Die Beiträge zu tariflichen Sozialkassen wie der SOKA-Bau, der Malerkasse, der SOKA-Gerüst oder der SOKA-Dach werden zusätzlich zu den regulären Sozialversicherungsabgaben fällig. Über die Zahlungspflicht entscheiden allein die Bestimmungen der Tarifverträge – auch bei Unternehmen, die ansonsten nicht tarifgebunden sind und die man nicht unbedingt der Baubranche zuordnen würde.
Tarifliche Sozialkassen wie die SOKA-Bau: Was verbirgt sich dahinter?
- Zusätzlich zur gesetzlichen Sozialversicherung haben die Tarifparteien mancher Branchen auch tarifliche Sozialkassen eingeführt.
- Es gibt die SOKA-Bau für das Baugewerbe allgemein, die SOKA-Gerüstbau für das Gerüstbauhandwerk, die SOKA-Dach für Dachdecker, die Malerkasse für das Maler- und Lackiererhandwerk und die EWGaLa für den Garten- und Landschaftsbau. Weitere Sozialkassen gibt es für Schornsteinfeger, für Steinmetze sowie für die Land- und Forstwirtschaft. Außerdem gibt es die Bäckerkasse, die seit geraumer Zeit nicht mehr verpflichtend ist.
- Diese Sozialkassen finanzieren sich wie die gesetzliche Sozialversicherung über Beiträge, die auf die Bruttolöhne anfallen. Bei den tariflichen Sozialkassen werden die Beiträge jedoch allein vom Arbeitgeber bestritten.
- Zu den typischen Leistungen gehören, je nach Sozialkasse, eine zusätzliche Altersversorgung, eine Urlaubskasse zur Auszahlung des Urlaubsgelds sowie finanzielle Beiträge zur Berufsausbildung. Einige der Kassen ziehen außerdem die Winterbeschäftigungs-Umlage für die Bundesagentur für Arbeit ein.
- Die Mitgliedschaft ist nicht freiwillig (Ausnahme: Bäckerkasse). Die Tarifverträge, auf denen die Sozialkassen beruhen, wurden und werden vom Bundesarbeitsministerium für allgemeingültig erklärt. Damit sind auch Unternehmen, die keinem Arbeitgeberverband und keiner Innung angehören, zur Beitragszahlung verpflichtet, wenn sie in den vom jeweiligen Tarifvertrag definierten Geltungsbereich fallen.
- Entscheidend ist, ob mehr als die Hälfte der im Betrieb verrichteten Tätigkeiten dem entsprechen, was der jeweilige Tarifvertrag festlegt. Entscheidend ist dabei die Gesamtarbeitszeit. Wenn also mehr als die Hälfte der Gesamtarbeitszeit auf Straßenbauarbeiten entfällt, muss der Arbeitgeber Beiträge an die SOKA-Bau abführen, denn deren Tarifvertrag definiert diese Tätigkeit als beitragspflichtig.
- Ein typisches Problem: Nicht immer ist auf Anhieb klar, welche Tätigkeiten erfasst sind. Vielmehr gibt es zahlreiche Grenz- und Zweifelsfälle und entsprechend viele Rechtsstreitigkeiten. Zuständig sind die Arbeitsgerichte, da es um Tarifrecht geht.
Tipp: Einen Überblick über die tariflichen Sozialkassen liefert dieses PDF-Merkblatt des Bundesarbeitsministeriums. |
Von wem die Sozialkassen so alles Beiträge fordern: Beispiele aus der Praxis
- Eine Service-Gesellschaft übernimmt im Auftrag von Immobilienverwaltungen das Facility Management und damit Kleinreparaturen an Wohnungen. Dafür beansprucht die SOKA-Bau Beitragszahlungen. Der Betrieb sei baulich im Sinn des Tarifvertrags. Vor dem Hessischen Landesarbeitsgericht hat ihre Forderung Erfolg (LAG Hessen, 17.12.2021 - 10 Sa 403/21 SK).
- Ein Spezialbetrieb aus Bremerhaven führt Rostschutzarbeiten an Schleusen und Spundwänden, hauptsächlich aber auf Schiffen durch. Auch in diesem Fall hat die SOKA-Bau Erfolg. Das Bundesarbeitsgericht hält den Betrieb für betragspflichtig, obwohl die Eisenschutzarbeiten industriell durchgeführt werden, und das an Schiffen und nicht an Bauwerken (BAG, 27.01.2021 - 10 AZR 138/19).
- Ein Dienstleister, der verstopfte Abflussrohre freispült, gerät ins Visier der SOKA-Bau. Das Arbeitsgericht Wiesbaden gibt der Beitragsforderung statt, die Rohrreinigung ist demnach beitragspflichtig (AG Wiesbaden, 06.12.2022 - 7 Ca 648/14).
- Ein Spezialbetrieb montiert Leck-Erkennungstechnologie an Biogasanlagen und Güllebehältern. Auch in diesem Fall reklamiert die SOKA-Bau eine bauliche, beitragspflichtige Tätigkeit und erhält vor dem Landesarbeitsgericht recht, selbst wenn das Urteil noch nicht rechtskräftig ist (LAG Hessen, 11.08.2017 - 10 Sa 123/17).
- Ein Event-Dienstleister erstellt mobile Tribünen für große Open-Air-Konzerte. In diesem Fall ist es die SOKA-Gerüstbau, die Forderungen stellt und sie vor dem Bundesarbeitsgericht durchsetzt. Das BAG sieht den Tribünenbau als „Sonderkonstruktion der Rüsttechnik“, das Unternehmen muss zahlen. (BAG, 27.01.2021 - 10 AZR 512/18).
- Ein von einem Maschinenbaumechaniker-Meister geleiteter Betrieb montiert Abfüllanlagen, industrielle Fördertechnik und andere Industrieanlagen. Er wird von der SOKA-Bau auf Beitragszahlung verklagt und vom Landesarbeitsgericht Hessen als baulich eingestuft. Die Richter nennen als einen Grund, dass die montierten Anlagen auf der Erde ruhen und damit nach ihrer Sichtweise Teile von Bauwerken darstellen. Zum anderen rächt sich, dass der Geschäftsführer in einer Selbstauskunft zunächst einen 70-prozentigen Arbeitszeitanteil für Stahlbaumontage genannt hatte. Stahlbau ist, anders als Industrieanlagenmontage, unstrittig eine SOKA-pflichtige Tätigkeit (LAG Hessen, 10.12.2019 12 Sa 152/19 SK). Inzwischen ist der Fall beim Bundesarbeitsgericht anhängig.
Diese Beispiele bedeuten nicht, dass die Sozialkassen vor Gericht stets erfolgreich sind. Aber regelmäßig müssen Betriebe zur Kenntnis nehmen, dass sie wider Erwarten zur Beitragszahlung verpflichtet sind.
Die Beiträge können eine echte Belastung darstellen
In der Beitragshöhe gibt es deutliche Unterschiede zwischen den Sozialkassen. So berechnet die SOKA-Bau in den alten Bundesländern für jeden gewerblichen Arbeitnehmer (Arbeiter) 2023 einen Gesamtbeitrag von 20,8 Prozent vom Bruttolohn. Im Westteil von Berlin sind es sogar 25,75 Prozent. Für Angestellte wird im Westen ein pauschaler Beitrag von 67 Euro monatlich fällig.
Dagegen beträgt die Ausbildungsumlage der EWGaLa im Garten- und Landschaftsbau nur 0,8 Prozent des Bruttolohns, und das nur bei gewerblichen Arbeitnehmern.
Vorsicht mit Selbstauskünften und Stellungnahmen
Zumindest die SOKA-Bau steht im Ruf, auf der Suche nach Beitragszahlern sehr proaktiv vorzugehen. Die Kasse erhält zum Beispiel Daten vom Zoll und den Sozialversicherungsträgern. Sie wird außerdem von sich aus bei Unternehmen vorstellig, bei denen in ihren Augen eine Beitragspflicht in Frage kommt.
In vielen Fällen besteht der erste Schritt in einer Bitte um Selbstauskunft. Ab diesem Punkt sollten die betroffenen Betriebe wachsam sein. Die Besonderheit der Rechtslage führt dazu, dass missverständliche oder irrtümliche Angaben sich später nicht mehr einfangen lassen und zu Beitragszahlungen führen.
Die SOKA-Bau ist bekannt dafür, Forderungen energisch einzuklagen. Dabei muss sie nicht im Detail beweisen, dass der beklagte Betrieb unter den Sozialkassen-Tarifvertrag fällt. Es genügt, wenn sie das angesichts der Umstände glaubhaft machen kann. Die „Last des substantiierten Bestreitens“ liegt dann beim verklagten Betrieb. Gleichzeitig kann die Sozialkasse für die Löhne und Gehälter, auf deren Grundlage sie ihre Beitragsforderungen berechnet, Durchschnittswerte des statistischen Bundesamts ansetzen. Hintergrund dieser Besonderheiten ist der Umstand, dass die Sozialkassen anders als Zoll oder die Deutsche Rentenversicherung keinen Anspruch auf Betriebsprüfungen oder Kontrollen vor Ort haben.
Beitragspflichtig oder nicht? Es gibt viele Grenz- und Zweifelsfälle
Bei manchen Tätigkeiten ist es recht eindeutig, dass sie unter den Verfahrenstarifvertrag fallen. Ein Betrieb, der überwiegend Maurerarbeiten ausführt, sollte die SOKA-Bau-Beiträge von vornherein einkalkulieren.
Andererseits gibt es auch viele Zweifelsfälle. Das zeigen bereits die oben genannten Beispiel. Ob tatsächlich im konkreten Einzelfall eine Beitragspflicht zu einer tariflichen Sozialkasse besteht, hängt von den individuellen Umständen ab.
- Wichtig kann zum Beispiel die Zugehörigkeit des Betriebs zu einer Handwerksinnung oder einem Industrieverband werden, der dazu führt, dass ein anderer Tarifvertrag gilt. So war es im Fall eines handwerklichen Mischbetriebs, der zur Innung für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik gehörte (BAG, 27.10.2010 - 10 AZR 362/09). Die SOKA-Bau hat mit vielen Ausbaugewerken eine „Verbändevereinbarung“ getroffen, die die Beitragspflicht für Innungsmitglieder ausschließt.
- Außerdem sind die genauen Details der Tätigkeit von Belang. So wurde ein Betrieb, der Abschirmkabinen aus Kupfer oder Aluminium für CT- und MRT-Geräte in Krankenhäusern montiert, von der Beitragspflicht zur SOKA-Bau ausgenommen. Diese Abschirmkäfige seien Teil der Medizintechnik und nicht des Gebäudes, befand das Bundesarbeitsgericht (BAG, 14.12.2011 - 10 AZR 720/10).
- Schließlich kann bei bestimmten Tätigkeiten auch entscheidend sein, ob die Arbeiten von Mitarbeitern mit einem bestimmten Berufsabschluss ausgeführt oder beaufsichtigt werden. Das gilt vor allem dann, wenn die Tätigkeit sowohl unter den Tarifvertrag der SOKA-Bau wie den einer anderen Branche fällt. Bei einem Betrieb, der Fahrstreifen und andere Markierungen auf den Böden von Industriehallen aufmalt, scheiterten die Beitragsforderungen der Sozialkasse der Bauwirtschaft, weil er von einem Malergesellen geleitet wurde (BAG, 30.03.2022 - 10 AZR 194/20).
Was tun, wenn die Sozialkasse anklopft?
Betriebe, bei denen die Mitgliedschaft in einer der tariflichen Sozialkassen zumindest im Raum steht, sollten keine Vogel-Strauß-Politik betreiben. Die Chancen, dass die Kasse auf das Unternehmen aufmerksam wird, sind groß. Dann sind möglicherweise Nachzahlungen für mehrere Jahre fällig.
Es besteht allerdings auch kein Anlass zu eilfertigem Entgegenkommen. Wenn sich die Beitragspflicht vermeiden lässt, bedeutet das in der Regel eine spürbare finanzielle Entlastung. Der Weg zu einem Rechtsanwalt für Arbeitsrecht mit Erfahrung im Sozialkassenrecht kann sich deshalb lohnen.
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