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Gesetzliche Krankenversicherung: Kasse muss verspätete Einkommensnachweise akzeptieren

20. Feb. 2024
6 MIN

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Wer selbstständig und freiwillig gesetzlich krankenversichert war, hatte bisher nur drei Jahre Zeit, um per Steuerbescheid seine Einkünfte nachzuweisen. Danach setzte die Kasse den Höchstbeitrag fest. Dabei blieb es, selbst wenn der Steuerbescheid nachgereicht wurde. Mit dieser Praxis, die viele Betroffene in Existenznot brachte, ist nun Schluss. Besonders positiv: Die Neuregelung gilt rückwirkend bis 2018.

 

Jetzt auch noch nach mehr als drei Jahren: Steuerbescheid einreichen, Höchstbeitrag vermeiden

Steuerbescheid zu spät bei der Krankenkasse eingereicht? Das konnte für freiwillig gesetzlich krankenversicherte Selbstständige mit geringen Einkünften lange Zeit existenzbedrohend sein: Nach drei Jahren setzten die Kassen dann für das betreffende Jahr statt der vorläufigen Beiträge endgültig den Höchstbeitrag fest. Die Betroffenen mussten also Höchstbeiträge bezahlen, selbst wenn sie tatsächlich nur wenig verdient hatten.

Dabei blieb es selbst dann, wenn der Steuerbescheid, der die geringen Einkünfte nachwies, nachgereicht wurde. Die beträchtlichen Nachforderungen brachten viele Selbstständige in existenzielle Not. Zusätzlich erhöhten sich die offenen Forderungen durch monatliche Säumnisgebühren von einem Prozent laufend weiter. Gleichzeitig ruhte der Leistungsanspruch, die Kasse bezahlte nur noch Akutbehandlungen.

Diese Beitragspraxis zwang viele Betroffene in lange Gerichtsverfahren oder gleich zur Aufgabe der Selbstständigkeit. Nun ist sie Geschichte: Aufgrund einer Gesetzesänderung müssen Kassen die Beiträge entsprechend der tatsächlichen Einkünfte festsetzen, selbst wenn der Nachweis dafür erst nach der Dreijahresfrist eingereicht wird.

Besonders wichtig: Die neue Lockerung gilt rückwirkend. Selbstständige können bis zurück zum Jahr 2018 auf der Berücksichtigung des nachgereichten Einkommensteuerbescheids bestehen.

 

Die neuen Regelungen: ein Jahr Zusatzfrist für den Steuerbescheid

Die neue Rechtslage findet sich in § 240 Abs. 1 Satz 3 SGB V. Im Kern besteht sie aus drei Regelungen:

  • Freiwillig gesetzlich Krankenversicherte erhalten eine Zusatzfrist von 12 Monaten zum Einreichen des Steuerbescheids, nachdem die Kasse wegen eines fehlenden Steuerbescheids den Höchstbeitrag festgesetzt hat.
  • Die Krankenkasse muss den Höchstbetrag zurücknehmen, wenn der Steuerbescheid in dieser 12-Monatsfrist nachgereicht wird und der oder die Versicherte die Neufestsetzung der Beiträge beantragt.
  • Weist der oder die Versicherte nach, dass für das betreffende Jahr noch kein Einkommensteuerbescheid ergangen ist, darf die Krankenkasse den Höchstbeitrag selbst nach drei Jahren nicht endgültig festlegen.

Hinweis: Diese Regelungen gelten nicht für freiwillig Versicherte, für die der Höchstbeitrag bereits als vorläufiger Beitrag festgelegt wurde, weil sich aus dem letzten Steuerbescheid entsprechend hohe Einkünfte ergeben hatten. Liegen ihre Einnahmen dann doch niedriger, müssen sie das weiterhin innerhalb der Dreijahresfrist nachweisen.

 

 

Rückwirkung: Der Höchstbeitrag kann bis zurück zum Jahr 2018 gekippt werden

Außerdem enthält die Gesetzesänderung eine Rückwirkung (§ 423 SGB V): Für Beitragsjahre ab 2018 können Versicherte mit einem entsprechenden Steuerbescheid eine Neufestsetzung des bereits endgültig festgelegten Höchstbeitrags von ihrer Krankenkasse fordern.

Dafür haben sie bis zum 16. Dezember 2024 Zeit. Hat das Finanzamt den Steuerbescheid für das entsprechende Jahr noch nicht erlassen, gilt stattdessen eine Frist von zwölf Monaten ab dem Datum des Bescheids.

 

Freiwillige gesetzliche Krankenversicherung bei Selbstständigen: das Wichtigste im Überblick

  • Viele Selbstständige sind freiwillig gesetzlich kranken- und pflegeversichert. Gesetzlich geregelt ist diese Versicherungsform in § 240 SGB V.
  • Die Höhe der Beiträge hängt von ihren Einkünften ab. Der Beitragssatz ist gesetzlich festgelegt und grundsätzlich gleich hoch wie bei Pflichtversicherten.
  • Allerdings können Selbstständige zwischen einer Versicherung mit und ohne Krankengeldanspruch wählen. Entsprechend liegt der Beitragssatz zur Krankenversicherung im Jahr 2024 für sie bei 14,6 oder 14,0 Prozent der beitragsrelevanten Einkünfte. Dazu kommt der Zusatzbeitrag, den jede Kasse erhebt. Er liegt 2024 bei durchschnittlich 1,7 Prozent.
  • Der Beitragssatz zur Pflegeversicherung beträgt 2024 zwischen 2,4 und 4 Prozent, je nach Alter und Anzahl der Kinder.
  • Anders als bei pflichtversicherten Angestellten, bei denen die Beiträge nur vom Gehalt berechnet werden, ist bei freiwillig Versicherten die „wirtschaftliche Leistungsfähigkeit“ entscheidend. Das bedeutet praktisch: Neben dem mit der Selbstständigkeit erzielten Gewinn fließen auch weitere Einkünfte in die Beitragsberechnung mit ein, beispielsweise Mieteinnahmen, Kapitaleinkünfte aus Geldanlagen oder der Lohn aus einer Nebenbeschäftigung.
  • Für die Beiträge wird das Einkommen nur bis zu einer bestimmten Grenze berücksichtigt. Diese „Beitragsbemessungsgrenze“ liegt im Jahr 2024 bei 5.175 Euro monatlich. Einkünfte, die darüber hinaus erzielt wurden, erhöhen den Beitrag nicht weiter.
  • Auf der anderen Seite gilt bei der Beitragsberechnung von freiwillig versicherten Selbstständigen ein fiktives Mindesteinkommen. 2024 beträgt es 1.178,33 Euro im Monat. Den entsprechenden Mindestbeitrag zahlt man selbst dann, wenn man tatsächlich weniger verdient hat.
  • Seit 2018 setzt die Krankenkasse bei freiwillig Versicherten die Beiträge zunächst vorläufig fest. Grundlage ist der letzte Steuerbescheid, der erteilt wurde. Bei Gründern, bei denen es noch keine Steuerbescheide mit selbstständigen oder gewerblichen Einnahmen gibt, werden stattdessen zum Beispiel betriebswirtschaftliche Auswertungen oder die Gewinnerwartung aus dem Businessplan zugrunde gelegt.
  • Sobald der Steuerbescheid für das vorläufig festgesetzte Jahr da ist, muss er als Nachweis der tatsächlichen Einkünfte bei der Krankenkasse eingereicht werden. Diese setzt dann die Beiträge endgültig fest. Ergibt sich eine Differenz, werden entweder Nachzahlungen fällig, oder es gibt eine Erstattung.
  • Für das Einreichen des Steuerbescheids besteht eine Frist von drei Jahren. Wird sie versäumt, setzt die Kasse den Höchstbeitrag als endgültigen Beitrag fest. Diese Festsetzung war bisher unwiderruflich. Das hat sich nun geändert.

 

Hinweis: Bei einer selbstständigen Nebentätigkeit und bei KSK-Versicherten gibt es keine vorläufigen Beiträge

 

 

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