Die Corona-Pandemie und ihre Folgen haben viele gesunde Betriebe in finanzielle Schieflage gebracht. Zahlungsengpässe trotz guter Auftragslage und schwarzer Zahlen kommen aber auch in ruhigeren Zeiten vor. Ein finanzieller Schiffbruch aus heiterem Himmel ist gar nicht einmal so selten.
Lektüretipp: Mit dem grundsätzlichen Unterschied zwischen der Erfolgs-Betrachtung („Gewinn“) und der Zahlungs-Perspektive („Liquidität“) beschäftigt sich der orgaMAX-Blogbeitrag „Ohne Moos nix los: Liquidität vs. Gewinn“. |
Ursachen für Zahlungsprobleme?
Klar: Wer sich repräsentative Geschäftsräume an teuren Standorten, protzige Luxuskarossen und einen unproduktiven Mitarbeiterstab leistet, gerät leicht in finanzielle Schieflage. Doch wenn Selbstständige und Unternehmer trotz günstiger Geschäftslage Schwierigkeiten bekommen, liegt das selten daran, dass sie persönlich über ihre Verhältnisse leben.
Fehlendes internes Controlling
Viel häufiger sind Organisations- und Managementfelder – insbesondere ...
- keine laufende Kontenüberwachung (Cash-Management),
- mangelnde Transparenz über den Zeitpunkt hoher Zahlungsabflüsse,
- fehlende Steuer- und Investitionsrücklagen,
- Finanzierungsfehler – vor allem die Missachtung der „goldenen Finanzierungsregel“.
Die besagt, dass langfristig gebundenes Vermögen (wie Produktionsanlagen, Firmenwagen etc.) auch langfristig finanziert sein muss (z. B. durch Eigenkapital oder Bankdarlehen). Kurzfristig gebundene Vermögensbestandteile (wie Waren und Vorräte) dürfen dagegen auch kurzfristig finanziert werden (z. B. durch Lieferantenkredite, Dispo- oder Kontokorrentkredite). - Investitionsfehler – oft durch Unkenntnis der Abschreibungs-Vorschriften.
Hintergrund: Wirtschaftsgüter im Nettowert von mehr als 800 Euro müssen im Jahr der Anschaffung zwar in voller Höhe bezahlt werden, die Auszahlung fließt jedoch nur zu einem geringen Teil als Betriebsausgabe in die Gewinnermittlung ein.
Denn das Finanzamt erkennt die Investition nur häppchenweise steuerlich an. So muss der Kaufpreis von ...
- Immobilien normalerweise über 25 Jahre,
- Büroausstattungen über 13 Jahre,
- Fahrzeugen über 6 Jahre und selbst von
- Computern und IT-Zubehör über 3 Jahre verteilt werden.
Mit anderen Worten: Im Jahr der Anschaffung reißen Investitionen ein Riesenloch in die Liquiditätsreserven. Wer keine Rücklagen gebildet hat oder die erforderlichen Beschaffungen langfristig zu erschwinglichen Darlehens-Konditionen finanzieren kann, gerät unter Umständen in einen Finanzengpass.
Dasselbe gilt für fehlende Steuerrücklagen. Sie können nicht über alle flüssigen Mittel auf Ihren Geschäftskonten frei verfügen. Denn ein Teil davon gehört dem Fiskus. Ganz gleich, ob Umsatzsteuer, Gewerbesteuer, Einkommensteuer oder auch die Lohnsteuer für Ihre Mitarbeiter: Zum Zahlungstermin müssen Sie flüssig sein. Wenn nicht, fackelt das Finanzamt nicht lange.
Der Staat ist ein besonders privilegierter und obendrein sehr ungeduldiger Schuldner. Wenn Sie fällige Steuern aus Steueranmeldungen oder Steuerbescheiden nicht pünktlich zahlen, erhalten Sie höchsten ein oder zwei Mahnungen. Falls Sie darauf nicht reagieren, können Ihre Steuerschulden (inklusive aufgelaufener Säumnisgebühren und Zinsen) binnen einer Woche von einem Vollzugsbeamten gepfändet werden!
Mangelhaftes Forderungsmanagement
Nicht alle Liquiditätsprobleme gehen auf Finanzierungsfehler und mangelnden Überblick über die Zeitpunkte von Ein- und Auszahlungen zurück. Ursache ist oft ein argloser, ja unkritischer Umgang mit säumigen Schuldnern:
- Angefangen bei fehlenden Bonitätsprüfungen trotz bekannt geringer Zahlungsmoral der Kundschaft bis hin zu vollständigen Zahlungsausfällen,
- über verspätete Rechnungstellung,
- Verzicht auf Zahlungsanreize (Skonto oder andere Schnellzahler-Rabatte) und
- unpassende Bezahlverfahren (z. B. hochwertige Lieferungen auf Rechnung statt Vorkasse, langfristige Vorleistungen ohne Vorschüsse, Teil- oder Abschlagszahlungen),
- bis hin zum Verzicht auf konsequentes Inkasso,
- einem wirkungslosem Mahnwesen sowie
- Unkenntnis des gerichtlichen Mahnverfahrens, Zivilklagen oder Vollstreckungen.
Bewährte Maßnahmen gegen Liquiditäts-Engpässe
Um sicher zu sein, fälligen Verbindlichkeiten jederzeit uneingeschränkt nachkommen zu können, benötigen Sie zumindest ...
- einen Überblick über alle Forderungen gegenüber eigenen Kunden und Verbindlichkeiten gegenüber Lieferanten (Offene-Posten-Übersicht) und einen
- am besten monatsgenauen Liquiditätsplan mit allen zu erwartenden Zu- und Abflüssen von Geldmitteln.
Als Prognose-Basis bieten sich normalerweise die Buchhaltungs-Zahlen des Vorjahres an.
Buchhaltung als Prognose-Steinbruch?
Aufgrund der Pandemie-Maßnahmen sind Prognosen zurzeit in vielen Branchen schwierig. Falls Ihr Unternehmen im Jahr 2020 stark von den Corona-Maßnahmen betroffen war, eignen sich auch die Werte des unmittelbaren Vorjahres nur sehr bedingt als Anhaltspunkt. In dem Fall verwenden Sie Werte des Jahres 2019 als Planungsgrundlage.
Ganz gleich, welche Vorjahreswerte Sie als Ausgangspunkt wählen: Darin enthalten sind wichtige Informationen – zum Beispiel über ...
- die Zahlungszeitpunkte sich wiederholender größerer Ausgabenpositionen (z. B. jährliche Versicherungsprämien),
- die durchschnittliche monatliche Belastung mit laufenden Betriebsausgaben,
- eigene Verbindlichkeiten gegenüber Lieferanten und Dienstleister oder auch
- das Zahlungsverhalten der Kundschaft (durchschnittlicher Zeitraum zwischen Rechnungsversand und Bezahlung).
Falls Sie häufiger mit uneinbringlichen Forderungen zu kämpfen haben, finden Sie auch dafür Anhaltspunkte und Gründe in Ihren Vorjahres-Aufzeichnungen.
Liquiditäts-Bestandsaufnahmen
Beginnen wir mit der Bestandsaufnahme von Ein- und Auszahlungen sowie Forderungen und Verbindlichkeiten.
1. Ein- und Auszahlungen
Um einen Eindruck von den zu erwartenden Zu- und Abflüssen von Geldmitteln zu bekommen, verschaffen Sie sich als nächstes einen Überblick über Art und Größenordnung Ihrer tatsächlichen Ein- und Auszahlungen. Dazu zählen insbesondere:
Einzahlungen:
- Honorare, Verkaufs- und sonstige Erlöse,
- Umsatzsteuer-Erstattungen vom Finanzamt,
- Darlehens- und Beteiligungs-Gutschriften und
- Investoren- und Privateinlagen.
Auszahlungen:
- Ausgaben für Wareneinkäufe und Dienstleistungen,
- Mieten und andere Raumkosten sowie die dazugehörigen Nebenkosten (Strom, Öl, Gas, Wasser ...)
- Löhne und Gehälter sowie die dazugehörigen Steuern und Sozialversicherungs-Beiträge,
- betriebliche Versicherungen,
- Kfz-Kosten,
- Büromaterial, Telefon, Internet, Porto,
- Werbung, Marketing und Vertrieb,
- Beratungs- und Fortbildungskosten,
- Reisekosten,
- Investitionen,
- Darlehens-Zinsen und -Tilgung,
- Umsatzsteuerzahlungen ans Finanzamt,
- Sonstige Betriebsausgaben, sowie
- Unternehmerlohn und andere Privatentnahmen.
Die erforderlichen Angaben entnehmen Sie zum Beispiel aus Ihrer letzten Einnahmenüberschussrechnung.
Bitte beachten Sie: Bedeutsam für die Liquiditäts-Betrachtung sind nur echte finanzielle Zu- oder Abflüsse. Steuerliche Abschreibungen und kalkulatorische Positionen, die im laufenden Jahr keine Ein- und Auszahlungen nach sich ziehen, fließen nicht in den Liquiditäts-Plan ein. |
Praxistipp: orgaMAX-Anwender finden fertig aufbereitete Gegenüberstellungen von Einnahmen und Ausgaben sowie die dazugehörigen Zahlungs-Transaktionen in den Arbeitsbereichen ...
- „Listen & Statistiken“ unter „Umsatz“ und „Ausgaben“,
- „Finanzen > Rechnungs- und Buchhaltungslisten“ unter „Einnahmen-Überschuss-Rechnung“ sowie
- „Finanzen > Zahlungen Bank/Kasse“.
2. Plan- / Ist-Vergleich
Die tatsächlichen Ein- und Auszahlungen des Vorjahres bildet nur die Grundlage für den monatlichen Plan-Ist-Vergleich des laufenden Jahres. Je nach Größe und Komplexität Ihres Betriebes können Sie einzelne Positionen nach Belieben zusammenfassen und die Beträge an Ihre Erwartungen für das aktuelle Jahr anpassen.
Die Vorjahres-Werte übertragen Sie zeilenweise in eine Tabelle, in der Sie für jeden Monat eine „Plan“- und eine „Ist“-Spalte einrichten. Das sieht dann zum Beispiel so aus:
Wenn Sie die Anfangs- und Endbestände von Ihrer Tabellenkalkulation berechnen lassen und automatisch in den nächsten Monat übertragen, ist das Ausfüllen und Fortschreiben eines solchen schlichten Liquiditäts-Plans eine Sache von ein paar Minuten.
3. Offene-Posten-Listen: Überblick über Forderungen und Verbindlichkeiten
Je nach Anzahl Ihrer Aufträge und Geschäftspartner lohnt sich außerdem eine Offene-Posten-Übersicht. Aus der geht nicht nur hervor, wie hoch aktuell ...
- Ihre Verbindlichkeiten gegenüber Lieferanten (Kreditoren) und
- Ihre Forderungen gegenüber Kunden (Debitoren) sind.
In Ihrer Forderungsliste halten Sie außerdem fest ...
- wann Sie welche Ausgangsrechnung in welcher Höhe an Kunden verschickt haben,
- wann Ihre Forderungen fällig sind,
- ob und wann sie gemahnt werden müssen und
- wann sie letztlich bezahlt worden sind.
Dadurch wissen Sie jederzeit, wann Einzahlungen in welcher Höhe typischerweise zu erwarten sind. Gleichzeitig dokumentieren Sie nach und nach das konkrete Zahlungsverhalten einzelner Kunden und erkennen die Entwicklung des durchschnittlichen Zahlungsverhaltens Ihrer Kundschaft.
orgaMAX-Praxistipps:
- Im Arbeitsbereich „Office > Übersicht“ im Register „Finanzen“ gibt es eine tagesaktuelle „Liquiditätsschätzung“. Darin enthalten sind sämtliche Bargeldbestände und Salden aller Bank- und sonstigen Finanzkonten, die Summe offener Forderungen und Verbindlichkeiten sowie alle anstehenden Zahlungen:
So erkennen Sie auf einen Blick, wie dick oder dünn ihr Finanzpolster gerade ist.
- Die detaillierten „Offene-Posten“-Listen im Arbeitsbereich „Finanzen“ informieren über alle offenen oder nur teilweise bezahlten Ein- und Ausgangsrechnungen – bei Bedarf differenziert nach Kunden und Lieferanten.
- Ihr Forderungsmanagement unterstützt orgaMAX zudem mit einem automatisierten Mahnwesen. Zahlungskonditionen, Rechnungs- und Mahnungstexte, Mahnstufen und Mahngebühren können Sie gezielt an Ihre betrieblichen Bedingungen und die Gepflogenheiten Ihrer Branche anpassen.
Mögliche Konsequenzen bei Liquiditäts-Problemen
Nutzen Sie eine Bürosoftware wie orgaMAX, Ihren Liquiditätsplan und andere einfache „Controlling“-Instrumente, um Ihre Zahlungsfähigkeit zu sichern:
- Überwachen Sie laufend Ihre Kontenstände und Bargeldbestände – am besten täglich, zumindest aber einmal pro Woche.
- Behalten Sie Ihre flüssigen Geldmittel, Forderungen und Verbindlichkeiten im Blick.
- Werten Sie am Monatsende die Ein- und Auszahlungen aus und planen Sie den Folgemonat. Überprüfen Sie einmal im Jahr, ob das gewählte Verfahren sich bewährt hat.
- Sorgen Sie für ausreichende Steuer- und Investitionsrücklagen.
- Prüfen Sie Ihre laufenden Kosten (insbesondere Ihre Fixkosten) von Zeit zu Zeit auf ihre betriebliche Notwendigkeit. So manche ursprünglich sinnvolle wiederkehrende Ausgabe (z. B. für Versicherungen, Beratung, Seminare, Kongresse, Messen, Wartung, Abos etc.) verliert im Laufe der Jahre durch geänderte betriebliche Praxis und / oder Geschäftsmodelle ihre Berechtigung.
- Kalkulieren Sie genau, ob Sie größere Anschaffungen aus dem laufenden Einzahlungsüberschuss („Cash-Flow“) bestreiten können.
- Nutzen Sie Ihren betrieblichen Kontokorrent-Kredit (Dispo) wirklich nur für kurzfristige Finanzierungen!
- Finanzieren Sie größere Investitionen sicherheitshalber durch Darlehen.
- Falls Sie aktuell gegen die goldene Finanzierungsregel verstoßen, prüfen Sie eine Umwandlung in ein Darlehen. Damit erhöhen Sie Ihre Sicherheit und senken zugleich den Zinsaufwand.
Auch im Umgang mit Kunden gibt es zahlreiche Ansatzpunkte, um Ihre kurz- und mittelfristige Zahlungsfähigkeit zu sichern. Hier die wichtigsten im Überblick:
- Schreiben Sie zeitnah Rechnungen – am besten zeitgleich mit der Warenlieferung, dem Abschluss der Dienstleistung oder der Abnahme des Werks.
- Nutzen Sie die Möglichkeiten der Bonitätsprüfung.
- Wählen Sie sichere Zahlungskonditionen und Bezahlverfahren: Arbeiten Sie mit Vorkasse, Vorschüssen, Teil- und Abschlagszahlungen oder zumindest Lastschriften.
- Verzichten Sie auf ein vielstufiges Mahnwesen: Weisen Sie Ihre Kunden bereits bei den Vertragsverhandlungen oder in der Rechnung darauf hin, dass sie spätestens nach 30 Tagen nach Fälligkeit der Forderung in Verzug geraten.
- Schreiben Sie darüber hinaus höchstens eine Mahnung, in der Sie auf die rechtlichen Folgen ausbleibender Zahlungen hinweisen.
- Nutzen Sie das gerichtliche Mahnverfahren: Es ist einfacher und wirksamer als oft vermutet.
- Prüfen Sie bei häufigeren Zahlungsausfällen die Möglichkeit des Forderungsverkaufs oder beauftragen Sie professionelle Inkasso-Unternehmen.
Wichtig: Falls Ihnen die Umsetzung von Maßnahmen zur Sicherung Ihrer Zahlungsfähigkeit schwerfällt, holen Sie sich am besten professionellen Rat. Besprechen Sie mit Ihrem Steuerberater nicht nur die laufenden Steuer- und Buchhaltungspflichten. Lassen Sie sich auch zeigen, wie Sie dauerhaft in der Erfolgs- und Liquiditätsspur bleiben!
Fazit
Controlling (engl. „Steuerung“) ist keine Raketenwissenschaft. Solo-Selbstständige und Inhaber kleiner Unternehmen können bereits mit einfachen Maßnahmen ihr Geschäft in ruhigeres Fahrwasser steuern. Das schützt zwar nicht vor Corona-Folgen oder Konjunktureinbrüchen – bildet jedoch ein solides Fundament für unvorhersehbare Überraschungen wie einer Wirtschafts- und Finanzkrise oder einer weltweiten Pandemie.
LektüretippsWeitere Informationen rund um Rechnungen, Forderungen und Mahnungen finden Sie im orgaMAX-Blog und im Newsletter-Archiv:
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