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Kapitalspritze für die Selbstständigkeit durch eine stille Beteiligung

Geschrieben von orgaMAX Redaktionsteam | 28.11.23 09:58

Eine typische stille Beteiligung stellt dem Unternehmen Kapital zur Verfügung, ohne dass der stille Gesellschafter nach außen hin auftritt, in die Geschäfte hineinreden kann oder für Unternehmensschulden geradestehen muss. Damit kann die stille Beteiligung auch und gerade interessant sein, wenn Selbstständige aus ihrem privaten Umfeld finanziell unterstützt werden.

Typische stille Beteiligung: ein Stück vom Gewinn, aber keine volle Haftung, und keine volle Mitsprache

Viele kleinere Unternehmen verfügen über wenig Eigenkapital. Das schränkt den Handlungsspielraum ein und macht Investitionen schwierig. Geschäftliche Darlehensgeber wie Banken fordern höhere Zinsen, wenn sie überhaupt ein Darlehen gewähren. Eine Alternative können Kredite aus dem privaten Umfeld sein. Doch dann sind fixe Tilgungs- und Zinsraten eine Belastung, etwa im Fall von geschäftlichen Flauten.

Eine Möglichkeit bietet die typische stille Gesellschaft oder stille Beteiligung. Ihre Rechtsgrundlage ist das Handelsgesetzbuch (§ 230 - 236 HGB). Sie lässt sich am besten an einem Beispiel erläutern.

  • Angenommen, Katja hat einen Online-Shop für anspruchsvolle Geschenk- und Deko-Artikel gestartet. Der Verkauf läuft gut. Sie würde deshalb gern das Sortiment erweitern. Die zusätzlichen Waren müsste sie jedoch vorfinanzieren. Außerdem plant sie, ihre Waren auch auf Märkten in der Umgebung anzubieten, als zweites Vertriebsstandbein. Dafür benötigt sie allerdings einen Transporter. Für beide Vorhaben fehlt ihr das Geld.
  • Ihre Freundin Lisa hat Geld gespart und ist bereit, einen Teil davon in Katjas Geschäft zu investieren. Einen Kredit mit fester Laufzeit und fixen Zinsen möchte Katja nicht, weil sie die Möglichkeit eines geschäftlichen Einbruchs nicht ausschließen kann. Beide einigen sich darauf, dass Lisa eine stille Beteiligung an Katjas Unternehmen übernimmt. Sie setzen einen Beteiligungsvertrag auf, und Lisa überweist Katja 75.000 Euro.
  • Von dem Geld kauft Katja das Fahrzeug und die Ware und erweitert ihre Geschäfte. Die Sache rentiert sich. Die Gewinn- und Verlustrechnung aus Katjas Jahresabschluss weist ein Plus von 60.000 Euro aus. Davon gehören 9.000 Euro Lisa – beide haben eine Gewinnbeteiligung von 15 Prozent vereinbart. Die Höhe konnten sie frei aushandeln.
  • Ein Mitspracherecht an der Geschäftsführung hat Lisa nicht: Katja entscheidet, was sie zu welchem Preis anbietet. Auch die Rechtsform von Katjas Unternehmen ändert sich nicht. Es bleibt, was es vor Lisas Einlage war, zum Beispiel ein Einzelunternehmen oder eine GmbH.
  • Wenn Katjas Unternehmen im darauffolgenden Jahr in die roten Zahlen gerät, ist Lisa nicht verpflichtet, sich an dem Minus zu beteiligen. Das steht ausdrücklich im Beteiligungsvertrag. Sie erhält für dieses Jahr natürlich keine Ausschüttung. Außerdem kann die Ausschüttung im übernächsten Jahr, wenn wieder schwarze Zahlen geschrieben werden, je nach Vertragsgestaltung um Lisas „Verlustanteil“ im Jahr der roten Zahlen vermindert werden.
  • Für Katja ist die Gewinnausschüttung an Lisa eine Betriebsausgabe, die sie vom zu versteuernden Gewinn des Unternehmens abziehen kann. Lisa muss auf die 9.000 Euro Kapitalertragssteuer abführen. Deren Höhe liegt derzeit bei 25 Prozent, die Steuerschuld beträgt also 2.250 Euro. Einbehalten und ans Finanzamt abführen muss diesen Betrag Katja. An Lisa überwiesen werden nur 6.750 Euro. Versäumt Katja den Steuerabzug, haftet sie gegenüber dem Finanzamt.
  • Lisa hat das Recht, Katjas Jahresabschluss einzusehen und zu prüfen. Dagegen kann sie, anders als eine reguläre Gesellschafterin, nicht jederzeit Einblick in Katjas Buchführung verlangen. Anders ist dies, wenn das Recht auf Einsichtnahme explizit im Beteiligungsvertrag steht.
  • Sollte Katja insolvent werden, wird Lisa in Bezug auf ihre Einlage zur nachrangigen Gläubigerin, so als hätte sie Katja einen Kredit gegeben. Die Chance, den vollen Betrag zurückzubekommen, ist in der Praxis eher gering, aber zumindest eine Quote davon könnte sie erhalten.
  • Wie lange Lisa stille Gesellschafterin bleibt, hängt ebenfalls vom Beteiligungsvertrag ab. Die stille Gesellschaft kann auf eine bestimmte Zeit angelegt sein oder unbegrenzt andauern.
  • Eine ohne zeitliche Begrenzung angelegte Beteiligung können beiden Seiten jederzeit und ohne besondere Begründung „ordentlich“ kündigen. Die Kündigungsfrist beträgt mindestens sechs Monate zum Schluss eines Geschäftsjahrs (§ 132 HGB in Verbindung mit § 234 HGB). In dem Fall muss Katja je nach Vertragsgestaltung entweder nur die 75.000 Euro an Lisa zurückzahlen oder zusätzlich eine Abfindung gewähren. Auch andere Vereinbarungen bei Auflösung der stillen Gesellschaft sind möglich.
  • Möglich ist zudem eine außerordentliche, fristlose Kündigung „aus wichtigem Grund“. Die kann beispielsweise dann erfolgen, wenn Lisa und Katja sich völlig zerstreiten und die gegenseitige Vertrauensgrundlage offensichtlich zerstört ist.

Atypische stille Beteiligung: mehr Rechte, mehr Pflichten

Katja und Lisa können alternativ eine stille Gesellschaft mit weitergehender Beteiligung vereinbaren: zum Beispiel kann Lisa auch an Verlusten aus Katjas Geschäftsbetrieb beteiligt werden, und im Gegenzug Anspruch auf eine Beteiligung am (hoffentlich) wachsenden Unternehmenswert und ein gewisses geschäftliches Mitspracherecht bekommen. Das nennt man dann atypische stille Gesellschaft.

Auch bei einer atypischen stillen Beteiligung ist die Verlustbeteiligung nicht höher als der Betrag der Einlage. In unserem Beispiel wäre Lisas Verlustrisiko auf die 60.000 Euro beschränkt. Der Unterschied zur typischen Gestaltung der Beteiligung besteht darin, dass diese 60.000 Euro durch einige schlechte Geschäftsjahre aufgezehrt werden können. Anschließend hat Lisa keine Ansprüche mehr und kann ihr Geld nicht zurückfordern.

Dafür ist Lisa als atypische stille Gesellschafterin nun auch am Betriebsvermögen von Katjas Unternehmen beteiligt. Wächst es, wächst auch der Wert von Lisas Einlage. Katja muss deshalb in ihrer Buchführung Lisas Einlage gesondert verwalten. Wird die atypische stille Gesellschaft gekündigt beziehungsweise aufgelöst, ist eine „Auseinandersetzung“ erforderlich. Das ist kein Streit, sondern die geordnete Verteilung des Betriebsvermögens zwischen beiden Vertragsparteien.

Auch die Besteuerung ist bei einer atypischen stillen Beteiligung grundsätzlich anders. Lisa muss die von Katja überwiesene Gewinnbeteiligung im Regelfall als Einkünfte aus Gewerbebetrieb versteuern.

Die atypische stille Gesellschaft bietet ein breites Spektrum an Gestaltungsmöglichkeiten. Dem stehen viele mögliche Probleme gegenüber, falls die Konstruktion der Beteiligung nicht klar geregelt und rechtlich abgesichert wurde.

Buchungs- und Steueraspekte

Für das Unternehmen, an dem eine typische stille Beteiligung besteht, ist die entsprechende Einlage Fremdkapital. In einer Handelsbilanz gehört es also zu den Passiva. Das ist bei einer atypischen stillen Beteiligung anders: Eine langfristig und mit Verlusthaftung vereinbarte Einlage stellt grundsätzlich Eigenkapital dar.

Die Gestaltung der stillen Einlage wirkt sich auch auf die Besteuerung aus. Im Fall einer typischen stillen Einlage fällt für einen privaten Investor Abgeltungssteuer in Höhe von 25 Prozent auf die entsprechenden Einkünfte an. Die Steuerschuld liegt beim Unternehmen, an dem die Beteiligung besteht, beziehungsweise dessen Inhaber: Er muss den entsprechenden Betrag von der Auszahlung an den Investor abziehen und ans Finanzamt abführen.

Durch eine atypische stille Beteiligung, die mit einer Verlustbeteiligung und Mitspracherechten verbunden ist, wird der Investor steuerlich zum Mitunternehmer. In diesem Fall führt die Beteiligung bei ihm zu gewerblichen Einkünften, die der regulären Einkommensteuer unterliegen.

Entsprechendes gilt, wenn die stille Einlage Teil des betrieblichen Vermögens eines Investors ist und es sich um die Beteiligung eines Unternehmens an einem anderen handelt. Damit fällt auf die Einkünfte je nach Rechtsform reguläre Einkommensteuer oder Körperschaftssteuer an, keine Abgeltungssteuer.

Vorsicht bei stillen Beteiligungen aus privaten Motiven

Wenn das Finanzamt zur Überzeugung kommt, dass die stille Beteiligung aus rein privaten Motiven erfolgt und nicht betrieblich veranlasst ist, droht Ärger. Dann wird es die Auszahlung der Gewinnbeteiligung nicht als Betriebsausgabe anerkennen. Besonders hellhörig wird der Fiskus, wenn Familienangehörige oder Ehepartner stille Beteiligte werden.

So ging es zum Beispiel einem Zahnarzt, der seine minderjährigen Kinder als stille Gesellschafter mit einer Gewinnbeteiligung von je zehn Prozent an der Praxis beteiligt hatte. Die Einlagen von je 50.000 Euro hatte er ihnen geschenkt. Ein tatsächlicher Zufluss von Kapital fand nicht statt. Das Finanzgericht München gab dem Finanzamt recht, das die Zahlungen an die Kinder als private Aufwendungen eingeordnet hatte (FG München, 17.05.2019 - 6 K 756/18).

Partiarisches Darlehen

So nennt man ein Darlehen zur Unternehmensfinanzierung, bei dem die Verzinsung nicht zu einem festen Prozentsatz erfolgt, sondern als Gewinnbeteiligung berechnet wird. Es ist der stillen Beteiligung sehr ähnlich. Der Unterschied besteht in der Einstellung des Geldgebers:

  • Ein stiller Gesellschafter und der Unternehmer, an dem er sich beteiligt, haben den Unternehmenszweck gemeinsam: beide haben das Ziel, die Geschäfte zu fördern.
  • Der Darlehensgeber einer partiarischen Darlehens ist ein reiner Investor, für den es um seinen Gewinn aus dem Kreditgeschäft geht.

Bei der stillen Gesellschaft muss das Kapital nicht nur zum Zweck der Gewinnbeteiligung überlassen werden, sondern zugleich das Unternehmen fördern – und das sollte aus dem Beteiligungsvertrag klar hervorgehen. In der Praxis kann die Abgrenzung schwierig werden. Typisch für ein partiarisches Darlehen sind beispielsweise Kreditsicherheiten und der explizite Ausschluss des Darlehensgebers vom Unternehmensrisiko. Eine Verlustbeteiligung oder ein Vetorecht sprechen dagegen klar für eine stille Gesellschaft.

Anmerkung: Stille Gesellschaften gibt es nur bei Handelsgewerbe

Da sich die Rechtsgrundlage der stillen Gesellschaft aus dem Handelsgesetzbuch ergibt, ist eine stille Beteiligung streng genommen nur an einem Handelsgewerbe möglich, nicht aber am Unternehmen eines Freiberuflers oder einer freiberuflichen Partnerschaftsgesellschaft. Allerdings können auch mit solchen Unternehmen Beteiligungen in Form einer Innen-GbR vereinbart werden, die genau wie eine stille Beteiligung funktionieren und zivilrechtlich in allen wesentlichen Punkten analog behandelt werden.

Fazit: die stille Gesellschaft bietet gute Vorteile – wenn die Vereinbarung gut ist

Auch und gerade für Gründer und Selbstständige mit Unterstützung aus ihrem privaten Umfeld ist die stille Gesellschaft eine gute Option. Freunde oder Verwandte können damit bei überschaubaren Risiken in den Unternehmenserfolg investieren und an Gewinnen partizipieren.

Ganz wichtig sind allerdings durchdachte und auf die Situation abgestimmte Beteiligungsvereinbarungen. Sonst droht leicht zu Streit oder Ärger mit dem Finanzamt. Eine stille Beteiligung sollte nicht ohne Beratung durch Steuerberater und/oder Rechtsanwalt erfolgen. Bei einer atypischen stillen Gesellschaft ist die Beratung besonders wichtig.

 

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