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Vertragsrecht: Von Einladungen, Anträgen und Angeboten

Geschrieben von orgaMAX Redaktionsteam | 09.04.21 08:15

Die Unterscheidung zwischen einem Angebot und der Einladung zur Abgabe eines Angebots klingt nach juristischer Haarspalterei. Im Geschäftsalltag hat sie jedoch handfeste Folgen.

Wenn Selbstständige und Unternehmen miteinander Geschäfte abschließen, dann kommt der Vertrag zwischen beiden durch ein Angebot zustande, das die eine Seite abgibt und die andere Seite annimmt. Das gilt für Kaufverträge ebenso wie für Dienstleistungen, die per Werkvertrag oder Dienstvertrag vereinbart werden.

 

Dreikampf: Angebot – Annahme – Vertrag

Für Angebote gibt es keine Formvorschriften. Sie müssen weder schriftlich abgefasst werden noch bestimmte Pflichtangaben enthalten. Allerdings ist es in den allermeisten Fällen sinnvoll, wenn Sie Ihre Offerten zumindest in Textform abgeben, etwa per E-Mail.

Dabei empfiehlt es sich ...

  • die angebotenen Lieferungen und / oder Leistungen präzise zu beschreiben,
  • klare Angaben zu Zahlungsbedingungen, Erfüllungsfristen und anderen Konditionen zu machen und
  • das eigene Unternehmen sowie den Geschäftspartner korrekt zu bezeichnen.

Lektüretipp: Einführende Hinweise zur Form und zu den Angaben bei Angeboten liefert der orgaMAX-Blogbeitrag „Was Sie über Angebotsschreiben wissen sollten“. Dort finden Sie unter anderem ...

  • eine editierbare Mustervorlage, die Sie für Ihre eigenen Angebote übernehmen und anpassen können sowie
  • Erläuterungen zum Handling von orgaMAX-Angeboten.

 

Für Bindungsunwillige: Freizeichnungsklauseln

Wenn Geschäftsleute ein Angebot abgeben, legen sie sich damit fest. Das Bürgerliche Gesetzbuch sagt dazu: „Wer einem anderen die Schließung eines Vertrags anträgt, ist an den Antrag gebunden, es sei denn, dass er die Gebundenheit ausgeschlossen hat“ (§ 145 BGB).

Ein Angebot stellt eine verbindliche Willenserklärung dar, mit dem Adressaten den entsprechenden Vertrag abzuschließen. Das Gesetz nennt dies „Antrag“. Allerdings lässt sich die Bindungswirkung eines solchen Antrags (= Angebots) durch Freizeichnungsklauseln ausschließen oder eingrenzen:

  • Zusätze wie „Unverbindliches Angebot“, „Angebot freibleibend“ oder „Angebot ohne Obligo“ sorgen dafür, dass das Angebot zumindest im vertragsrechtlichen Sinne keines ist. Durch diese Zusätze wird der entscheidende Punkt aufgeweicht: der klare Wille zum Vertragsschluss.
  • Andere Klauseln sorgen dafür, dass der Anbieter einen Rückzieher von bestimmten Teilen seines Vertragsangebots machen kann. Ein typisches Beispiel ist „Preis freibleibend“. Andere Freizeichnungsklauseln sind an Bedingungen gebunden, etwa „solange vorrätig“. Ein Angebot mit der Terminangabe „Lieferung bis 31. August (ohne Obligo)“ verpflichtet den Anbieter nicht zur Einhaltung dieser Lieferfrist.
Hinweis:ohne Obligo“ wird unter Kaufleuten oft „o. O.“ abgekürzt. An der Wirkung der Klausel ändert das nichts.

 

Die Einladung zur Abgabe eines Angebots

Aus Sicht des Vertragsrechts ist ein freibleibendes Angebot mit einem Zusatz wie „unverbindlich“ kein Vertragsangebot, sondern eine „Aufforderung zur Abgabe eines Angebots“ an den Empfänger: Dieser soll das entsprechende Vertragsangebot machen, indem er annimmt.

Die juristische Abgrenzung eines Angebots von einer bloßen Aufforderung zur Abgabe eines eigenen Angebots ist nicht immer einfach. Schließlich ist nicht jede Vertragsofferte in ein schriftliches Dokument gefasst. In der Rechtsprechung gelten

  • Produktkataloge,
  • Preisschilder an der Ware,
  • Preisangaben in Werbeanzeigen,
  • Dienstleistungsangebote im Internet und ähnliches mehr

... als Einladung zur Abgabe eines Angebots. Also nicht als verbindliches, eigenes Angebot!

 

Kunden können deshalb gegenüber dem Anbieter nicht auf dem genannten Preis, der Belieferung oder den Konditionen bestehen ...

  • wenn er ihnen dann doch mehr berechnen will,
  • die Ware nicht mehr verfügbar ist oder
  • der Dienstleister keine Zeit für den Auftrag hat.

 

Beispiel Masken-Verkauf im Webshop

Das ergibt auch Sinn: Wäre es nicht so, könnte ein Kunde darauf bestehen, von den in einem Webshop angebotenen FFP2-Masken 100.000 Stück auf einmal abzunehmen. Der Händler wäre verpflichtet, diese Menge zu liefern, auch wenn er nur 5.000 Exemplare auf Lager hat und den Rest zu unrentablen Preisen dazukaufen muss. Durch die Annahme wäre ja direkt ein bindender Vertrag entstanden.

Zum Glück für den Shop-Betreiber ist das im Online-Shop eingestellte Produkt nur eine Einladung zur Abgabe eines Angebots. Will der Kunde die Einladung annehmen und zum Beispiel eine große Menge ordern, dann muss er das durch eine Bestellung signalisieren. Dieses Kaufangebot mit der gewünschten Menge kann nun der Shop-Betreiber annehmen, aber eben auch ablehnen.

Bitte beachten Sie: Wer auf eine Einladung zur Abgabe eines Angebots eingeht, gibt damit selbst ein verbindliches Angebot ab. Und ist deshalb seinerseits sehr wohl an das Geschäft, den Preis und die Konditionen gebunden.

 

Die Annahme als neues Angebot

In bestimmten Fällen stellt die Annahme eines Angebots ihrerseits ein Angebot dar:

  • Wird das Angebot verspätet angenommen, ist diese „Willenserklärung“ ein neues Angebot an den ursprünglichen Anbieter. Der kann dann darauf eingehen oder abwinken.
  • Das gleiche gilt, wenn ein Angebot mit Änderungen oder Zusätzen angenommen wird. Beispiel: „Angebot angenommen, aber mit Lieferung bis 30. Juni statt 31. Juli“.

Natürlich können auch dann ein Vertrag und damit das Geschäft zustande kommen: Und zwar dann, wenn der ursprüngliche Anbieter das „Gegen-Angebot“ annimmt. Das kann er der Gegenseite entweder mitteilen, oder er akzeptiert die Annahme „konkludent“. Das heißt durch schlüssiges Verhalten, etwa indem er den Kunden beliefert.

 

Wann gilt ein Angebot nicht mehr?

Die Regelungen zu den Annahmefristen und zum Erlöschen von Angeboten finden sich in den BGB-Paragrafen 146 bis 149. Ein Angebot gilt demnach nicht mehr ...

  • Nachdem das Angebot abgelehnt wurde: Wer auf ein Angebot mit „Sorry, derzeit kein Bedarf“ reagiert, kann sich nach einem späteren Sinneswandel nicht trotzdem noch darauf berufen.
  • Wenn das Angebot per Post oder Internet übermittelt und nicht innerhalb der Zeit angenommen wurde, in der man eine Antwort „erwarten darf . Was das bedeutet, hängt vom Einzelfall ab. Die Frist umfasst jedenfalls nicht nur die Zeit für die Übermittlung oder Zu- und Rücksendung, sondern auch eine angemessene Bearbeitungs- und Bedenkzeit, die unter anderem vom Volumen und der Komplexität des entsprechenden Geschäfts abhängt.
  • Wenn ein im direkten Gespräch übermitteltes Angebot nicht sofort angenommen wird. Das gilt auch für Telefonate, Video-Calls oder Chats.
  • Wenn das Angebot eine explizite Antwortfrist nennt („Zur Annahme bis 31. Mai“), die bereits verstrichen ist. Bei einer verspäteten Zustellung, für die die Gegenseite offensichtlich nichts kann, muss diese auf die Verzögerung aufmerksam gemacht werden.

Befristung des Angebots

Bei Angebotsbefristungen kommt es auf die genaue Formulierung an. Eine Befristung des Angebots durch Zusätze wie „Angebot befristet bis 30. Juni“ verpflichtet den Anbieter, das Angebot bis zu diesem Termin aufrecht zu erhalten. Danach kann er es widerrufen, falls es nicht angenommen wurde.

In vielen Fällen ist der Widerruf nicht nötig, weil die Annahmefrist mit der Befristung des Angebots abläuft. Das muss jedoch nicht der Fall sein. Wie lange der Adressat das Angebot annehmen kann, hängt vom Einzelfall ab. In bestimmten Fällen kann die Annahmefrist durchaus über die Angebotsfrist hinaus reichen. Das Oberlandesgericht München entschied, dass die Annahme bei einem Grundstücksgeschäft selbst zwölf Jahre nach Verstreichen der Angebotsfrist noch wirksam war (OLG München, 31.07.2019 – 20 U 4438/18)!

 

Mögliche Reaktionspflicht bei freibleibenden Angeboten

Ein freibleibendes Angebot bindet zwar den Anbieter nicht. Wenn der Geschäftspartner jedoch auf das freibleibende Angebot eingeht, und der Anbieter den Vertragsabschluss nicht (mehr) will, dann soll er das seinem Gegenüber umgehend mitteilen.

In manchen Fällen kann dann eine Reaktionspflicht bestehen. Bleibt die explizite Ablehnung der Annahme des freibleibenden Angebots aus, kann das Schweigen eine Einwilligung in den Vertragsabschluss darstellen.

 

Weiterführende Lektüre

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