Kunden, die nicht zu Terminen erscheinen, ein Ausfallhonorar berechnen? Das klingt für viele Selbstständige verlockend. Rechtlich gesehen ist es jedoch kein Selbstläufer, sich bei Nichterscheinen einen Honoraranspruch zu sichern.
Viele Selbstständige kennen solche Situationen:
Für die selbstständigen Dienstleister sind geplatzte Terminvereinbarungen mit Kunden doppelt ärgerlich. Zum einen entfällt das eingeplante Honorar. Zum anderen kann die freigewordene Zeit so kurzfristig selten für andere Kunden genutzt werden. Da erscheint es nur fair, wenn in solchen Fällen ein Ausfallhonorar fällig wird. Leider lässt sich das nicht immer so einfach in die Realität umsetzen.
Ob im Einzelfall eine Chance besteht, einen Anspruch auf Ausfallhonorare geltend zu machen, hängt von mehreren Faktoren ab:
In Fällen wie den oben beschriebenen führt die Einzelfallprüfung oft zu einer Enttäuschung: Häufig gab es zum Zeitpunkt des versäumten Termins keinen Vertrag, oder die Pflicht zur Zahlung eines Ausfallhonorars war kein Vertragsbestandteil, oder die entsprechende AGB-Klausel nicht wirksam.
Angenommen, eine Kundin ruft in einem Fotostudio an und vereinbart einen Termin für Bewerbungs- und Porträtfotos – zu dem sie dann nicht erscheint. Der Inhaber sieht in seinen AGB für solche Fälle ein Ausfallhonorar vor. Trotzdem kann seine Forderung nach einem Ausfallhonorar scheitern, weil zum betreffenden Zeitpunkt gar kein Vertragsverhältnis zwischen ihm und der Doch-nicht-Kundin bestand.
Eine telefonische Terminvereinbarung muss noch lange kein Vertragsabschluss sein. Möglicherweise ging es zunächst nur darum, vor Ort den Preis und die Details zu klären? Und selbst wenn es eine klare mündliche Vereinbarung gab: Wie soll der Fotograf das nachweisen?
Ohne Vertrag kommt kein Annahmeverzug gemäß § 293 BGB zustande, bei dem der Frau die vereinbarte Leistung angeboten wurde und sie diese hätte nutzen können, so dass sie nun zahlen muss. Die Leistung war noch gar nicht vertraglich vereinbart, damit fehlt der Forderung nach einem Ausfallhonorar die Grundlage.
Selbst wenn ein Vertrag zustande kam, kann das Nichterscheinen eine konkludente Form der Kündigung darstellen: stillschweigend, aber schlüssig und damit wirksam.
Dafür ist die Frage wichtig, ob und wie der Vertrag gekündigt werden kann. Das hängt unter anderem davon ab, ob ein Werkvertrag oder ein Dienstvertrag vorliegt. Im Fall der Porträtserie aus unserem Beispiel liegt ein Werkvertrag vor: Der Fotograf verpflichtet sich der Kundin gegenüber zur Herstellung der Aufnahmen, nicht zum Ableisten einer bestimmten Zeit im Fotostudio.
Einen Werkvertrag kann die Kundin jederzeit kündigen (§ 648 BGB). In diesem Fall stehen dem Fotograf grundsätzlich fünf Prozent des vereinbarten Honorars zu. Will er mehr, muss er einen höheren Schaden nachweisen und dabei zeigen, dass er in der Zeit keine andere Kunden hätte bedienen können. Das ist gar nicht so einfach.
Übrigens: Auch einen Dienstvertrag können Kunden kündigen, etwa im Fall der Schulungsstunden bei einem selbstständigen Rhetorik-Coach. Geht es um „Dienste höherer Art“, ist sogar eine kurzfristige Kündigung zulässig (§ 627 BGB). Auch dann wird es mit dem Ausfallhonorar bei kurzfristiger Absage schwierig. Allerdings lässt sich die Geltung dieses Paragraphen vertraglich ausschließen. Zu solchen Diensten höherer Art rechnen die Gerichte beispielsweise Rechtsberatung. Dagegen zählte eine Marketingberatung für das Landgericht Landshut nicht dazu (LG Landshut, 14.08.2020 – 55 O 403/20, PDF).
Viele Dienstleister versuchen, Regelungen zum Ausfallhonorar in ihren AGB zu verankern. Bei Terminvereinbarung per Telefon ist das nachweisliche Einbeziehen der AGB allerdings ein Problem. Wie soll der Fotograf später beweisen, dass er klar darauf hingewiesen hat, dass die AGB und damit die Ausfallhonorar-Klausel Teil des Vertrags sind?
Wenn deshalb am Telefon nur der Termin abgesprochen und der Vertragsabschluss mit Einbeziehung der AGB aufs erste Treffen verschoben wird, stellt sich das oben erwähnte Problem: Dann ist die Kundin nicht vertraglich gebunden.
Außerdem verbietet das AGB-Recht viele denkbare Klauseln. Ausfallhonorare mit pauschalierten Schadenersatz-Forderungen, die den Wert des Schadens übersteigen können sind ebenso ein Verstoß gegen die Bestimmungen wie ein Ausschluss der Möglichkeit für die Gegenseite, die Schadenshöhe zu bestreiten (§ 309 BGB). Darüber hinaus darf die Ausfallhonorar-Klausel weder unklar noch unverständlich sein (§ 307 BGB). Es sollte klar hervorgehen, unter welchen Umständen das Ausfallhonorar fällig wird und wie hoch es ausfällt.
Sind die Kunden Unternehmer und keine Verbraucher, besteht etwas mehr Spielraum in der AGB-Gestaltung. Zum Beispiel gilt in diesem Fall § 309 BGB nicht. Aber selbst gegenüber Geschäftskunden wenden die Gerichte in der Regel vergleichbare Grundsätze bei der Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen an.
Für Ausfallhonorare in den Heilberufen gelten eigene Vorschriften. Das Bürgerliche Gesetzbuch regelt Behandlungsverträge, wie sie Therapeuten, Ärzte und Angehörige anderer Heilberufe mit ihren Patienten abschließen, in einem eigenen Abschnitt (§§ 630a - 630h BGB). Zudem existiert eine eigene Rechtsprechung der Gerichte zu Ausfallhonoraren, die von Patienten gefordert werden.
Eine Darstellung der besonderen Rechtslage zu Ausfallhonoraren in den Heilberufen würde das Format dieses Artikels sprengen. Informationen liefert die Verbraucherzentrale aus Patientensicht. Rechtsanwältin Annett Sterrer gibt Hinweise aus Perspektive des Arztes, ebenso das Radiologen-Wirtschaftsforum.
Vorschüsse und Abschlagszahlungen sind als Alternative zu Ausfallhonoraren nicht immer eine Lösung.
Wenn Selbstständige sich den Anspruch auf Ausfallhonorare sichern wollen, sollten sie in eine anwaltliche Beratung investieren. Wer entsprechende Klauseln einfach kopiert oder selbst formuliert, bleibt im Ernstfall schnell auf seiner Forderung sitzen.
Zum Glück können auch organisatorische Maßnahmen dazu beitragen, dass Selbstständige und Freiberufler nicht vergeblich warten: eine Erinnerungs-SMS am Tag vor dem Termin zum Beispiel.
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