„Kommen wir aus dem Vertrag irgendwie heraus?“ – das fragen sich Selbstständige und Unternehmen öfter einmal. Oder sie sind damit konfrontiert, dass Kunden und Geschäftspartner sich aus Verträgen lösen wollen. Dieser Beitrag listet Lösungsmöglichkeiten im Vertragsrecht auf, von der ordentlichen Kündigung bis zur Anfechtung.
Im Geschäftsleben gibt es immer wieder Situationen, in denen man sich von einem bereits geschlossenen Vertrag gern wieder lösen möchte. Neben der „ordentlichen“ Kündigung, die im Regelfall kein Problem darstellt, sieht das Zivilrecht dafür weitere Möglichkeiten vor. Grundsätzlich können Verträge …
Alle diese Optionen sind jedoch an Voraussetzungen geknüpft.
Wer sich selbst vom Vertrag lösen will, oder beim Vertragspartner solche Absichten vermutet, sollte zunächst einmal nachsehen, was denn in dem besagten Vertrag steht. Die meisten Verträge enthalten Kündigungsklauseln. Manchmal ist auch die Möglichkeit eines Rücktritts bei bestimmten Voraussetzungen geregelt.
Wichtig: Solche Bestimmungen müssen nicht unbedingt im Vertragstext selbst stehen. Oft sind auch Allgemeine Geschäftsbedingungen in die Vereinbarung einbezogen.
Wird man fündig, stellen sich weitere Fragen: Sind die entsprechenden Regelungen rechtlich wirksam? Entsprechen sie den vertragsrechtlichen Vorgaben? Wurden die AGB gegebenenfalls wirksam einbezogen? Was gilt, wenn nicht? Für die Antworten benötigt man vertragsrechtliches Know-how – zum Beispiel von einem Anwalt.
Weiß man, welche Lösungsmöglichkeiten der Vertrag selbst bietet, kann man im nächsten Schritt überlegen, ob zudem weitere, gesetzlich vorgegebene Wege aus dem Vertrag relevant sein können.
Nicht für alle, aber für bestimmte Vertragstypen existieren Formvorschriften. Befristete Arbeitsverträge beispielsweise müssen schriftlich abgefasst, Immobilienkaufverträge zusätzlich sogar notariell beurkundet werden. Vertragsurkunden, d. h. der schriftliche Vertrag, dürfen nicht in Form loser Seiten ohne klare Blattabfolge vorliegen. Verbraucherverträge können in Textform geändert werden, beispielsweise per E-Mail. Für Ergänzungen an Verträgen zwischen zwei Unternehmen ist oft die Schriftform – Papier mit eigenhändiger Unterschrift – verpflichtend.
Bitte beachten Sie: Wenn Verträge solche Formerfordernisse nicht erfüllen, sind sie prinzipiell nichtig. Deshalb kann auch die Suche nach Formfehlern einen Weg aus der Vertragsbindung eröffnen. In manchen Fällen sind Formfehler allerdings „heilbar“. So wird ein Grundstückskaufvertrag ohne notarielle Beurkundung dadurch geheilt, dass die Eintragung der Auflassung ins Grundbuch erfolgt. |
Neben der ordentlichen Kündigung eines Vertrags gibt es unter bestimmten Voraussetzungen auch die Möglichkeit zur außerordentlichen Vertragskündigung. Voraussetzung ist, dass es bei der Vereinbarung nicht wie bei einem klassischen Kaufvertrag um eine einmalige Transaktion geht, sondern um ein sogenanntes „Dauerschuldverhältnis“.
Bei außerordentlicher Kündigung ist man nicht an die ordentlichen Kündigungsfristen gebunden: Bei Arbeitsverträgen wird oft von der „fristlosen Entlassung“ gesprochen.
Ob die Umstände eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen, ist stets eine Einzelfallentscheidung. Sie hängt auch von der Vertragsart und dem Vertragsgegenstand ab. Grund für eine außerordentliche Kündigung können beispielsweise strafbare Übergriffe des anderen Vertragspartners sein. Bei Kreditverträgen rechtfertigen große wirtschaftliche Schwierigkeiten des Darlehensnehmers die außerordentliche Kündigung.
Eine Kündigung beendet das Vertragsverhältnis zum Zeitpunkt der Kündigung. Bis dahin müssen die gegenseitigen Verpflichtungen erfüllt werden, beispielsweise durch Lieferung von Waren und deren Bezahlung.
Normalerweise kann man Verträge nicht einfach widerrufen, nachdem man sie abgeschlossen hat. Es gibt jedoch Ausnahmen:
Unternehmer und Selbstständige, deren Kunden Verbraucher sind, müssen diese über ihre Widerrufsmöglichkeit informieren. Der Widerruf muss grundsätzlich innerhalb einer bestimmten Frist erfolgen. Bei Online-Bestellungen sowie Verbraucherkreditverträgen sind dies 14 Tage.
Der (fristgemäße und wirksame) Widerruf eines Vertrags durch einen Verbraucher führt dazu, dass dieser nicht länger an die Vertragsbestimmungen gebunden ist.
In bestimmten Fällen kann man von einem bereits geschlossenen Vertrag wieder zurücktreten. Diese Möglichkeit muss sich entweder aus dem Vertrag selbst, aus einbezogenen AGB oder aus einer gesetzlichen Regelung ergeben.
Das Gesetz sieht in bestimmten Situationen ein Rücktrittsrecht vom bereits geschlossenen Vertrag vor: beispielsweise dann, wenn eine Seite ihre Leistung nicht oder fehlerhaft erbringt und nicht innerhalb angemessener Zeit nachbessert (§ 323 BGB), ihre Pflichten nicht erfüllt (§ 324 BGB) oder wenn die andere Seite ihren Part gar nicht erfüllen kann (§ 326 BGB).
Ändern sich die Umstände nach Vertragsabschluss so, dass die Geschäftsgrundlage entfällt, und kann der Vertrag nicht angepasst werden, besteht ebenfalls ein Rücktrittsrecht (§ 313 Abs. 3 BGB). Der Wegfall der Geschäftsgrundlage wird von den Gerichten jedoch relativ eng definiert. Wird das Liefern einer bestimmten Ware aufgrund des Ukraine-Kriegs komplett unmöglich, und kann sie auch nicht über andere Länder beschafft werden, könnte ein entsprechender Liefervertrag womöglich gekündigt werden. Ist dagegen nur der Einkaufspreis so gestiegen, dass der Lieferant bei dem Geschäft Geld verliert, wäre das gemäß ständiger Rechtsprechung kein Rücktrittsgrund, selbst wenn die Insolvenz droht.
Ein wirksamer Rücktritt führt dazu, dass statt dem Vertragsverhältnis ein „Rückgewährungsschuldverhältnis“ entsteht: Beide Seiten müssen ihre jeweilige Leistung, beispielsweise die gekaufte Ware und den Kaufpreis, einander zurückerstatten. Da der Rücktritt in vielen Fällen im Zusammenhang mit Mängeln oder Pflichtverletzungen genutzt wird, geht es im Anschluss häufig auch um Schadenersatzforderungen.
Voraussetzung für eine Anfechtung: Beim Vertragsabschluss muss etwas im Argen gelegen haben, das nun einen Anfechtungsgrund darstellt. Genau genommen wird dann nicht der Vertrag selbst, sondern die dafür erforderliche eigene Willenserklärung angefochten. Typische Beispiele sind Drohungen oder arglistige (d. h. bewusste und böswillige) Täuschungen (§ 123 BGB), eine fehlerhafte Übermittlung von Vertragsunterlagen (§ 120 BGB) und manchmal auch ein einschneidender Irrtum über Inhalt und Bedingungen des Vertrags (§ 119 BGB).
Gerade der Irrtum ist aber nur in seltenen Fällen wirklich ein Anfechtungsgrund. Wer sich über den Wert der Sache geirrt und deshalb zu viel Geld dafür ausgegeben hat, kann den Kaufvertrag deshalb in aller Regel nicht anfechten. Anders ist es bei einer böswilligen Täuschung, etwa mit gefälschten Expertisen oder Gutachten: Dann liegt ein Betrug vor, der den Vertrag nichtig sein lässt.
Kein Anfechtungsgrund liegt vor, wenn der Preis oder das Honorar fehlerhaft berechnet wurde: Ein Kalkulationsirrtum rechtfertigt die Anfechtung nur, wenn die Kalkulationsgrundlage Teil des Vertrags wurde, z. B. als Teil eines Angebots, und wenn der Fehler deshalb zu Widersprüchlichkeiten im Vertragswerk führt.
Eine erfolgreiche Anfechtung führt rechtlich zur gleichen Lage, als wäre die Vereinbarung nie geschlossen worden. Der Vertrag ist dann nichtig, das Rechtsgeschäft muss rückabgewickelt werden. Je nach den Umständen kann dabei eine Entschädigung für die zwischenzeitliche Nutzung fällig werden.
Es gibt keinen Königsweg, um sich von einer vertraglichen Vereinbarung wieder zu lösen. Die Lösungsmöglichkeiten im konkreten Fall zu bewerten, erfordert juristische Sachkunde.
Jede der erwähnten Varianten ist an Voraussetzungen gebunden. Das gilt sogar für die ordentliche Kündigung. Scheinbare Wundermittel zur Vertragsauflösung wie die Anfechtungsklage erweisen sich in der Praxis leider oft als untauglich.
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