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Berufsgenossenschaft für Selbstständige: Für wen Pflicht, für wen freiwillig?

16. Okt. 2025
7 MIN

Ein Bauarbeiter sitzt nach einem Arbeitsunfall verletzt auf dem Boden, während ein Kollege ihm hilft. Im Vordergrund liegt ein gelber Schutzhelm – Symbol für Arbeitssicherheit und die Bedeutung der Unfallversicherung durch die Berufsgenossenschaft.
Für einige Selbstständige gilt Versicherungspflicht in der für sie zuständigen Berufsgenossenschaft. Die anderen können sich dort freiwillig versichern. Das kann als Teil der persönlichen Absicherung interessant sein, denn die gesetzliche Unfallversicherung bietet gute Leistungen ohne verpflichtende Gesundheitsprüfung.

 

Berufsgenossenschaft aus Sicht von Selbstständigen

  • Die neun Berufsgenossenschaften sind für die gesetzliche Unfallversicherung bei Wirtschaftsunternehmen zuständig, aufgeteilt nach Branchen und Wirtschaftsbereichen.

  • Bei Beschäftigten ist die gesetzliche Unfallversicherung Pflicht. Die Beiträge zahlt der Arbeitgeber allein.

  • Für bestimmte selbstständige Berufe gilt ebenfalls eine Pflichtversicherung in der zuständigen Berufsgenossenschaft. Dazu gehören unter anderem Selbstständige im Friseurhandwerk, im Gesundheitswesen, in der Textilbranche, in der Fotografie und im Bereich Druck und Papier.

  • Alle anderen Selbstständigen können sich freiwillig in der für ihren Betrieb zuständigen Berufsgenossenschaft versichern. Diese Option ist je nach persönlicher Situation überlegenswert. Die gesetzliche Unfallversicherung bietet vergleichsweise umfangreiche Leistungen, sie versichert neben Berufs- auch Wegeunfälle sowie Berufskrankheiten und verlangt keine Gesundheitsprüfung beim Abschluss.

 

Die Berufsgenossenschaften

Für die gesetzliche Unfallversicherung sind bei Wirtschaftsunternehmen abhängig von der Branche neun Berufsgenossenschaften zuständig. Wer ein Unternehmen gründet, muss es innerhalb einer Woche bei der Berufsgenossenschaft anmelden, die seine Branche betreut. Von der Gründung eines Gewerbebetriebs erfährt die Berufsgenossenschaft automatisch. Ansonsten kann man die Anmeldung online vornehmen.

Die Pflicht zur Anmeldung gilt auch für Gründungen durch Einzelselbstständige ohne Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Will man Beschäftigte einstellen, ist die Anmeldung ohnehin unumgänglich. Für sämtliche Beschäftigten gilt die gesetzliche Unfallversicherungspflicht. Außerdem benötigt man die von der Unfallversicherung ausgestellte Unternehmensnummer, um die Betriebsnummer von der Arbeitsagentur zu erhalten.

Arbeitgeber müssen jedes Jahr eine Jahresmeldung zur Unfallversicherung abgeben. Auf Grundlage der branchentypischen Risiken und der gezahlten Gesamtlohnsumme wird dann die Beitragshöhe berechnet. Bezahlen muss der Arbeitgeber den Jahresbeitrag für sein Unternehmen allein.

 

Berufsgenossenschaft für Selbstständige als Pflicht

Die meisten Selbstständigen müssen nur für mögliche Beschäftigte Beiträge an die Berufsgenossenschaft abführen, nicht für sich selbst. Davon gibt es aber eine Reihe von Ausnahmen. Für bestimmte selbstständige Berufe gilt eine Pflichtmitgliedschaft.

Wer ist Pflichtmitglied bei Selbstständigkeit? Aktuell gelten folgende Bestimmungen:

  • Per Gesetz sind alle Selbstständigen „im Gesundheitswesen oder in der Wohlfahrtspflege“ Pflichtmitglieder in der Berufsgenossenschaft ( 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VII). Das betrifft zum Beispiel selbstständige Physiotherapeutinnen, Logopäden, Hebammen, Altenpfleger, Hebammen oder Fußpfleger. Für sie ist die BGW zuständig. Selbstständige Ärztinnen, Tierärzte, Apothekerinnen, Psychotherapeuten sowie Heilpraktikerinnen fallen nicht unter die Versicherungspflicht.

  • „Küstenschiffer und Küstenfischer“ sind ebenfalls per Gesetz in der BGW versichert.

  • Per Satzung hat die BGW Selbstständigen „des Friseurhandwerks und der Haarbearbeitung“ wie etwa Perückenmachern eine Pflichtmitgliedschaft verordnet (§ 50). Bei dieser Berufsgruppe umfasst die Pflichtmitgliedschaft auch Ehepartner, wenn diese im Unternehmen mitarbeiten.

  • Eine weitere Pflichtmitgliedschaft per Satzung gilt für Einzelunternehmerinnen und -unternehmer im Bereich Verkehr und Logistik. Zuständig ist die BG Verkehr, die genaue Aufzählung der Berufe findet sich in ihrer Satzung (§ 3 Abs. 2 Nr. 1-3 sowie § 46). Die Pflichtmitgliedschaft schließt unter anderem Selbstständige mit Telekommunikationsunternehmen, Fahrschulen, Abfallentsorgung, Autovermietungen sowie aus der Luftfahrt und Schifffahrt ein. Selbstständige mit mehr als fünf Beschäftigten können sich befreien lassen.

  • Ebenfalls per Satzung verpflichtet die BG ETEM Selbstständige in den Bereichen „Textil und Bekleidung“ sowie „Druck und Papierverarbeitung“ zur Pflichtmitgliedschaft. Die Berufsgenossenschaft definiert diese Bereiche sehr umfassend, Sie zählt dazu beispielsweise auch selbstständige Fotografen, Grafikdesignerinnen, Modedesigner, Mediengestalterinnen und Schuhmacher Die genaue Liste steht in ihrer Satzung (§ 3 Abs. 4 ,5 bzw. Seite 11-13). Eine Befreiung ist für Selbstständige möglich, die maximal 100 Tage pro Jahr in ihrem Unternehmen arbeiten.

 

Freiwillige Mitgliedschaft in der Berufsgenossenschaft: Für manche Selbstständige sinnvoll

Selbstständige, die nicht ohnehin in der Berufsgenossenschaft pflichtversichert sind, können sich dort freiwillig versichern. Das Gleiche gilt für Ehepartner ohne Arbeitsvertrag, die in Form der „familienhaften Mitarbeit“ im Unternehmen mitarbeiten.

Neben Selbstständigen können auch GmbH-Geschäftsführende eine freiwillige Unfallversicherung abschließen.

Die freiwillige Versicherung in der Berufsgenossenschaft greift in folgenden Fällen:

  • nach Arbeitsunfällen

  • nach Wegeunfällen (auf dem Weg von oder zur Arbeit sowie auf Geschäftsreisen)

  • bei Berufskrankheiten

Die Versicherungsleistungen umfassen:

  • Verletztengeld als Ausgleich unfallbedingter finanzieller Ausfälle

  • medizinische, soziale und berufliche Reha-Maßnahmen

  • Leistungen zum Lebensunterhalt während der Reha

  • Rentenzahlungen bei Erwerbsunfähigkeit

  • Leistungen an Hinterbliebene nach einem tödlichen Unfall

 

Die Beitragshöhe von freiwilligen Mitgliedern der Berufsgenossenschaft

Bei der freiwilligen Versicherung legt der oder die Selbstständige eine persönliche Versicherungssumme fest. Dieser Betrag bestimmt sowohl die Höhe der Beiträge als auch der Versicherungsleistungen.

Jede Berufsgenossenschaft bestimmt eigene Mindest- und Höchstbeträge für diese Versicherungssummen. Meist können sie von etwa 25.000 Euro bis rund 100.000 Euro gewählt werden.

Die tatsächliche Beitragshöhe ergibt sich dann aus der gewählten Versicherungssumme, dem Betriebsrisiko der Branche oder Tätigkeit und den Versicherungsleistungen, die die jeweilige Berufsgenossenschaft erbracht hat. Diese Faktoren fließen in die Beitragsberechnung ein. Einen Eindruck von den möglichen Jahresbeiträgen liefert der Beitragsrechner für Selbstständige für die BGW.

 

Linkliste: Informationen der Berufsgenossenschaften

In der folgenden Linkliste finden Sie Informationen der einzelnen Berufsgenossenschaften zu ihrem jeweiligen Angebot einer freiwilligen Versicherung und/oder Unternehmerversicherung:

  • BG RCI (Rohstoffe und chemische Industrie)

  • BG HM (Holz und Metall)

  • BG ETEM (Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse), dort gibt es eine eigene Seite zur Unternehmerpflichtversicherung

  • BGN (Nahrungsmittel und Gastgewerbe)

  • BG Bau (Bauwirtschaft)

  • BG HW (Handel und Warenlogistik)

  • VBG (Verwaltungs-Berufsgenossenschaft)

  • BG Verkehr (Verkehrswirtschaft Post-Logistik Telekommunikation)

  • BGW (Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege), dort gibt es auch eine eigene Infoseite für pflichtversicherte Selbstständige

 

Lohnt sich die freiwillige Mitgliedschaft in der Berufsgenossenschaft?

Auch wenn sich diese Frage nicht allgemein beantworten lässt: Einen zweiten Blick ist dieses Angebot durchaus wert.

Das gilt ganz besonders für Selbstständige, die einem erhöhten Unfallrisiko ausgesetzt sind, zum Beispiel weil sie auf Baustellen arbeiten, beruflich viel fahren oder mit Gefahrstoffen hantieren.

Ein weiteres, wichtiges Element der gesetzlichen Unfallversicherung ist die Vorsorge für Berufskrankheiten. Viele Selbstständigen treffen keine Vorsorge für den Fall einer eingeschränkten Erwerbsfähigkeit. Eine freiwillige Mitgliedschaft kann diese Lücke teilweise schließen.

  • Auf der Plus-Seite: Die Berufsgenossenschaften punkten mit relativ guten und umfassenden Reha-Angeboten. Sie knüpfen die Versicherung im Gegensatz zu privaten Anbietern an keine Gesundheitsuntersuchung und stehen damit älteren oder gesundheitlich beeinträchtigten Selbstständigen gleichermaßen offen.

  • Andererseits deckt die Berufsgenossenschaft nur berufliche Risiken ab. Die Folgen von Unfällen im Privatleben bleiben dadurch unversichert. Das Gleiche gilt für eine Erwerbsunfähigkeit, die sich nicht auf eine Berufskrankheit zurückführen lässt, sondern auf einer sonstigen chronischen Krankheit beruht – und das ist klar die Mehrzahl.

Ob die Berufsgenossenschaft als Form der eigenen Absicherung passt, muss man individuell entscheiden. Aber es lohnt sich, diese Möglichkeit für den eigenen Fall einmal durchzurechnen.

 

Lektüretipps

Weiterführende Informationen zu Rechts- und Steuerthemen finden Sie im orgaMAX-Blog und im Newsletter-Archiv:

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