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Kündigungsfallen im Kleinbetrieb: Diskriminierungs- und Maßregelungsverbot

23. Apr. 2024
8 MIN

Kuendigung_Massregelungsverbot_Kleinunternehmen

 

In Betrieben bis zehn Beschäftigten können Arbeitgeber ohne Angabe von Gründen kündigen. Deshalb kommt es viel seltener zu erfolgreichen Kündigungsschutzklagen. Aber auch in kleinen Betrieben kann eine Kündigung vor dem Arbeitsgericht scheitern: zum Beispiel am Maßregelungsverbot oder am Diskriminierungsverbot.

In Kleinbetrieben gilt das Kündigungsschutzgesetz nicht

  • In Betrieben, in denen „in der Regel“ mehr als zehn Arbeitnehmer tätig sind, gilt das Kündigungsschutzgesetz. Wenn der Arbeitgeber dort einer Mitarbeiterin oder einem Mitarbeiter kündigen will, dann muss er das begründen. Eine Ausnahme besteht nur in den ersten sechs Monaten sowie bei außerordentlichen („fristlosen“) Kündigungen. Ansonsten müssen Kündigungsgründe „sozial gerechtfertigt“ sein.
  • In Kleinbetrieben mit „in der Regel“ weniger als zehn Beschäftigten gelten diese Einschränkung der Kündigungsmöglichkeiten durch den Arbeitgeber nicht ( 23 KSchG).

Bei der Frage, ob für den Kündigungsschutz ein Kleinbetrieb vorliegt, werden kranke Arbeitnehmer und Minijobber mitgezählt, nicht jedoch Azubis. Teilzeit-Kräfte zählen anteilig. Weitere Informationen zum Kündigungsschutzgesetz liefert der Beitrag „Basiswissen Kündigung für Arbeitgeber“.

 

Trotzdem: auch in Kleinbetrieben gibt es unzulässige Kündigungen

Wenn der Betrieb zehn oder weniger Mitarbeiter hat, ist eine Kündigung ohne Begründung zulässig. Das bedeutet nicht, dass in Kleinunternehmer keine Regeln gelten. Auch hier gibt es juristische Stolpersteine, die eine Kündigung wirkungs- und gegenstandslos machen:

  • Ein entscheidender Fehler ist das Nicht-Einhalten der Formalitäten wie eine zu kurze Kündigungsfrist, eine eingescannte Unterschrift oder das Kündigen per E-Mail.

  • Außerordentliche, fristlose Kündigungen sind ein eigenes Kapitel. Selbst wenn Sie im Einzelfall fristlos erfolgen können, müssen Fristen bei der Aussprache eingehalten werden. Bei einer Verdachtskündigung muss der oder die Gekündigte Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Vor allem muss die weitere Zusammenarbeit unzumutbar geworden sein.
    So kann zum Beispiel ein Diebstahl, ein Arbeitszeitbetrug oder anderes schweres Fehlverhalten die außerordentliche Kündigung rechtfertigen – wenn sie nachweisbar sind oder ein dringender Verdacht Begeht der Arbeitgeber Fehler, scheitert die außerordentliche Kündigung scheitert. Dann ist selbst eine anschließende ordentliche Kündigung schwierig: sie kann schnell als unzulässige Rachekündigung interpretiert werden.

  • Ein weiteres Hindernis ist das Diskriminierungsverbot im Arbeitsrecht. Es beruht auf dem Allgemeinen Gleichstellungsgesetz und gilt unabhängig von der Betriebsgröße. Eine Kündigung „aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität“ ist unzulässig.
    Außerdem macht sich der Arbeitgeber damit dem oder der Gekündigten gegenüber schadenersatzpflichtig (§ 1, 6, 15 AGG).

  • Weiter sind Kündigungen auch im Kleinbetrieb ohne rechtliche Wirkung, wenn sie gegen das Maßregelungsverbot verstoßen: Arbeitgeber dürfen ihre Mitarbeiter nicht dafür bestrafen, dass diese von ihren Rechten Gebrauch machen ( 612a BGB). Reagiert der Chef mit einem Kündigungsschreiben, weil die Angestellte auf ihrem Jahresurlaub bestehet oder sich bei Fieber krankmeldet und zuhause bleibt, dann wird das Arbeitsgericht die Kündigung aufheben.
    Das Maßregelungsverbot gilt auch für andere Sanktionsformen, etwa eine Abmahnung oder die Verweigerung einer Beförderung. Und es betrifft nicht nur das Recht, bei vom Arzt attestierter Krankheit der Arbeit fernzubleiben. Andere Rechte, deren Ausübung nicht bestraft werden darf, sind beispielsweise das Äußern von Kritik oder das Verweigern von Mehrarbeit (Überstunden), wenn der Arbeitsvertrag nicht dazu verpflichtet.
    Entscheidend sind oft Details. So dürfen Arbeitgeber im Kleinbetrieb grundsätzlich kündigen, wenn ein Mitarbeiter häufig krank war und sie mit weiteren Ausfällen rechnen. Kündigen Sie ihm jedoch, weil er während einer Krankheit zuhause bleibt, verletzen sie das Maßregelungsverbot. Das mag als juristische Haarspalterei erscheinen. Vor dem Arbeitsgericht macht es einen großen Unterschied.

  • Schließlich gibt es noch allgemeine zivilrechtliche Grundsätze, die selbst im Kleinbetrieb für die Unwirksamkeit bestimmter Kündigungen sorgen. So ist eine Kündigung, die gegen die guten Sitten verstößt, generell unzulässig ( 138 BGB). Ein Beispiel: der eifersüchtige Chef entlässt eine Angestellte, weil sie einen anderen Mann heiratet. Das Gleiche gilt bei einem Verstoß gegen „Treu und Glaube“, wenn also die Mindestanforderung an vertraglichen Anstand verletz werden (§ 242 BGB). Als Beispiel dafür werden Kündigungen genannt, bei denen selbst ein Minimum an sozialer Rücksichtnahme fehlt, etwa wenn die seit zwei Jahrzehnten im Betrieb tätige Arbeitnehmerin zugunsten eines frisch eingestellten Kollegen gehen muss, obwohl der Arbeitgeber das nicht sachlich begründen kann.

 

Lässt sich der Vorwurf beweisen?

Natürlich bleiben all die Einschränkungen Theorie, wenn der oder die Gekündigte nicht klagt. Außerdem muss das Arbeitsgericht überzeugt werden, dass die Vorwürfe zutreffen: dass in Wahrheit Homophobie, Geringschätzung gegenüber Frauen oder das Pochen des Mitarbeiters auf den vorgeschriebenen Arbeitsschutz den Chef zur Kündigung bewogen haben.

Dieser Nachweis ist oft schwierig. Nicht selten beruhen die Vorwürfe weniger auf Tatsachen als auf der Frustration der Gekündigten. Vor allem der Vorwurf der Treulosigkeit oder Sittenwidrigkeit lässt sich in der Praxis nur selten untermauern. Unkluge Äußerungen oder gar Drohungen des Arbeitgebers können sich allerdings rächen.

Bei einer Klage wegen Verletzung des Maßregelungsverbot genügt es nicht einmal, wenn die „Rechtsausübung“ des Arbeitnehmers, etwa sein Bestehen auf dem Jahresurlaub, auch ein Beweggrund für die Kündigung war: Sie muss darüber hinaus „das wesentliche Motiv“ gewesen sein, nicht nur der „äußere Anlass“ (BAG, 22.09.2005 - 6 AZR 607/04).

 

Auch im Kleinbetrieb: klug kündigen

Trotz der hohen Beweisschwelle sollten Sie als Arbeitgeber sicher gehen, möglichen Vorwürfen keinen Vorschub zu leisten.

  • Selbst wenn Sie sich über mangelnde Flexibilität bei der Arbeitszeit oder lautstarke Kritik ärgern oder an Krankschreibungen zweifeln: Behalten Sie diese Gefühle für sich. Das gilt ganz besonders, wenn der Arbeitnehmer sich auf einen Rechtsanspruch berufen kann. Äußern Sie Ihren Unmut offen vor anderen, wird Ihnen eine spätere Kündigung möglicherweise als verbotene Maßregelung ausgelegt.
  • Achten Sie auf eine diskriminierungsfreie Arbeitsatmosphäre. Ein fairer Umgang ohne Beleidigungen und Zurücksetzungen ist nicht nur für das Betriebsklima und die Mitarbeiterbindung wichtig. Je klarer Sie im Betrieb Stellung gegen Vorurteile und Benachteiligungen beziehen, umso geringer ist die Chance, dass eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter Ihnen nach einer Trennung vorwerfen kann, Sie hätten selbst aus Ressentiments heraus gehandelt.

  • Die Mär vom Arbeitgeber, der rein zur Selbstbestätigung willkürlich Beschäftigte feuert, ist blanker Unsinn. Trotzdem genügt es nicht, wenn Sie sich die Trennung nicht leicht machen. Für den Fall einer Klage sollten Sie die Trennungsgründe arbeitsrechtlich stichhaltig darstellen können. Das gilt auch im Kleinbetrieb, zur Abwehr möglicher Vorwürfe. Daran sollten Sie denken, und zwar, wenn die Kündigung ausgesprochen wird, nicht erst vor Gericht.

  • Eine Begründung im Kopf zu haben ist das eine. Gleichzeitig gilt Nennen Sie keine Kündigungsgründe, wenn es nicht notwendig ist. Als Arbeitgeber im Kleinbetrieb haben Sie das Recht, Arbeitsverhältnisse ohne Nennung von Gründen zu kündigen. Machen Sie davon Gebrauch. Besonders fatal ist es, wenn Sie im Kündigungsgespräch einen Grund nennen, und später, womöglich vor dem Arbeitsgericht, andere Begründungen anführen. Dann lässt sich schnell unterstellen, die tatsächlichen Motive seien unzulässig gewesen. Großbetriebe können in einem Kündigungsschutzprozess einen sozial ungerechtfertigten Kündigungsgrund durch das Nachschieben einer gerechtfertigten Begründung ersetzen. Das ist beim möglichen Verstoß gegen das Maßregelungs- oder Diskriminierungsverbot anders. In diesem Fall zählt allein, was subjektiv den Ausschlag für die Kündigung gegeben hat. Je weniger Sie dazu gesagt haben, umso weniger angreifbar sind Sie.

Rechtsprechung zum Maßregelungsverbot: drei Beispiele

Kündigung fällt mit Verlängerung der Krankschreibung zusammen – verstößt jedoch nicht gegen das Maßregelungsverbot

Die Mitarbeiterin einer Kölner Zahnarztpraxis hatte regelmäßig Konflikte mit anderen Angestellten der Praxis. Sie befand sich noch in der Probezeit. Sie meldete sich für zwei Wochen krank und verlängerte am Ende dieser Zeit ihre Krankschreibung. Gleichzeitig wurde ihr gekündigt. Die Mitarbeiterin klagte wegen Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot. Vor Gericht gab sie an, die Arbeitgeberin habe ihr telefonisch Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit bekundet und die Kündigung angedroht. Die Arbeitgeberin bestritt das und gab die häufigen Konflikte mit den Kolleginnen als Grund an. Außerdem habe ihr die Gekündigte unberechtigterweise Abrechnungsbetrug vorgeworfen.

Das Landesarbeitsgericht in Köln entschied zu Gunsten der Arbeitgeberin. (LAG Köln, 23.01.2024 - 4 Sa 389/23). Die gekündigte Mitarbeiterin hatte nach Auffassung der Richter nicht bewiesen, dass sie „vornehmlich“ wegen der Krankschreibung gekündigt wurde. Dass die Kündigung mit der Arbeitsunfähigkeit zusammenfiel, reichte für sich genommen nicht aus. Arbeitgeber im Kleinbetrieb könnten „eine Kündigung auf Unstimmigkeiten und Probleme im zwischenmenschlichen Umgang im Betrieb“ stützen, so die Richter.

 

Kündigung wegen Krankheit ist keine verbotene Maßregelung und keine Diskriminierung

In einem Aachener Dentallabor mit weniger als zehn Beschäftigten hatte sich eine Mitarbeiterin in der Probezeit krankgemeldet. Parallel dazu wurde ihr gekündigt. Die Frau klagte. Sie sah einen Verstoß gegen das Maßregelungsverbot und verlangte Schadenersatz für Diskriminierung. Sie habe eine Behinderung mit einem Grad von 30 beantragt, das könne zur Kündigung beigetragen haben.

Auch diese Klägerin hatte vor dem Landesarbeitsgericht Köln keinen Erfolg. Den von ihr behaupteten Grad der Behinderung hatte sie nicht nachgewiesen. Sie konnte auch nicht zeigen, dass der Antrag dem Arbeitgeber bekannt war. Es verstoße nicht gegen das Maßregelungsverbot, wenn einer Arbeitnehmerin im Kleinbetrieb während einer Erkrankung gekündigt werde. Außerdem habe die Frau nicht widerlegt, dass ihr wegen Fehler und Mängel in der Arbeitsleistung gekündigt wurde (LAG Köln, 15.05.2020 - 4 Sa 693/19).

 

Kündigung, weil man bei Krankschreibung zuhause bleibt: Verstoß gegen das Maßregelungsverbot

Ein Beispiel dafür, wann die Kündigung nach Krankschreibung tatsächlich ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot darstellt, liefert eine etwas ältere Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, 23.04.2009 - 6 AZR 189/08). Der verklagte Arbeitgeber war zwar kein Kleinbetrieb, doch erfolgte die Kündigung in der Probezeit. Die Rechtssituation war also vergleichbar, weil das Kündigungsschutzgesetz nicht galt.

Eine frisch eingestellte Arbeitnehmerin war nach einem Wegeunfall krankgeschrieben worden. Die Disponentin der Zeitarbeitsfirma forderte sie laut einer Zeugin auf, trotzdem zu kommen, sonst werde sie nicht übernommen. Die Zulässigkeit der Aussage dieser Zeugin, die das Telefonat von der Gegenseite unbemerkt mithörte, stand im Zentrum des Verfahrens. Das Bundesarbeitsgericht machte jedoch klar: Wenn es eine solche Aufforderung zusammen mit einer nachfolgenden Kündigung gab, dann war dies ein klarer Verstoß gegen das Maßregelungsverbot.

 

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