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Bundesarbeitsgericht: Duschen kann bezahlte Arbeitszeit sein

24. Okt. 2024
7 MIN

orgaMAX Blog_Headerbild875x350_Duschen-ArbeitszeitBis vor das Bundesarbeitsgericht klagte ein Arbeitnehmer, der die Zeiten fürs Duschen und Umziehen nach der Schicht bezahlt haben wollte. Das Gericht gab ihm recht. Die Entscheidung ist aber nur auf bestimmte Fälle übertragbar.

 

Geld vom Chef fürs Duschen? In manchen Fällen schon, sagt das Bundesarbeitsgericht

Ein Containermechaniker aus dem Raum Nürnberg verklagte seinen Arbeitgeber. Seine Arbeit bestand darin, Container zu überprüfen und wieder verwendungsfähig zu machen. Er musste beispielsweise Roststellen abschleifen und neu lackieren.

Er wollte, dass ihm das Unternehmen auch für die Zeit Lohn bezahlte, die er vor und nach der Schicht für das Umziehen benötigte. Bei der Arbeit trug er aus Arbeitsschutzgründen und gemäß Anweisung schwere Sicherheitsschuhe, Handschuhe, eine Latzhose und eine Schutzjacke. Außerdem wollte der Mitarbeiter die Zeit bezahlt bekommen, die er für das Duschen nach der Schicht benötigte, ebenso die Zeit für seinen Weg vom Umkleideraum zum Einsatzort.

 

Erfolg in der obersten Instanz

Der Arbeitnehmer musste vom Arbeitsgericht Nürnberg über das dortige Landesarbeitsgericht bis zum Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt gehen. Das oberste deutsche Arbeitsgericht erkannte seinen Anspruch gegen den Arbeitgeber grundsätzlich an, auch wenn es den Fall zur endgültigen Entscheidung zurück ans LAG in Nürnberg verwies.

Körperreinigungszeiten gehören zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit, wenn sich der Arbeitnehmer bei seiner geschuldeten Arbeitsleistung so sehr verschmutzt, dass ihm ein Anlegen der Privatkleidung, das Verlassen des Betriebs und der Weg nach Hause ohne eine vorherige Reinigung des Körpers im Betrieb nicht zugemutet werden kann.“ So lautet der Leitsatz, in dem die Richter des BAG ihre Entscheidung zusammengefasst haben (BAG, 23.04.2024 - 5 AZR 212/23).

 

Umziehen, Duschen und zu Wegezeiten als Arbeitszeit: So sieht es das BAG

  • Zeit zum Umkleiden
    Schon früher hatte das BAG entschieden, dass die Zeit für das Anziehen und Ausziehen bezahlt werden muss, wenn Dienstkleidung vorgeschrieben ist und Uniformen grundsätzlich nur am Arbeitsplatz zu tragen sind. Geklagt hatten ein Zugbegleiter der Deutschen Bahn (07.2021 - 6 AZR 207/20) und ein beim Land Berlin beschäftigter Objektschützer (13.10.2021 - 5 AZR 270/20).
    Nun übertrug es diese Rechtsprechung auch auf das Anlegen und Ablegen von schwerer Schutzbekleidung wie der des Mechanikers. Diese Kleidungsstücke wurden vom Arbeitgeber gestellt, der auch die Reinigung nach jeder Schicht übernahm, und waren aus Arbeitsschutzgründen vorgeschrieben. Damit sei das Umziehen „fremdnützig“, die Zeit dafür müsse bezahlt werden.

  • Wegezeit zwischen Umkleideraum und Arbeitsplatz
    Ebenfalls fremdnützig und deshalb entgeltpflichtig war für die Richter die Zeit, die der Container-Mechaniker auf dem Betriebsgelände von den Umkleideräumen zu seinem Arbeitsplatz und zurück benötigte. Angesetzt wurde dafür jeweils eine Minute. Der Arbeitgeber habe die Arbeitskleidung vorgeschrieben, der Arbeiter könne sich nicht direkt am Arbeitsplatz an- und ausziehen.
    Auch dazu gab es bereits BAG-Urteile. Sie bezogen sich auf einen Arbeiter in der Lebensmittelproduktion (10.2016 - 5 AZR 168/16), der seine Hygieneschutz-Bekleidung nicht nach Hause nehmen durfte, und einen Krankenpfleger, dessen weiße Dienstkleidung das Gericht als „besonders auffällig“ einordnete, wodurch sein Beruf in der Öffentlichkeit erkennbar war (06.09.2017 - 5 AZR 382/16).

  • Duschzeiten

    Neu, aber auf Linie mit den genannten Entscheidungen, sind die Ausführungen des BAG zur „Vergütungspflicht von Körperreinigungszeiten“. Die Zeit fürs Duschen oder Waschen muss bezahlt werden, wenn die Notwendigkeit direkt mit der Tätigkeit zusammenhängt. Das gilt besonders dann, wenn Duschen oder ausführliches Händewaschen vom Arbeitgeber oder durch Hygienevorschriften vorgegeben sind. Entgeltpflichtig ist die Zeit außerdem, wenn der Mitarbeiter bei der Arbeit „so sehr verschmutzt, dass ihm ein Anlegen der Privatkleidung, das Verlassen des Betriebs und der Weg nach Hausein ungeduschtem Zustand nicht zumutbar ist. So war es auch im Fall des Container-Mechanikers.
    Soll das Duschen dagegen nur „die übliche Verunreinigung, Schweiß- und Körpergeruchsbildung des Tages“ beseitigen, ist es Privatangelegenheit. Dann besteht dafür kein Anspruch auf Entlohnung. Anders ist es, wenn die Arbeit mit „sehr starkem“ Schmutz oder Stoffen mit starker Geruchsbelästigung verbunden ist. Auch beim Tragen von schweißtreibender Schutzausrüstung sowie bei Tätigkeiten in feuchter oder sehr heißer Umgebung sieht das BAG die Voraussetzungen für einen Lohnanspruch während des Duschens. Entscheidend ist erstens, dass dies direkt mit der Art der Arbeitsleistung zusammenhängt. Zweitens ist ausschlaggebend, dass deshalb dem oder der Beschäftigten ein ungeduschter Heimweg nicht zumutbar ist.

 

Es bleibt einzelfallabhängig

Bei der Abgrenzung nahm es das Bundesarbeitsgericht genau: Wenn Tätigkeiten nicht „sehr stark“, sondern nur „stark“ oder „mäßig“ schmutzen, reiche in der Regel das Waschen, zum Beispiel von Händen und Gesicht. Die Zeit muss zwar ebenfalls bezahlt werden. Sie dürfte aber deutlich kürzer sein als der Zeitaufwand fürs Duschen.

Entscheidend ist der Einzelfall – und die objektive Sicht, nicht das subjektive Reinlichkeitsempfinden des oder der Betreffenden. Im Zweifel will das Gericht Vorschriften zum Arbeitsschutz wie die Arbeitsstättenverordnung zur Unterscheidung heranziehen. Mehr zu diesen Vorgaben steht im Beitrag „Arbeitsstättenverordnung: Entspricht der Arbeitsplatz den Vorschriften?“.

 

Lustig: Das BAG weist den Umzieh-Selbstversuch des Landesarbeitsgerichts zurück

Das Bundesarbeitsgericht verwies den Fall an das Bayerische Landesarbeitsgericht zur erneuten Verhandlung zurück. Dies hing auch damit zusammen, dass es mit dessen Ausführungen zum Zeitbedarf des Umziehens unzufrieden war.

Der Vorsitzende des LAG-Senats hatte offenbar im Selbstversuch gestoppt, wie lange er zum Aus- und Anziehen seiner Kleidung benötigte. Der für Jackett und Hemd ermittelte Wert sei auf die Schutzkleidung des Container-Mechanikers mit Latzhose, Sicherheitsschuhen und Schutzjacke nicht übertragbar, rügte die nächsthöhere Instanz. Außerdem hätten die Anwälte von Arbeitgeber und Arbeitnehmer diesem Selbstversuch nicht beiwohnen können.

Darüber hinaus habe das Landesarbeitsgericht als Zeitmaß für das Duschen die in der Altenpflege üblichen Zeiten angelegt, die doch auf gebrechliche Personen ausgerichtet seien. Und es sei von der Notwendigkeit der Fingernägel-Reinigung ausgegangen, obwohl der Mechaniker bei der Arbeit Handschuhe trug.

 

Fazit: Wann müssen Sie als Arbeitgeber Lohn fürs Duschen und Umziehen zahlen?

  • Die Zeiten fürs Umziehen zur Arbeit oder nach der Arbeit sowie für Duschen oder andere Formen der Körperhygiene wie sehr gründliches Händewaschen sind unter bestimmten Voraussetzungen Arbeitszeit. Dann müssen sie bezahlt werden.
  • Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn der Arbeitgeber die Körperreinigung oder das Händewaschen vor dem Dienst anordnet oder wenn Hygienevorschriften dies vorschreiben.
  • Das Duschen nach der Arbeit muss außerdem als Arbeitszeit bezahlt werden, wenn die Verschmutzung durch die Tätigkeit sehr stark ist und dem oder der Beschäftigten der Heimweg ohne Duschen nicht zugemutet werden kann. Die Entgeltpflicht besteht nur, wenn die Verschmutzung direkt mit der Tätigkeit zu tun hat. Abends durch den Stress des Tages verschwitzt zu sein, genügt nicht.
  • Die Entlohnung der Umziehzeiten vor oder nach dem Dienst hängt ebenfalls davon ab, ob das Tragen der Arbeitsbekleidung vorgeschrieben sowie außerhalb des Betriebs nicht erlaubt oder nicht zumutbar ist.
  • Unzumutbar ist dies nicht nur bei einem Clownskostüm, sondern selbst für Krankenhaus-Kasacks und andere besonders auffällige Kleidung, die den Beruf sofort erkennen lässt. Das Gleiche gilt, wenn die Berufskleidung wie im Fall von Uniformen nur am Arbeitsplatz getragen werden soll. Fallen die Sachen dagegen in der Öffentlichkeit nicht auf, besteht kein Anspruch auf bezahltes Umziehen. Das wäre wohl bei der schwarzen Hose und dem weißen Hemd eines Kellners der Fall.
  • In jedem Fall gilt der Lohnanspruch fürs Umziehen nur bei Sicherheits- oder Berufskleidung, die vom Arbeitgeber oder durch Arbeitsschutzbestimmungen vorgeschrieben ist.
  • Dazu, wie viel Zeit für Umziehen und Duschen zu veranschlagen ist, macht das Urteil keine konkreten Vorgaben. Hier lauert also zusätzliches Konfliktpotenzial.
  • Bei entsprechenden Tätigkeiten ist eine Regelung im Arbeitsvertrag oder in einer Zusatzvereinbarung zur Vergütung von Dusch- und Umziehzeiten sinnvoll. Das kann späteren Streit oder nachträgliche Forderungen vermeiden. Sie sollte auch den Zeitbedarf festlegen.

 

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