Arbeitnehmer können in vielen Fällen selbst nach Jahren die Auszahlung von nicht genommenem Urlaub einfordern. Das ergibt sich aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts zum Verfall und zur Verjährung von Urlaubsansprüchen.
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub. Das steht im Bundesurlaubsgesetz. Es legt außerdem fest, dass der Urlaubsanspruch bei einer Fünftagewoche mindestens 20 Werktage umfasst (§ 3 BUrlG, die dort genannten 24 Tage gelten bei einer Sechstagewoche, die kaum noch vorkommt.)
Bezahlter Urlaub bedeutet, dass die Mitarbeiter ihren Lohn oder ihr Gehalt auch für Urlaubstage bekommen müssen: das Urlaubsentgelt. Urlaubsgeld ist dagegen eine zusätzliche Zahlung, die oft in Tarifverträgen enthalten ist, aber die ansonsten längst nicht alle Arbeitnehmer erhalten.
Wenn Mitarbeiter ohne Urlaub durcharbeiten und der Arbeitgeber ihnen dafür das Urlaubsentgelt für die nicht genommenen Tage quasi als Zusatzlohn auszahlt, verstößt er gegen das Gesetz. Die Abgeltung von Urlaub durch Geld ist nur gestattet, wenn
Ansonsten müssen Arbeitnehmer den Jahresurlaub bis zum Ende eines Kalenderjahrs, spätestens jedoch bis zum Ende des ersten Quartals des Folgejahrs nehmen (§ 7 Abs. 3 und 4 BUrlG).
Es gibt kein Wahlrecht nach dem Motto „Urlaub auszahlen oder nehmen“. Nur ein neu eingetretener Kollege, der noch keine sechs Monate im Betrieb ist, kann seinen Teilurlaubsanspruch in das nächste Jahr schieben.
Früher galt im deutschen Arbeitsrecht, dass nicht genommene Urlaubsansprüche aus dem Vorjahr am Ende des ersten Quartals verfielen. Dem hat der Europäische Gerichtshof schon vor einiger Zeit einen Riegel vorgeschoben, das Bundesarbeitsgericht hat dies bekräftigt (EuGH 06.11.2018 - C-684/16, BAG, 19.02.2019 - 9 AZR 541/15).
Nach der neuen Rechtsprechung verfällt Urlaub nur unter der Voraussetzung, dass der Mitarbeiter rechtzeitig auf diese Gefahr hingewiesen wurde. Arbeitgeber müssen ihre Mitarbeiter explizit auffordern, ihren Urlaub rechtzeitig zu nehmen, sonst behalten diese ihre Ansprüche.
In einem vor kurzem entschiedenen Rechtsstreit vor dem Bundesarbeitsgericht ging es nun um die Verjährung von Urlaubsansprüchen. Im Zentrum stand die Frage, wann ein – mangels Arbeitgeberhinweis – nicht verfallener Urlaubsanspruch schließlich verjährt.
Unstreitig ist, dass die Verjährungsfrist in solchen Fällen drei Jahren dauert. Nach ihrem Ablauf kann der Urlaubsanspruch nicht mehr durchgesetzt werden. Strittig war, wann diese drei Jahre zu laufen beginnen.
Auch in diesem Punkt sorgte der EuGH, dem das BAG den Fall vorgelegt hatte, für eine arbeitnehmerfreundliche Rechtslage. Sie kommt in der BAG-Entscheidung zum Ausdruck (EuGH 22.9.2022, C-120/21 und BAG, 20.12.2022 - 9 AZR 266/20). Die Verjährungsfrist beginnt nur zu laufen, wenn der entscheidende Hinweis des Arbeitgebers auf den drohenden Verfall des Urlaubsanspruchs erfolgt ist.
Das bedeutet umgekehrt: Gab es keinen solchen Hinweis, bleibt der Urlaubsabgeltungsanspruch unbegrenzt bestehen.
Ein Sonderfall sind langzeiterkrankte Mitarbeiter, die deshalb ihren Jahresurlaub nicht nehmen können. Für sie galt ursprünglich, dass der Urlaubsanspruch aus dem Jahr der Langzeiterkrankung spätestens am Ende des ersten Quartals des Folge-Folgejahrs automatisch verfiel.
Auch hier hat der EuGH für geänderte Verhältnisse gesorgt (EuGH, 22.09.2022 - C-518/20, C-727/20). Entscheidend ist nun, ob der betreffende Mitarbeiter in dem Jahr, um das es geht, zunächst noch gearbeitet hat, oder ob er das ganze Jahr und darüber hinaus krank war.
Arbeitgeber sollten sich folgende Dinge bewusst machen:
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