Klar: Das deutsche Steuerrecht ist kompliziert. Ein Wechsel in die Selbstständigkeit stellt Steuerpflichtige aber nicht unbedingt vor unüberwindliche Probleme. Oft ändert sich gar nicht so viel. Wir erläutern Schritt für Schritt, mit welchen Steuern Selbstständige rechnen müssen. Den Anfang macht die Einkommensteuer.
Der „Lohnsteuerjahresausgleich“ war schon als Arbeitnehmer für Sie ein rotes Tuch? Allein der Gedanke an zusätzliche Folterinstrumente wie Umsatzsteuer, Gewerbe- oder gar Körperschaftsteuer verdirbt Ihnen die Vorfreude auf eine mögliche Selbstständigkeit?
Lassen Sie sich bloß nicht ins Bockshorn jagen: Der Steuerdschungel ist zwar tatsächlich ein unwirtliches Gelände. Als Freiberufler oder Kleingewerbetreibender müssen Sie sich aber zum Glück nicht durch jede Ecke hindurchkämpfen. Schlagen wir also ein paar Schneisen ins Unterholz.
Bitte beachten Sie: Die folgenden Informationen dienen nur der Orientierung im Steuerrecht. Die Details Ihres betrieblichen Einzelfalls besprechen Sie am besten mit einem Steuerberater. |
Die Einkommensteuer
Grundsätzlich gibt es bei der Einkommensteuer zwischen Angestellten und Selbstständigen überhaupt keinen Unterschied. Denn die Lohnsteuer der Angestellten ist keine besondere Steuerart, sondern bloß eine monatliche Vorauszahlung auf die jährlich fällige Einkommensteuer. Selbstständige und Unternehmer führen für sich selbst zwar keine Lohnsteuer ab – müssen dafür aber vierteljährliche Einkommensteuer-Vorauszahlungen leisten.
Da Gewinne im Vergleich zu Gehältern wesentlich größeren Schwankungen unterliegen, kommt es bei Selbstständigen häufiger zu Steuernachzahlungen. Oder um es positiv zu formulieren: Sie geben dem Staat weniger zinslose Darlehen und haben insgesamt einen deutlich größeren Gestaltungsspielraum als Arbeitnehmer.
Einkunftsarten: Kein Buch mit 7 Siegeln!
Im System der deutschen Einkommensteuer finden sich genau genommen sieben verschiedene Einkunftsarten. Neben Löhnen und Gehältern von Arbeitern und Angestellten (= Einnahmen aus „Nichtselbstständiger Arbeit“) erwähnt das Einkommensteuergesetz Einkünfte aus ...
- Land- und Fortwirtschaft,
- Gewerbebetrieb (= Unternehmen, für die ein Gewerbeschein erforderlich ist, zum Beispiel Händler, Handwerker und manche Dienstleister),
- selbstständiger Arbeit (= klassische Freiberufler wie Ärzte, Anwälte, Architekten aber auch viele neue Selbstständige, zum Beispiel aus der IT-Branche und den neuen Medien),
- Kapitalvermögen (z. B. Zinsen und Aktien-Dividenden),
- Vermietung und Verpachtung sowie
- Sonstige Einkünfte (z. B. Renten).
Wichtig: Ein Steuerpflichtiger darf in ein und demselben Kalenderjahr gleichzeitig Einkommen aus unterschiedlichen Einnahmequellen erzielen! So kann beispielsweise eine hauptberuflich angestellte Webdesignerin (= nichtselbstständige Arbeit) zusätzlich ...
- als Youtube-Influencerin gewerbliche Werbeeinnahmen erwirtschaften oder auch schwunghaften eBay-Handel betreiben (= Gewerbe),
- als Buchautorin Geld verdienen (= selbstständige Arbeit),
- Zinserträge aus einer Erbschaft erzielen (Einkünfte aus Kapitalvermögen),
- auf dem heimischen Bauernhof Feierabend-Landwirtschaft betreiben,
- nebenbei die eine oder andere Ferienwohnungen vermieten und obendrein
- eine Waisenrente beziehen.
Auf diese Weise können umtriebige steuerliche Multitalente gleichzeitig sämtliche Einkunftsarten in einer Person erzielen.
Die Kombi-Steuererklärung
All diese Einnahmen teilt die steuerpflichtige Person dem Fiskus in einer einzigen jährlichen Steuererklärung mit. Am bekannten „Mantelbogen“ und den Anlagen zu den persönlichen Lebensverhältnissen (z. B. „Anlage Kind“ und „Sonderausgaben“ ändert sich nichts. Zusätzlich zu ihrer "Anlage N" (für Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit) muss sie lediglich weitere steuerliche Anlagen einreichen, zum Beispiel ...
- die „Anlage S“ für Einkünfte aus selbstständiger Arbeit
- die „Anlage G“ für die gewerbliche Einkünfte,
- die „Anlage L“ für Einnahmen aus Land- und Forstwirtschaft,
- die „Anlage KAP“ für Kapitalerträge,
- die „Anlage V“ für Miet- und Pachteinkünfte oder auch
- die „Anlage R“ für Renteneinkünfte.
Aber gleich so kompliziert ist es im Normalfall ja nicht. Nehmen wir also an, die angestellte Webdesignerin arbeitet nicht mehr für ihren Arbeitgeber, sondern auf eigene Rechnung als Freiberuflerin. Was ändert sich steuerlich?
Vom Angestellten zum Selbstständigen
An den Angaben über die persönlichen Verhältnisse auf dem Mantelbogen, an Familienstand, Zahl der Kinder, den Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen ändert sich beim Wechsel in die Selbstständigkeit grundsätzlich nichts. Sofern Sie nicht mehr Mitglied in der gesetzlichen Sozialversicherung sind, tragen Sie Ihre Vorsorge-Aufwendungen lediglich in anderen Zeilen ein.
Statt der „Anlage N“ füllen Sie als Freiberufler die „Anlage S“ aus. Das ist normalerweise im Handumdrehen erledigt: Sie tragen darin nämlich nur die Höhe Ihres Gewinnes ein. „Werbungskosten“ wie bei Angestellten müssen Sie an dieser Stelle nicht angeben. Das gilt auch für die „Anlage G“ bei Gewerbetreibenden.
Lektüretipp: Was es mit der im Einzelfall schwierigen Abgrenzung zwischen gewerblichen und freiberuflichen Tätigkeiten auf sich hat, erfahren Sie im orgaMAX-Blogbeitrag „Statusfrage: Wer oder was bin ich im Geschäftsleben?“ |
Zurück zur Webdesignerin: Ihre betrieblichen und berufsbezogenen Ausgaben (zum Beispiel für Büromiete, technische Geräte, Mobiliar, Werbung oder auch Fahrtkosten) zieht sie als Selbstständige bereits im Zuge der Gewinnermittlung ab. Dafür gibt es mit der „Anlage EÜR“ (= Einnahmenüberschussrechnung) ein spezielles Formular.
Lektüretipp: Wer die Vorteile der vereinfachten Gewinnermittlung in Anspruch nehmen darf und welche Vorschriften bei der EÜR zu beachten sind, erfahren Sie im orgaMAX-Blogbeitrag „Wie geht eigentlich Einnahmenüberschussrechnung (EÜR)?“ |
Mit anderen Worten: Der geschäftliche Jahresabschluss für die Einkommensteuererklärung von Selbstständigen und Gewerbetreibenden besteht aus ...
- der „Anlage EÜR“ und
- der „Anlage S“ (oder „Anlage G“)
Die etwas schnellere Steuererklärung
Ob Sie es glauben oder nicht: Viele Einkommensteuererklärungen von Selbstständigen sind schneller erledigt als die von Arbeitnehmern. Denn aufgrund der monatlichen oder vierteljährlichen Umsatzsteuermeldungen liegen die betrieblichen Belege über die laufenden Einnahmen und Ausgaben am Jahresende meist vollständiger und besser sortiert vor als die Nachweise über Werbungskosten bei Angestellten.
Bitte beachten Sie: Beim Finanzamt einreichen müssen Sie die Belege nicht. Alle Unterlagen bleiben in Ihrem Unternehmen. Sie sind aber verpflichtet, die Nachweise über betriebliche Einnahmen und Ausgaben sowie alle anderen steuerlich bedeutsamen Dokumente zehn Jahre über das Ende des jeweiligen Geschäftsjahrs hinaus aufzubewahren. Sie müssen nur ...
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Routinemäßige Steuer-„Außenprüfungen“ finden in Klein- und Kleinstunternehmen im Schnitt seltener als alle 30 Jahre statt. Viele Selbstständige erleben sie nie!
Anlass für Tricksereien und Luftbuchungen sollte das unverhoffte Finanzamtsvertrauen natürlich nicht sein: Steuernachzahlungen, Verzugszinsen und Geldstrafen machen leichtfertige Steuerverkürzungen zu einem teuren Vergnügen. Bei Steuerhinterziehungen drohen sogar Haftstrafen von bis zu zehn Jahren.
Fristen und Vorauszahlungen
Die Steuervorauszahlungen von Selbstständigen basieren normalerweise auf der Steuerschuld des jeweiligen Vorjahres. Sofern sich die Ertragslage im laufenden Jahr verschlechtert, können Sie die Herabsetzung der Abschlagzahlungen beantragen. Liegen zu Beginn der Geschäftstätigkeit noch keine Ist-Werte aus der Vergangenheit vor, vertraut der Fiskus auf Ihre Selbsteinschätzung.
Ihre Gewinnerwartung geben Sie im Zuge der Anmeldung Ihres Vorhabens auf einem Fragebogen des Finanzamtes an. Liegt die voraussichtliche jährliche Steuerschuld über 400 Euro, sind vierteljährliche Vorauszahlungen fällig. Die Vorauszahlungen müssen am 10. März, 10. Juni, 10. September und 10. Dezember überwiesen werden.
Ebenso wie bei Arbeitnehmern ist der 31. Juli des Folgejahres die Deadline für die Jahres-Steuererklärung. Verlängerungs-Anträge bis Jahresende werden vom Fiskus in aller Regel problemlos durchgewunken. Mit Unterstützung eines Steuerberaters lässt sich der Abgabetermin sogar problemlos bis Februar des übernächsten (!) Jahres verschieben!
Vorsicht Nachzahlungs-Falle!
So willkommen die vergleichsweise langen Fristen im Einzelfall sein mögen: Die zeitliche Verzögerung kann zu einer gefährlichen Liquiditätslücke führen. Angenommen ...
- Sie geben zu Beginn Ihrer Selbstständigkeit im Jahr 2021 eine eher vorsichtige Gewinnschätzung ab und müssen daraufhin zunächst noch keine oder nur geringe Steuervorauszahlungen leisten.
- Wenn Sie den ersten Jahresabschluss und die dazu gehörige Steuererklärung bis Februar 2023 hinauszögern, dann ergeht der erste Steuerbescheid womöglich erst Mitte 2023.
- Falls Sie wider Erwarten gut verdient haben, ist zu diesem Zeitpunkt nicht nur die Steuerschuld für 2021 fällig: Sie müssen dann auf einen Schlag auch die auf dieser Grundlage errechneten Steuervorauszahlungen für die Jahre 2022 und 2023 entrichten.
Hohe Steuerschulden haben schon manch vielversprechendem Jungunternehmer das Genick gebrochen. Denn auf Geduld und Nachsicht beim Finanzamt dürfen Sie in diesem und ähnlichen Fällen nicht spekulieren: Steuerschulden sind sofort und in voller Höhe fällig – und können unmittelbar per Gerichtsvollzieher eingetrieben werden.
Der Staat ist nämlich ein bevorrechtigter Gläubiger: Ein gerichtliches Mahnverfahren benötigt er zur Durchsetzung seiner Forderungen nicht. Besonders bedrohlich: Ein Einspruch gegen einen Steuerbescheid setzt dessen Vollstreckung nicht außer Kraft – ganz gleich wie gut Ihre Erfolgsaussichten sind.
Steuerplanung
Sie tun also gut daran, die ungefähre Höhe Ihrer voraussichtlichen Steuerschuld im Auge zu behalten. Verallgemeinerbare Aussagen über die Höhe der Unternehmer-Besteuerung lassen sich nicht treffen. Denn die Steuerbelastung ist von Ihren sonstigen persönlichen Verhältnissen abhängig. Dazu zählen insbesondere ...
- der Familienstand,
- Zahl der Kinder,
- sonstige Einkünfte (eigene und die des Partners) sowie
- Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen.
Sofern sich abgesehen vom Wechsel aus dem Angestelltendasein in die Selbstständigkeit nichts Gravierendes geändert hat...
- nehmen Sie Ihren letzten Steuerbescheid,
- ziehen Ihr damaliges Bruttogehalt vom zu versteuernden Einkommen (!) ab und
- addieren den voraussichtlichen Jahres-Einnahmeüberschuss Ihres neuen Betriebs hinzu.
Das Ergebnis geben Sie zusammen mit Ihrem Familienstand in den interaktiven Steuerrechner des Bundesfinanzministeriums ein. Nachdem Sie von der Summe der Steuerschuld Ihre bereits geleisteten Vorauszahlungen abgezogen haben, wissen Sie in etwa, was noch auf Sie zukommt.
Bitte beachten Sie: Bei diesem Ergebnis kann es sich naturgemäß nur um eine grobe Annäherung handeln. Da Sie als Selbstständiger in Ermangelung des Arbeitgeberanteils zur Sozialversicherung in aller Regel höhere Vorsorgeaufwendungen tragen müssen, können Sie unter ansonsten gleichen Bedingungen normalerweise auch höhere Sonderausgaben geltend machen. Die tatsächliche Steuerschuld fällt dann oft niedriger als die Grobschätzung aus. |
Fazit und Ausblick
Die persönliche Einkommensteuer ist für die meisten Unternehmer zwar der größte Steuerbrocken – um eine „Unternehmenssteuer“ handelt es sich aber nicht. Das gilt bei Licht betrachtet auch für die Umsatzsteuer, obwohl sie von den Unternehmen erhoben und abgeführt wird. Was es mit der Mehrwert-, Umsatz- und Vorsteuer auf sich hat, erfahren Sie im zweiten Teil der Serie „Steuern für Selbstständige“: Bleiben Sie dran!
Linktipps
- Ein Ansichtsexemplar des amtlichen EÜR-Vordruck für das Jahr 2021 finden Sie im BMF-Schreiben vom 31. August 2021.
- Das Ergebnis Ihrer betrieblichen Gewinnermittlung muss auf elektronischem Weg ans Finanzamt übertragen werden. Die für die elektronische EÜR-Übermittlung erforderliche ELSTER-Schnittstelle ist zum Beispiel in der Bürosoftware orgaMAX Sie können aber auch das Steuerportal MeinELSTER nutzen.
- Ihre persönliche Einkommensteuererklärung müssen Selbstständige und Unternehmer ebenfalls auf elektronischem Weg ans Finanzamt übermitteln (z. B. mit einer Steuersoftware wie dem Testsieger WISO steuer:Sparbuch).
Weiterführende LektüreNoch mehr Antworten auf Steuer- und Rechtsfragen finden Sie im orgaMAX-Blog und im Newsletter-Archiv:
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Lektüretipp: Die nächsten Teile unserer Reihe "Steuern für Selbstständige" finden Sie hier:
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