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Arbeitgeber-Tipps zu Urlaubsansprüchen aus früheren Jahren

Geschrieben von orgaMAX Redaktionsteam | 11.01.23 14:45

Arbeitnehmer können in vielen Fällen selbst nach Jahren die Auszahlung von nicht genommenem Urlaub einfordern. Das ergibt sich aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts zum Verfall und zur Verjährung von Urlaubsansprüchen.

Urlaubsanspruch und Urlaubsentgelt

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub. Das steht im Bundesurlaubsgesetz. Es legt außerdem fest, dass der Urlaubsanspruch bei einer Fünftagewoche mindestens 20 Werktage umfasst (§ 3 BUrlG, die dort genannten 24 Tage gelten bei einer Sechstagewoche, die kaum noch vorkommt.)

Bezahlter Urlaub bedeutet, dass die Mitarbeiter ihren Lohn oder ihr Gehalt auch für Urlaubstage bekommen müssen: das Urlaubsentgelt. Urlaubsgeld ist dagegen eine zusätzliche Zahlung, die oft in Tarifverträgen enthalten ist, aber die ansonsten längst nicht alle Arbeitnehmer erhalten.

Urlaub muss bis zum ersten Quartal des Folgejahrs genommen werden

Wenn Mitarbeiter ohne Urlaub durcharbeiten und der Arbeitgeber ihnen dafür das Urlaubsentgelt für die nicht genommenen Tage quasi als Zusatzlohn auszahlt, verstößt er gegen das Gesetz. Die Abgeltung von Urlaub durch Geld ist nur gestattet, wenn

  • der Arbeitsvertrag endet oder
  • der Urlaub aufgrund von Krankheit nicht in Anspruch genommen werden kann.

Ansonsten müssen Arbeitnehmer den Jahresurlaub bis zum Ende eines Kalenderjahrs, spätestens jedoch bis zum Ende des ersten Quartals des Folgejahrs nehmen (§ 7 Abs. 3 und 4 BUrlG).

Es gibt kein Wahlrecht nach dem Motto „Urlaub auszahlen oder nehmen“. Nur ein neu eingetretener Kollege, der noch keine sechs Monate im Betrieb ist, kann seinen Teilurlaubsanspruch in das nächste Jahr schieben.

Urlaubsverfall und Verjährung

Früher galt im deutschen Arbeitsrecht, dass nicht genommene Urlaubsansprüche aus dem Vorjahr am Ende des ersten Quartals verfielen. Dem hat der Europäische Gerichtshof schon vor einiger Zeit einen Riegel vorgeschoben, das Bundesarbeitsgericht hat dies bekräftigt (EuGH 06.11.2018 - C-684/16, BAG, 19.02.2019 - 9 AZR 541/15).

Nach der neuen Rechtsprechung verfällt Urlaub nur unter der Voraussetzung, dass der Mitarbeiter rechtzeitig auf diese Gefahr hingewiesen wurde. Arbeitgeber müssen ihre Mitarbeiter explizit auffordern, ihren Urlaub rechtzeitig zu nehmen, sonst behalten diese ihre Ansprüche.

In einem vor kurzem entschiedenen Rechtsstreit vor dem Bundesarbeitsgericht ging es nun um die Verjährung von Urlaubsansprüchen. Im Zentrum stand die Frage, wann ein – mangels Arbeitgeberhinweis – nicht verfallener Urlaubsanspruch schließlich verjährt.

Unstreitig ist, dass die Verjährungsfrist in solchen Fällen drei Jahren dauert. Nach ihrem Ablauf kann der Urlaubsanspruch nicht mehr durchgesetzt werden. Strittig war, wann diese drei Jahre zu laufen beginnen.

Auch in diesem Punkt sorgte der EuGH, dem das BAG den Fall vorgelegt hatte, für eine arbeitnehmerfreundliche Rechtslage. Sie kommt in der BAG-Entscheidung zum Ausdruck (EuGH 22.9.2022, C-120/21 und BAG, 20.12.2022 - 9 AZR 266/20). Die Verjährungsfrist beginnt nur zu laufen, wenn der entscheidende Hinweis des Arbeitgebers auf den drohenden Verfall des Urlaubsanspruchs erfolgt ist.

Das bedeutet umgekehrt: Gab es keinen solchen Hinweis, bleibt der Urlaubsabgeltungsanspruch unbegrenzt bestehen.

Sonderfall: Urlaubsanspruch von Langzeiterkrankten

Ein Sonderfall sind langzeiterkrankte Mitarbeiter, die deshalb ihren Jahresurlaub nicht nehmen können. Für sie galt ursprünglich, dass der Urlaubsanspruch aus dem Jahr der Langzeiterkrankung spätestens am Ende des ersten Quartals des Folge-Folgejahrs automatisch verfiel.

Auch hier hat der EuGH für geänderte Verhältnisse gesorgt (EuGH, 22.09.2022 - C-518/20, C-727/20). Entscheidend ist nun, ob der betreffende Mitarbeiter in dem Jahr, um das es geht, zunächst noch gearbeitet hat, oder ob er das ganze Jahr und darüber hinaus krank war.

  • Hat er zuerst noch gearbeitet, verfällt der Urlaub nicht ohne entsprechenden Hinweis des Arbeitgebers.
  • Anders ist die Lage, wenn der Mitarbeiter das ganze Jahr hindurch erkrankt war. Dann verfällt der Urlaub am 31. März des übernächsten Jahres, auf den Hinweis des Arbeitgebers kommt es in diesem Fall nicht an.

Was folgt daraus aus der Praxis?

Arbeitgeber sollten sich folgende Dinge bewusst machen:

  • Sie müssen Arbeitnehmer ausdrücklich darauf hinweisen, dass ihre Urlaubstage aus dem laufenden bzw. Vorjahr spätestens zum Ende des ersten Quartals verfallen. Sonst behalten Arbeitnehmer, die ihren Urlaub nicht vollständig genommen haben, ihren Urlaubsanspruch. Er geht ihnen weder am Ende des erstens Quartals des Folgejahrs noch nach einer dreijährigen Verjährungsfrist verloren.
  • Deshalb: Weisen Sie Mitarbeiter, die ihre Urlaubstage 2022 nicht beziehungsweise nicht vollständig genommen haben, schnellstmöglich darauf hin, dass dafür nur noch bis zum 31. März 2023 Zeit ist.
    Der Hinweis sollte schriftlich erfolgen, die Zahl der nicht genommenen Urlaubstage enthalten und idealerweise vom Adressaten quittiert werden, damit Sie einen Nachweis haben. Natürlich müssen Sie den Urlaub bis Ende März auch ermöglichen, wenn Urlaubsanträge gestellt werden. Reagiert ein Mitarbeiter nicht, ist sein versäumter Urlaub ab April nicht mehr Ihr Problem.
  • Sinnvollerweise sollten Arbeitgeber zukünftig von Beginn jedes Jahres an eine vernünftige Urlaubsplanung durchsetzen, damit das Problem gar nicht erst auftaucht. Lässt es sich doch nicht vermeiden, verschicken Sie die Hinweise auf den drohenden Verfall am besten bereits ab Herbst. Dann kann der Urlaub in dem Jahr genommen werden, aus dem der Urlaubsanspruch stammt.
  • Als Arbeitgeber müssen Sie darauf gefasst sein, dass Arbeitnehmer von nun an beim Ausscheiden die Auszahlung nicht genommener Urlaubstage selbst aus lange zurückliegenden Jahren fordern.

 

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