Es gibt viele Teilzeit-Selbstständige, die gleichzeitig auch angestellt arbeiten. Dann muss geklärt werden, welche der Tätigkeiten hauptberuflich ist und welche nebenberuflich. Die Antwort entscheidet über die Krankenversicherungspflicht.
Sind Sie gleichzeitig selbstständig und als Arbeitnehmer tätig? Dann hängt Ihre Krankenversicherungspflicht davon ab, ob Sie Ihre Selbstständigkeit hauptberuflich oder nebenberuflich ausüben. Auch die Pflegeversicherung richtet sich danach.
In vielen Fällen sind Selbstständige froh, wenn sie sich über den parallelen Angestelltenjob krankenversichern können. Das ist in der Regel deutlich günstiger, schon weil der Arbeitgeber die Hälfte der Beiträge übernimmt.
Allerdings gibt es auch Fälle, in denen privat versicherte Selbstständige die Versicherungspflicht im Nebenberuf als Angestellter vermeiden wollen, weil dies aufgrund des Einkommens dort zwangsläufig in die gesetzliche Krankenversicherung führt, oder weil die Abgaben den ausgezahlten Lohn schmälern.
Als hauptberuflich gilt die Tätigkeit, die „von der wirtschaftlichen Bedeutung und dem zeitlichen Aufwand her“ die andere Tätigkeit „deutlich“ übersteigt. So steht es in den „grundsätzlichen Hinweisen“ des GKV-Spitzenverbands vom 20. März 2019 zur Haupt- und Nebenberuflichkeit .
Die Krankenkassen müssen also einzelfallbezogen prüfen. Sie entscheiden im Rahmen einer „Gesamtschau“. Das bedeutet: Sie haben einen gewissen Spielraum. Das Dokument des GKV-Spitzenverbands nennt dafür allerdings klare Gesichtspunkte, aufgrund derer die Hauptberuflichkeit „vermutet“ wird:
In Zweifelsfällen wird erstens der Gewinn aus der Selbstständigkeit mit dem Bruttolohn aus der Beschäftigung und zweitens der Zeitaufwand für die Selbstständigkeit mit der Angestellten-Arbeitszeit verglichen. Übersteigt die Selbstständigkeit in beiden Punkten die Angestelltentätigkeit um mindestens 20 Prozent, ist sie für den GKV-Spitzenverband hauptberuflich.
Eine direkte Grundlage im Gesetz oder in der Rechtsprechung gibt es dafür jedoch nicht. Der Wert stellt bestenfalls eine Orientierung dar. Außerdem gibt es den Fall, dass wenige Wochenstunden im Angestelltenberuf viel mehr Geld einbringen als die zeitaufwändigere Selbstständigkeit. Es kann auch umgekehrt sein. Beides macht die Abgrenzung schwieriger. Aus Sicht betroffener Selbstständiger bedeutet das allerdings auch: Die Chancen auf erfolgreiche Gegenwehr gegen die Einschätzung der Krankenkasse steigen.
Wenn ein Selbstständiger mindestens einen Arbeitnehmer beschäftigt, wird unabhängig von Arbeitszeiten und Entgelt die Hauptberuflichkeit der Selbstständigkeit „vermutet“ (§ 5 Abs. 5 SGB V). Minijobber zählen dabei allerdings nur, wenn es mehr als einen davon gibt und sie zusammen mehr als 450 Euro (ab Oktober 2022: 520 Euro) verdienen. Kurzfristige oder gelegentliche Aushilfen zählen gar nicht.
Das bedeutet in der Praxis, dass sich die Beweislast für selbstständige Arbeitgeber mit gleichzeitiger Anstellung umkehrt: Sie können zwar über die Angestelltentätigkeit krankenversichert werden. Dafür müssen sie dann aber konkret zeigen, dass die abhängige Beschäftigung wirtschaftlich und zeitlich überwiegt und ihrer „Lebensführung das Gepräge gibt“.
Es gibt ein weiteres Szenario, in dem die Hauptberuflichkeit von Selbstständigen fraglich sein kann: bei einer Teilzeit-Selbstständigkeit ohne zusätzliche Tätigkeit.
In diesem Fall muss die Selbstständigkeit die Hauptquelle des Lebensunterhalts sein. Als Kriterien dafür gibt der GKV-Spitzenverband vor, dass die Selbstständigkeit …
Die gesetzliche Sozialversicherung umfasst auch die gesetzliche Renten- sowie die Arbeitslosenversicherung. Bei einer Beschäftigung als Angestellter, auch als Nebenberuf, fallen in der Regel Arbeitnehmerbeiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung an. Die Entscheidung über Haupt- und Nebenberuf ist nur für die Kranken- und Pflegeversicherung relevant.
Es gibt Ausnahmen wie Minijobs oder eine sozialversicherungsfreie kurzfristige Beschäftigung, bei denen die Beschäftigten keine Beiträge zahlen müssen. Auch die persönlichen Umstände können die Versicherungspflicht verhindern. Wer die Regelaltersgrenze für Rentenansprüche erreicht hat, muss im Gegensatz zu seinem Arbeitgeber keine Beiträge zur Arbeitslosen- und Rentenversicherung mehr bezahlen, wenn er noch einer Beschäftigung nachgeht.
In jedem Fall haftet der Arbeitgeber für die fälligen Sozialversicherungsbeiträge, nicht der Arbeitnehmer. Trotzdem kann es sinnvoll sein, über die individuelle Versicherungspflicht Bescheid zu wissen. Verlässliche Informationen gegen Bezahlung bekommt man von Rentenberatern, die sich mit allen Zweigen der Sozialversicherung auskennen. Kostenlose Antworten liefern die Service-Hotline der Deutschen Rentenversicherung unter Tel. 0800 1000 4800 sowie deren örtliche Beratungsstellen.
Bitte beachten Sie: Mitglieder der Künstlersozialversicherung und Selbstständige mit bestimmten Berufen zahlen auch in der selbstständigen Tätigkeit Rentenversicherungsbeiträge. Die Liste steht in § 2 SGB VI. |
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