Die beiden Corona-Jahre brachten für Selbstständige und kleinere Unternehmen jede Menge an Herausforderungen, Durcheinander und Umbrüchen: Schließungen, Umsatzeinbrüche, ausbleibende Kundschaft, Personal in Quarantäne.
Seit einiger Zeit kommen vermehrt internationale Logistikprobleme und Lieferschwierigkeiten dazu. In manchen Gebieten gab es im Sommer auch noch schwere Überschwemmungen.
Besondere Umstände erfordern besondere Maßnahmen
Diese und viele weitere Ursachen können den Geschäftsalltag von einem Tag zum anderen auf den Kopf stellen. Zum Unternehmerdasein gehört es, mit solchen Wechselfällen zurechtzukommen und spontan neue Lösungen zu finden.
Oft vergessen die Betroffenen jedoch, die besonderen Umstände nachprüfbar festzuhalten. Das kann bei einer späteren Betriebsprüfung zu Problemen führen.
Ausnahmezustand in der betrieblichen Praxis
Beispiele für betriebliche Ausnahmezustände sind:
- Das Ladengeschäft eines Buchhändlers liegt in einem Gebäude, in dem gebaut wird. Die Bauarbeiter beschädigen eine tragende Wand. Der Laden darf zwei Wochen lang von Kunden nicht betreten werden.
Kurzentschlossen packt der Buchhändler eine ganze Reihe besonders beliebter Titel, dazu Kalender, Notizbücher und ähnlichem mehr in einen Transporter und beginnt, sie mit einem eigenen Stand auf den Märkten in der Gegend zu verkaufen. Das fängt zumindest einen Teil des Umsatzeinbruchs auf und sorgt für Publicity. Allerdings verwendet er eine offene Kasse.
Bei einer Betriebsprüfung nach drei Jahren moniert der Prüfer, dass für diese zwei Wochen der Umsatz abgesackt ist, die Treibstoffkosten steil angestiegen sind und Kassenbelege fehlen. - Durch einen Kabelbrand wird das Foto-Studio einer selbstständigen Fotografin samt Ausrüstung unbrauchbar. Dort hat sie auch Fotokurse für gemeinnützige Träger veranstaltet.
Bis die Versicherung zahlt und neue Räumlichkeiten sowie Ersatzgeräte besorgt sind, kann sie glücklicherweise Unterrichtsaufträge für einen Verein übernehmen. Der ist im Gegensatz zu ihren sonstigen Kunden als Berufsbildungsträger anerkannt. Damit sind diese Rechnungen gemäß § 4 Nr. 21 UStG umsatzsteuerfrei.
Später fällt auf, dass sie drei Monate lang Seminare ohne Umsatzsteuer abgerechnet hat, ansonsten immer mit. Warum? Nach zwei Jahren hat die Fotografin die Umsatzsteuer-Details nicht mehr parat: sie hat sich ohnehin nur bei ihrem Steuerberater erkundigt. Der hat diese Anfrage jedoch nicht dokumentiert. Und der Verein selbst hat sich mittlerweile aufgelöst. - Ein privat betriebenes Museum schließt für ein halbes Jahr. Das bekommt auch eine nahe gelegene Pizzeria zu spüren. Weil die Touristen als Laufkundschaft ausbleiben, sinkt ihr Umsatz um ein Drittel. Danach wird das Museum wiedereröffnet, der Umsatz erreicht die alten Werte.
Einen Monat darauf finden Straßenarbeiten statt, der Zugang zur Pizzeria ist erschwert. Für vier Wochen sinkt der Umsatz auf die Hälfte. Anschließend ist das Restaurant wieder erreichbar und der Umsatz steigt wieder auf das gewohnte Niveau.
Später gerät der Besitzer in den Verdacht, Steuern hinterzogen zu haben. Den Beamten fallen die beiden Umsatzdellen auf. Wie lassen sie sich nachvollziehbar erklären?
Die Liste solcher Ausnahmezustände ließe sich endlos fortsetzen. Denken Sie nur an die Folgen der Corona-Krise: Geschäftsflächen und Zahl der erlaubten Kunden oder Gäste wurde beschränkt, Sperrstunden wurden eingeführt, Saisonkräfte fielen aus, …
Doch auch ohne Corona sorgen außergewöhnliche Vorkommnisse wie Baumaßnahmen, Diebstähle, Unwetter, neue Technik oder Verschiebungen bei Geschäften in der Umgebung oft genug für plötzliche Änderungen bei den relevanten Kennzahlen.
Jahre später: Misstrauen bei Prüfung der Bücher
Genau diese plötzlichen Ausreißer in der Buchhaltung lassen bei Betriebsprüfern, Wirtschaftsprüfern und Finanzbeamten später die Alarmglocken schrillen. Das gilt auch für mögliche Kreditgeber und Unternehmenskäufer.
Das ist kein böser Wille, sondern liegt in der Natur der Sache: Externe Prüfer von Unternehmenszahlen tendieren grundsätzlich und zwangsläufig dazu, nicht erwartungsgemäßen Zahlen mit Misstrauen zu begegnen.
Schließlich könnte es ja sein, dass Buchführungs-Unterlagen die tatsächlichen Sachverhalte nicht abbilden, sondern verdecken. Womöglich werden Gewinne am Finanzamt vorbei geschleust oder der Wert des Unternehmens künstlich aufgeblasen!?
Besondere Umstände dokumentieren
Bevor ein Betriebsprüfer diesen Eindruck bekommt und sich an seinem Verdacht festbeißt, sollten Sie schnell eine plausible Erklärung vorweisen können. So gesehen sparen Sie Nerven und unter Umständen bares Geld, wenn Sie rechtzeitig die Umstände dokumentieren, die für plötzliche Zahlenausreißer in der Buchführung gesorgt haben.
Bereits kurze Notizen können Ihr Gedächtnis später wieder auf Trab bringen:
- Wie war die Situation?
- Welche staatlichen Vorgaben haben Bund, Länder oder Gemeinden gemacht?
- Welche betrieblichen Maßnahmen haben Sie selbst daraufhin getroffen?
- Wie lange dauerten die einzelnen Phasen des Ausnahmezustandes genau?
Den Wahrheitsgehalt untermauern Sie am besten mit dazugehörigen Dokumenten, wie zum Beispiel ...
- amtlichen Anordnungen,
- Schreiben und Erlassen oder auch
- Zeitungsberichten.
Fotos und Videos der eigenen Geschäftsräume oder durchgeführter Sonderaktionen während des Ausnahmezustands erhöhen die Plausibilität und Glaubwürdigkeit Ihrer Behauptungen zusätzlich.
Lektüretipp: Ausführliche Dokumentations-Anleitung
Eine ausführliche Anleitung zur revisionssicheren Erstellung solcher Dokumentationen hat Gerhard Schmidt für die „Arbeitsgemeinschaft für wirtschaftliche Verwaltung e. V.“ (AWV) verfasst. Die 11-seitige Handreichung steht kostenlos zum Download bereit: „Dokumentation steuerlich relevanter betrieblicher Besonderheiten“ (PDF 617 KB).