Arbeitgeber dürfen grundsätzlich „Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung“ bestimmen. Im Regelfall müssen Arbeitnehmer den entsprechenden Anweisungen von Chefs oder Vorgesetzen Folge leisten. Dieses gesetzlich garantierte Recht hat allerdings seine Grenzen.
Inhalt, Ort und Zeit: Arbeitgeber haben ein „Weisungsrecht“
„Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen“. Dieses Weisungsrecht oder Direktionsrecht des Arbeitgebers steht ausdrücklich im Gesetz (§ 106 GewO). Der Arbeitgeber kann festlegen, was und wann die Arbeitnehmer wo tun sollen. Sich an diese Anweisungen zu halten, ist für die Arbeitnehmer Teil der Arbeitsleistung, zu der sie sich mit ihrer Unterschrift unter den Arbeitsvertrag verpflichten und für die sie bezahlt werden.
Konkrete Grenzen des Weisungsrechts
Allerdings sagt der gleiche Paragraf auch, wo das Weisungsrecht von Arbeitgebern endet. Anweisungen an Arbeitnehmer dürfen weder dem Arbeitsvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder einem Tarifvertrag widersprechen noch geltende Gesetze verletzen. Das wirkt sich zum Beispiel wie folgt aus:
- Wenn der Arbeitsvertrag als Arbeitsort „Köln“ festlegt und keine Versetzungsklausel enthält, kann das Unternehmen den Angestellten zwar von einer Filiale in Ehrenfeld in eine Niederlassung in Köln-Nippes versetzen. Es darf den Mitarbeiter jedoch nicht gegen seinen Willen an den Standort München beordern.
- Genauso wenig kann der Arbeitgeber die Mitarbeiterin anweisen, als Reinigungskraft tätig zu werden, wenn sie laut Arbeitsvertrag als Programmiererin eingestellt wurde.
- Bestimmt eine Betriebsvereinbarung, dass die Vorgesetzen einen bereits gewährten und im Urlaubsplan vermerkten Urlaub nicht mehr einseitig ändern oder verschieben dürfen, dann kann die Abteilungsleiterin nicht nachträglich verhindern, dass der kinderlose Kollege in den Schulferien Urlaub macht.
- Der Schichtleiter darf seine Team-Mitglieder nicht anweisen, die halbstündige Pause ans Ende ihrer Schicht zu verlegen, denn das wird vom Arbeitszeitgesetz ausdrücklich untersagt.
Abstrakte Grenzen des Weisungsrechts: Billigkeit, Gleichbehandlung und Persönlichkeitsrecht
Daneben endet der Freiraum des Direktionsrechts immer dann, wenn die Vorgaben und Anweisungen bestimmte Rechtsgrundsätze verletzen.
- So darf das Weisungsrecht nur nach „billigem Ermessen“ ausgeübt werden, unangemessene oder unverhältnismäßige Anweisungen sind nicht verbindlich ( 106 GewO und § 315 Abs. 3 BGB). Was das konkret bedeutet, beschäftigt die Arbeitsgerichte immer wieder aufs Neue. Unbillig wäre es aber wohl in jedem Fall, wenn ein in Rostock wohnender, alleinerziehender Arbeitnehmer mit einem behinderten Kind und einer pflegebedürftigen Mutter von einem Tag zum andern im Süden Thüringens arbeiten soll.
Arbeitnehmer müssen einer unbilligen und damit unzulässigen Anweisung nicht nachkommen. Sie tragen allerdings das Risiko: Entscheidet das Arbeitsgericht später, dass der Chef doch im Recht war, kann der auf die Weigerung mit einer Abmahnung oder sogar mit einer Kündigung reagieren.
- Im Arbeitsrecht gilt außerdem der Gleichbehandlungsgrundsatz, selbst wenn das kein Gesetz direkt formuliert. Arbeitgeber dürfen keine willkürlichen Unterschiede machen. Wenn stets nur einer der Kellner zum Feierabend die Toiletten reinigen soll, dann überschreitet der Chef damit vermutlich sein Weisungsrecht. Zumindest muss er stichhaltige Sachgründe für diese einseitige Belastung anführen können.
- Auch in anderer Hinsicht muss das Persönlichkeitsrecht gewahrt bleiben. Dagegen verstößt der Chef zum Beispiel, wenn er einen Arbeitnehmer gar nicht mehr mit Aufgaben betraut. Beschäftigte haben aufgrund des Arbeitsvertrags einen Beschäftigungsanspruch, solange sie nicht wirksam freigestellt sind. Das ist ständige Rechtsprechung. Wenn Arbeitgeber versuchen, einzelne Mitarbeiter durch untätiges Herumsitzenlassen zur freiwilligen Kündigung zu bewegen, ist das unzulässig.
- Ganz klar: Anweisungen, die unter das Benachteiligungsverbot fallen, sind nicht vom Weisungsrecht gedeckt. So darf der Chef die weibliche Büro-Hilfskraft beispielsweise nicht zu einer Ganzkörpermassage als Teil ihrer Aufgaben auffordern. Das wäre ein Fall von Belästigung und damit ein Verstoß gegen das Allgemeine Gleichstellungsgesetz.
Eine Versetzungsklausel gegen die Beschränkung des Weisungsrechts?
Das Weisungsrecht kann nicht dazu genutzt werden, arbeitsvertragliche Vereinbarungen zu umgehen. Dagegen kann eine Versetzungsklausel im Arbeitsvertrag dem Arbeitgeber von vornherein Flexibilität beim Einsatz der Beschäftigten sichern. Man spricht auch vom Versetzungsvorbehalt.
Wenn solche Klauseln zu umfassend formuliert sind und damit Willkür ermöglichen, werden sie unwirksam. Vorformulierte Arbeitsverträge gelten als Allgemeine Geschäftsbedingungen und unterliegen einer strengen Inhaltkontrolle: Ihre Regelungen dürfen weder überraschend noch unklar bestimmt sein (§ 307 BGB). Die Klausel sollte den Versetzungsvorbehalt auf betrieblich begründete und individuell angemessene Versetzungen auf Stellen mit gleichwertiger Tätigkeiten beschränken. Die korrekte Formulierung ist anspruchsvoll, aber wichtig. Sonst entpuppt sich die Klausel im Ernstfall als wertlos.
Ohnehin darf der Chef unabhängig vom Arbeitsvertrag die Filialleiterin, die sich unbeliebt gemacht hat, nicht einfach zu Strafzwecken von ihrer Leitungsposition in Köln auf eine Stelle als Aushilfe in Gummersbach versetzen. Zudem kann eine wirksame Versetzungsklausel bei sämtlichen Arbeitnehmern auf andere Art problematisch werden. Das sorgt zum Beispiel dafür, dass bei Schließung einer Filiale oder Abteilung die Sozialauswahl standortübergreifend erfolgen und die Prüfung alternativer Verwendungen intensiver ausfallen muss, falls das Kündigungsschutzgesetz gilt.
Beispiele: Wenn Arbeitsgerichte das Weisungsrecht des Arbeitgebers bekräftigen
Das Direktionsrecht ist eines der zentralen Elemente des Arbeitsrechts. Entsprechend häufig wird es vor Arbeitsgerichten zum Thema. Dabei gewinnt keineswegs immer die Arbeitnehmerseite. Eine kleine Auswahl aus solchen Entscheidungen zeigt: So lange Anweisungen von Arbeitgebern sachlich begründbar und verhältnismäßig sind sowie den arbeitsvertraglichen und gesetzlichen Rahmen einhalten, müssen Arbeitnehmer Folge leisten:
- Ein Arbeitnehmer wollte nicht die vom Arbeitgeber für die Arbeit in der Fertigungshalle vorgeschriebenen und bereitgestellten roten Arbeitshosen tragen. Diese sollten nicht nur als Arbeitsschutzbekleidung, sondern auch zur Abgrenzung von eigenen und fremden Beschäftigten dienen. Der Mitarbeiter erschien trotz mehrfacher Aufforderung und einer Abmahnung immer wieder in schwarzen Hosen. Daraufhin erfolgte eine Kündigung, die das Landesarbeitsgericht in Düsseldorf für berechtigt erklärte. Der Arbeitgeber war durch sein Weisungsrechts berechtigt, Hosen in der Signalfarbe vorzuschreiben. (LAG Düsseldorf, 21.05.2024 - 3 SLa 224/24).
- Der Dienstherr einer im öffentlichen Dienst beschäftigten Arbeitnehmerin durfte ihr das Mitbringen ihres Hundes zum Arbeitsplatz untersagen. Die Frau litt unter einer posttraumatischen Belastungsstörung und hatte angegeben, den Hund für ein Sicherheitsgefühl vor Angriffen zu benötigen. Das Tier knurrte und verbellte allerdings ihre Kollegen, die deshalb Angst hatten. Die Einschätzung, dass der Hunde aufgrund dieses Verhaltens gefährlich sei, berechtigte den Vorgesetzen zum Verbot, ihn weiter mit ins Büro zu bringen (LAG Rheinland-Pfalz, 08.09.2022 - 2 Sa 490/21, noch nicht rechtskräftig).
- Der Träger eines Seniorenheims war im Recht, als er dem Pflegepersonal in einer Dienstanweisung aus hygienischen Gründen „das Tragen langer Fingernägel, lackierter Fingernägel, künstlicher Fingernägel und von Gelnägeln“ während der Arbeitszeit untersagte. Eine Altenpflegehelferin wehrte sich dagegen vor Gericht. Die Anweisung wirke sich auf ihr Privatleben aus und entspreche nicht „billigem Ermessen“. Das sah das Arbeitsgericht Aachen anders. Es gestand zu, dass das Verbot der Gelnägel die Pflegehilfskraft persönlich einschränkte. Das Heim durfte jedoch auf der Durchsetzung anerkannter Hygienevorschriften bestehen (ArbG Aachen, 21.02.2019 - 1 Ca 1909/18).
- Eine Alleinerziehende mit Zwillingen arbeitete als Verkäuferin in der Filiale einer Bäckereikette im Raum Schwerin. Sie verlangte, nicht zu Früh- und Spätschichten sowie zur Samstagsarbeit eingeteilt zu werden und wollte stattdessen nur von Montag bis Freitag während der Mittelschicht tätig sein. Nur dann seien die Kinder in der Kita, sie habe keine andere Betreuungsmöglichkeit. Der Arbeitgeber lehnte das ab, weil auch die anderen drei Verkäuferinnen der Filiale kleine Kinder hatten. Der Betriebsfrieden werde gestört, wenn nur die Kolleginnen die unbeliebten Früh-, Spät- und Samstagsschichten übernehmen müssten. Das Landesarbeitsgericht stimmte dem zu. Das Weisungsrecht des Arbeitgebers sei nicht darauf eingeschränkt, die Frau nur zu den von ihr gewünschten Zeiten einzusetzen (LAG Mecklenburg-Vorpommern, 13.07.2023 - 5 Sa 139/22, noch nicht rechtskräftig).
- Ein in der sozialen Arbeit aktiver gemeinnütziger Verein durfte eine in der Lohnbuchhaltung beschäftigte Mitarbeiterin gegen ihren Willen an einen anderen Arbeitsplatz versetzen, um einen anhaltenden Konflikt mit einer Kollegin zu entschärfen. Die Arbeitnehmerin hatte eine einstweilige Verfügung gegen die Versetzung beantragt: Ihre neue Aufgabe bestehe nur noch im Buchen der Kasse, der Weg zur Arbeit sei länger, sie begegne dort Drogenabhängigen und psychisch Kranken, was ihr als Frau nicht zumutbar sei. Hintergrund der Versetzung war, dass sie sich von ihrer bisherigen Vorgesetzten gemobbt fühlte. Ein Coaching zur Auflösung des seit längerem bestehenden Konflikts war erfolglos. Vor diesem Hintergrund war die Versetzung nach Meinung des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main rechtmäßig. Es sei Sache des Arbeitgebers, wie er auf Konfliktlagen reagiere. Die neu zugewiesene Tätigkeit sei zumutbar (Hessisches LAG, Urteil vom 23.10.2020 - 10 SaGa 863/20).
- Ein beim Land Berlin angestellter Chauffeur hatte keinen Anspruch darauf, ausschließlich als „persönlicher Fahrer“ von Politikern eingesetzt zu werden. Er musste sich mit einer Versetzung in den Fahrer-Pool abfinden. Der Mann hatte zunächst einen Staatssekretär und die Senatssprecherin gefahren. Dann wurde er der Fahrbereitschaft zugeordnet, damit ging ihm ein Pauschalentgelt für persönliche Fahrer verloren. Dagegen klagte er. In der Antwort auf seine Stellenbewerbung war von seiner Einordnung in eine bestimmte Tarifgruppe als „ständiger persönlicher Fahrer“ die Rede. Das war ihm zufolge ein Vertragsangebot, so dass diese Tätigkeit nun Teil seines Arbeitsvertrags sei. Das Bundesarbeitsgericht sah die Sache anders: Es galt allein der schriftliche Arbeitsvertrag als PKW-Fahrer. Die Versetzung in den Fahrer-Pool war somit vom Direktionsrecht gedeckt (BAG, 27.04.2021 - 9 AZR 343/20).
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