Greenwashing verstößt gegen das Wettbewerbsrecht. Zum Problem werden nicht nur frei erfundene Aussagen zur Umwelt- und Klimafreundlichkeit von Produkten oder Verfahren. Auch Interpretationsspielräume und fehlender Kontext führen schnell zu juristischem Ärger. Wenn Sie mit CO2-Neutralität oder Umweltverträglichkeit werben, sollten Sie der Formulierung und Aussage viel Aufmerksamkeit schenken.
Greenwashing oder legitime Werbeaussage?
Viele Unternehmen weisen offensiv auf die Klimaneutralität oder die Umweltverträglichkeit bestimmter Produkte oder ihres Betriebs hin. Solche Aspekte sind schließlich für Kunden und Verbraucher ein wichtiger Gesichtspunkt.
Allerdings können umwelt- und klimaorientierte Werbeaussagen mit dem Wettbewerbsrecht in Konflikt geraten. Das gilt selbst dann, wenn die Anbieter es mit ihrem Engagement durchaus ehrlich meinen. Abmahnungen durch Konkurrenten oder Verbraucherverbände lassen den vermeintlichen Marktvorteil schnell zum Bumerang werden. Dieses Risiko zeigt sich exemplarisch an einer Gerichtsentscheidung vom Ende des letzten Jahres.
Wann ist ein Produkt klimaneutral? Reichen zugekaufte Ausgleichszertifikate aus?
Ein Unternehmen für ökologische Waschmittel und Reinigungsprodukte hatte sich auf seiner Website in einem Logo als „Klimaneutral“ bezeichnet. Hintergrund waren CO2-Zertifikate, die der Hersteller als Kompensation für eigene Emissionen kaufte. Mit diesen Zertifikaten werden Klimaschutzmaßnahmen als Ausgleich für Emissionen des Zertifikat-Käufers finanziert. Für diese Information musste man sich allerdings vom Logo über eine Unterseite des Herstellers bis zur Website des zertifizierenden Unternehmens durchklicken.
Diese Verwendung von „klimaneutral“ wurde vom Oberlandesgericht Frankfurt in einem Eilverfahren untersagt (OLG Frankfurt am Main, 10.11.2022 - 6 U 104/22). Geklagt hatte ein Wettbewerber, der ebenfalls Öko-Putzmittel produziert und vertreibt. Er hielt die Angaben des Konkurrenten für eine Irreführung des Verbrauchers und deshalb für einen Wettbewerbsverstoß.
Die Richter des OLG gaben dem Wettbewerber zumindest teilweise recht. Die Verbraucher hätten ein erhebliches Interesse daran, ob die Klimaneutralität durch eigene Einsparmaßnahmen oder nur durch CO2-Zertifikate erreicht würden. Deshalb wurde dem Hersteller die Werbeaussage ohne Zusatzinformation zu diesem Punkt, zur möglichen Ausnahme bestimmter Emissionen und zu den verwendeten Prüfkriterien verboten.
Die Rechtsprechung ist uneinheitlich
Das Oberlandesgericht Schleswig war einige Monate zuvor in einem ähnlich gelagerten Fall zu einer anderen Entscheidung gelangt (OLG Schleswig, 30.06.2022 - 6 U 46/21). In dem Verfahren ging es um Müllbeutel mit der Aufschrift „klimaneutral“. Das bezog sich nicht auf die Produktionsweise, sondern ebenfalls auf Ausgleichszahlungen für Klimaschutzprojekte. Gleichzeitig produzierte der Hersteller auch Müllbeutel ohne entsprechenden Anspruch. Er wurde von der Wettbewerbszentrale verklagt.
Das OLG Schwesig sah jedoch kein wettbewerbsrechtliches Problem. Es hielt Angaben dazu, wie die beworbene Klimaneutralität erreicht wurde, für keine „wesentliche Information“. Deshalb war der Entscheidung zufolge die Werbeaufschrift zulässig und entsprechende Angaben auf der Verpackung entbehrlich.
Vorsicht mit Werbung zu Klima- und Umweltfreundlichkeit
Praktisches Fazit aus den Gerichtsentscheidungen: Wer seine Produkte, seine Dienstleistungen oder sein Unternehmen als klimafreundlich oder umweltverträglich anpreisen möchte, muss dabei sehr sorgfältig formulieren. Und selbst dann gibt es keine Sicherheit, dass Wettbewerber oder Vebraucherschutzverbände nicht erfolgreich klagen. Zu uneinheitlich sind die Entscheidungen der Gerichte. Ein Urteil des Bundesgerichtshofs steht bislang aus. Dass es keine gefestigte Rechtsprechung gibt, zeigt sich bereits daran, dass in den beiden geschilderten Verfahren die jeweiligen Landgerichte anders entschieden hatten als die Oberlandesgerichte als nachfolgende Berufungsinstanz.
In jedem Fall gilt: verkürzte Darstellungen und allgemeine Schlagworte wie „klimaneutral“ oder „umweltfreundlich“ sind gefährlich. Das gilt nicht nur dann, wenn die Behauptung aus der Luft gegriffen ist. Es kann sein, dass ein Gericht später die Pflicht zu umfassenden Zusatzinformationen und Klarstellungen sieht. Wenn man dem vorgreift, sinkt der Werbewert durch die umfangreichen Hinweise und Ergänzungen.
In der Praxis bleiben Werbeaussagen zu Klima und Umwelt damit eine Gratwanderung. Am ehesten bieten möglichst konkrete Hinweise Sicherheit, etwa „Unser Unternehmen produziert mit 100 % Ökostrom“. Voraussetzung ist, dass man die Aussage eindeutig belegen kann und sie vom Verbraucher klar verstanden wird.
Ausblick: die geplante „Green-Claims-Richtlinie“ der EU
Die derzeitige Rechtsunsicherheit könnte sich bald ändern. Die EU möchte auch bei der Werbung mit Umwelt- und Klimafreundlichkeit eine verbindliche Regelung durchsetzen. Dann gelten allerdings strikte Vorgaben.
Die Ende März im Entwurf vorgestellte „Green-Claims-Richtlinie“ sieht vor, dass Werbeslogans wie „klimaneutraler Versand“ oder „Verpackung aus recyceltem Kunststoff“ unabhängig überprüft und wissenschaftlich bestätigt sein müssen. Pauschalbewertungen sollen untersagt sein.
Außerdem möchte die EU-Kommission dem Wildwuchs an Umwelt- und Klimasiegeln den Kampf ansagen, indem einheitliche, strikte Prüfkriterien vorgeschrieben werden.
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