann muss geklärt werden, welche der Tätigkeiten hauptberuflich ist und welche nebenberuflich. Die Antwort entscheidet über die Krankenversicherungspflicht.

Hauptberuflich oder nebenberuflich selbstständig? Davon hängt die Krankenversicherungspflicht ab

Sind Sie gleichzeitig selbstständig und als Arbeitnehmer tätig? Dann hängt Ihre Krankenversicherungspflicht davon ab, ob Sie Ihre Selbstständigkeit hauptberuflich oder nebenberuflich ausüben. Auch die Pflegeversicherung richtet sich danach.

  • Hauptberuflich angestellt, nebenberuflich selbstständig? In diesem Fall besteht im Angestelltenjob Pflege- und Krankenversicherungspflicht bzw. man profitiert von der Krankenversicherung als Arbeitnehmer, je nach Sichtweise.
    Eine private Krankenversicherung ist in diesem Fall nur möglich, wenn der Lohn die Versicherungspflichtgrenze („Jahresarbeitsentgeltgrenze“) überschreitet. Sie liegt im Jahr 2022 bei 64.350 Euro bzw. 362,50 Euro pro Monat.
  • Hauptberuflich selbstständig, nebenberuflich angestellt? Dann ist die angestellte Nebentätigkeit krankenversicherungsfrei. Auch zur Pflegeversicherung müssen aus dem Angestelltenverdienst keine Beiträge bezahlt werden. Dafür muss man sich als Selbstständiger krankenversichern. Das kann über eine private Versicherung geschehen, oder als freiwilliges Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse.

 

Zwei mögliche Perspektiven

In vielen Fällen sind Selbstständige froh, wenn sie sich über den parallelen Angestelltenjob krankenversichern können. Das ist in der Regel deutlich günstiger, schon weil der Arbeitgeber die Hälfte der Beiträge übernimmt.

Allerdings gibt es auch Fälle, in denen privat versicherte Selbstständige die Versicherungspflicht im Nebenberuf als Angestellter vermeiden wollen, weil dies aufgrund des Einkommens dort zwangsläufig in die gesetzliche Krankenversicherung führt, oder weil die Abgaben den ausgezahlten Lohn schmälern.

 

Die Vermutungsregel der Krankenkassen

Als hauptberuflich gilt die Tätigkeit, die „von der wirtschaftlichen Bedeutung und dem zeitlichen Aufwand her“ die andere Tätigkeit „deutlich“ übersteigt. So steht es in den „grundsätzlichen Hinweisen“ des GKV-Spitzenverbands vom 20. März 2019 zur Haupt- und Nebenberuflichkeit .

Die Krankenkassen müssen also einzelfallbezogen prüfen. Sie entscheiden im Rahmen einer „Gesamtschau“. Das bedeutet: Sie haben einen gewissen Spielraum. Das Dokument des GKV-Spitzenverbands nennt dafür allerdings klare Gesichtspunkte, aufgrund derer die Hauptberuflichkeit „vermutet“ wird:

  • Beschäftigt in Vollzeit? Dann wird angenommen, dass diese Beschäftigung hauptberuflich ist und nicht die parallel ausgeübte Selbstständigkeit.
  • Beschäftigt mit mehr als 20 Wochenstunden? Auch dann wird die Hauptberuflichkeit angenommen, wenn der Bruttoverdienst aus dem Angestelltenjob mehr als die halbe monatliche Bezugsgröße ausmacht. Im Jahr 2022 sind das 1.645 Euro.
  • Beschäftigt mit weniger Wochenstunden und weniger Verdienst? Wenn der Angestelltenjob 20 Wochenstunden oder weniger umfasst und ein Bruttoentgelt von maximal der halben monatlichen Bezugsgröße einbringt, wird die parallel ausgeübte Selbstständigkeit als hauptberuflich angenommen.

In Zweifelsfällen wird erstens der Gewinn aus der Selbstständigkeit mit dem Bruttolohn aus der Beschäftigung und zweitens der Zeitaufwand für die Selbstständigkeit mit der Angestellten-Arbeitszeit verglichen. Übersteigt die Selbstständigkeit in beiden Punkten die Angestelltentätigkeit um mindestens 20 Prozent, ist sie für den GKV-Spitzenverband hauptberuflich.

Eine direkte Grundlage im Gesetz oder in der Rechtsprechung gibt es dafür jedoch nicht. Der Wert stellt bestenfalls eine Orientierung dar. Außerdem gibt es den Fall, dass wenige Wochenstunden im Angestelltenberuf viel mehr Geld einbringen als die zeitaufwändigere Selbstständigkeit. Es kann auch umgekehrt sein. Beides macht die Abgrenzung schwieriger. Aus Sicht betroffener Selbstständiger bedeutet das allerdings auch: Die Chancen auf erfolgreiche Gegenwehr gegen die Einschätzung der Krankenkasse steigen.

 

Das sollten Sie wissen:

  • „Vermutungsregel“ bedeutet: Die Annahmen können im Einzelfall widerlegt werden, wenn es dafür gute Argumente gibt.
  • Wenn mehrere selbstständige Tätigkeiten vorliegen, werden sie bei der „Gesamtschau“ zusammengerechnet.
  • Was für Mitglieder der Künstlersozialversicherung mit Nebenjob gilt, hat die KSK in einem kurzen Leitfaden zusammengefasst.
  • Wer einen Gründungszuschuss oder ein Einstiegsgeld bezieht, gilt automatisch als hauptberuflich selbstständig.
  • Ein Minijob (450-Euro-Job, ab Oktober 520-Euro-Job) ist nie der Hauptberuf. Der Arbeitgeber muss für einen gesetzlich krankenversicherten Minijobber zwar einen pauschalen „Solidarbeitrag“ zur Krankenversicherung bezahlen. Dieser begründet aber keinen Krankenversicherungsschutz für die geringfügig Beschäftigten.

 

Arbeitgeber? Vermutlich hauptberuflich!

Wenn ein Selbstständiger mindestens einen Arbeitnehmer beschäftigt, wird unabhängig von Arbeitszeiten und Entgelt die Hauptberuflichkeit der Selbstständigkeit „vermutet“ (§ 5 Abs. 5 SGB V). Minijobber zählen dabei allerdings nur, wenn es mehr als einen davon gibt und sie zusammen mehr als 450 Euro (ab Oktober 2022: 520 Euro) verdienen. Kurzfristige oder gelegentliche Aushilfen zählen gar nicht.

Das bedeutet in der Praxis, dass sich die Beweislast für selbstständige Arbeitgeber mit gleichzeitiger Anstellung umkehrt: Sie können zwar über die Angestelltentätigkeit krankenversichert werden. Dafür müssen sie dann aber konkret zeigen, dass die abhängige Beschäftigung wirtschaftlich und zeitlich überwiegt und ihrer „Lebensführung das Gepräge gibt“.

 

Teilzeit-selbstständig ohne weiteres Einkommen?

Es gibt ein weiteres Szenario, in dem die Hauptberuflichkeit von Selbstständigen fraglich sein kann: bei einer Teilzeit-Selbstständigkeit ohne zusätzliche Tätigkeit.

In diesem Fall muss die Selbstständigkeit die Hauptquelle des Lebensunterhalts sein. Als Kriterien dafür gibt der GKV-Spitzenverband vor, dass die Selbstständigkeit …

  • mehr als 30 Stunden umfasst, und der Gewinn bei mehr als 25 Prozent der monatlichen Bezugsgröße liegt (2022: 822,50 Euro), oder
  • mehr als 20 Stunden umfasst, bei einem Gewinn von mehr als der halben monatlichen Bezugsgröße (2022: 1.645 Euro), oder
  • 20 Wochenstunden oder weniger umfasst, und der Gewinn mehr als 75 Prozent der monatlichen Bezugsgröße ausmacht (2022: 2467,50 Euro).

 

Zum Schluss: Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung nicht vergessen

Die gesetzliche Sozialversicherung umfasst auch die gesetzliche Renten- sowie die Arbeitslosenversicherung. Bei einer Beschäftigung als Angestellter, auch als Nebenberuf, fallen in der Regel Arbeitnehmerbeiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung an. Die Entscheidung über Haupt- und Nebenberuf ist nur für die Kranken- und Pflegeversicherung relevant.

Es gibt Ausnahmen wie Minijobs oder eine sozialversicherungsfreie kurzfristige Beschäftigung, bei denen die Beschäftigten keine Beiträge zahlen müssen. Auch die persönlichen Umstände können die Versicherungspflicht verhindern. Wer die Regelaltersgrenze für Rentenansprüche erreicht hat, muss im Gegensatz zu seinem Arbeitgeber keine Beiträge zur Arbeitslosen- und Rentenversicherung mehr bezahlen, wenn er noch einer Beschäftigung nachgeht.

In jedem Fall haftet der Arbeitgeber für die fälligen Sozialversicherungsbeiträge, nicht der Arbeitnehmer. Trotzdem kann es sinnvoll sein, über die individuelle Versicherungspflicht Bescheid zu wissen. Verlässliche Informationen gegen Bezahlung bekommt man von Rentenberatern, die sich mit allen Zweigen der Sozialversicherung auskennen. Kostenlose Antworten liefern die Service-Hotline der Deutschen Rentenversicherung unter Tel. 0800 1000 4800 sowie deren örtliche Beratungsstellen.

Bitte beachten Sie: Mitglieder der Künstlersozialversicherung und Selbstständige mit bestimmten Berufen zahlen auch in der selbstständigen Tätigkeit Rentenversicherungsbeiträge. Die Liste steht in § 2 SGB VI.

 

 

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