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Geht doch: So holen Sie Steuerauskünfte beim Finanzamt ein

Geschrieben von orgaMAX Redaktionsteam | 13.04.22 12:30

Finanzbehörden haben einen denkbar schlechten Ruf. Ganz gleich, ob Unternehmer oder Privatleute: Die meisten Menschen sehen im Finanzamt ihren natürlichen Feind. Sie sind überzeugt, Gewinne, Gehälter und selbst den letzten Spargroschen gegen maßlose staatliche Übergriffe verteidigen zu müssen.

 

Bloß keine schlafenden Hunde wecken!?

Auf die Idee, das zuständige Finanzamt als Informationsquelle zu nutzen, kommen insbesondere Selbstständige und Unternehmer schon gar nicht: Wer will schon schlafende Hunde wecken!?

Klar: Vorsicht bei unbedachter Kontaktaufnahme mit dem Fiskus ist völlig richtig. Zumal dann, wenn es um komplizierte Steueroptimierungen, heikle Grenzfälle mit weitreichenden und womöglich teuren Folgen geht. Da sind Steuerberater, Buchführungs-Dienstleister oder andere Finanzfachleute Ihres Vertrauens zweifellos die besseren Ansprechpartner.

 

Fragen kostet (meistens) nichts

Sie haben noch keinen Steuerberater? Er oder sie ist gerade nicht erreichbar – oder lässt sich jede einzelne Auskunft teuer bezahlen? Bevor Sie in alltäglichen Steuer- und Buchführungsfragen langwierige Internetrecherchen oder Anfragen in sozialen Netzwerken starten, ist die Kontaktaufnahme mit dem Finanzamt gar keine schlechte Idee: Denn ...

  • erstens sind deren Mitarbeiter durchweg freundlicher, hilfsbereiter und oftmals auch kompetenter als ihr Ruf.
  • haben sie zweitens ausdrücklich die Aufgabe, Auskunft über steuerliche Rechte und Pflichten zu erteilen und müssen das
  • drittens im Zweifel sogar zugunsten der Steuerpflichtigen tun!

Die generelle Informations- und Beratungspflicht des Finanzamts über grundlegende Steuersachverhalte ergibt sich aus § 89 Abgabenordnung (AO). Die Auskunftsbereitschaft von Finanzamts-Mitarbeitern ist im Übrigen auch durchaus eigennützig: Oft ersparen sie sich auf diese Weise spätere Rückfragen und Konflikte.

Praxistipp: Wenn Sie einen allgemeinen Steuer-Sachverhalt erfragen wollen, können Sie auch „inkognito“ bei einem anderen Finanzamt anrufen. Viele Finanzamts-Mitarbeiter verzichten bei telefonischen Anfragen darauf, Name und Steuernummer zu erfragen.

Bitte beachten Sie: Bei Kontaktaufnahmen mit dem Finanzamt ist zu unterscheiden zwischen ...

  • unverbindlichen persönlichen oder telefonischen Anfragen,
  • Fachauskünften zum Thema Lohnsteuer sowie
  • kostenpflichtigen „verbindlichen Auskünften“.

 


Versuch macht klug: Informelle Anfragen und unverbindliche Auskünfte

Wenn Sie beim Finanzamt anrufen oder persönlich vorsprechen, bekommen Sie erfahrungsgemäß bereitwillig Auskunft. In vielen Fällen ist das Anliegen damit auch im Interesse aller Beteiligten bereits erledigt. Am besten machen Sie sich hinterher eine Aktennotiz mit ...

  • Name und Position Ihres Gesprächspartners,
  • Datum und Uhrzeit des Gesprächs,
  • Gegenstand Ihrer Anfrage und dem
  • Inhalt der erteilten Auskunft.

Um Missverständnissen vorzubeugen, können Sie Ihr Gesprächsprotokoll anschließend an Ihren Gesprächspartner schicken. Eine ausdrückliche Bestätigung bekommen Sie daraufhin zwar normalerweise nicht. Ihr Ansprechpartner hat aber die Möglichkeit, eventuelle Fehler und Irrtümer zu korrigieren.

Wichtig: Informelle Auskünfte sind unverbindlich. Andere Finanzbeamte müssen sich nicht an die Einschätzung ihres Kollegen halten. Daran ändert auch der Vertrauensschutz nichts, den Steuerpflichtige grundsätzlich genießen.

 

Sofern es im Zuge einer späteren Betriebsprüfung zu unterschiedlichen Bewertungen kommt, können Sie den Inhalt telefonischer und mündlicher Auskünfte zwar zu Ihren Gunsten ins Feld führen. Vor Gericht durchsetzen können Sie Ihre Position aufgrund unverbindlicher Auskünfte jedoch nicht. Einen „Folgenbeseitigungs-Anspruch“ gegenüber dem Staat haben Sie bei weitergehenden finanziellen Nachteilen schon gar nicht. Zu dem Ergebnis ist der Bundesfinanzhof in einer Grundsatzentscheidung gekommen.

 

Anrufungsauskunft: Das Finanzamt als „Lohnsteuer-Berater“

Verbindliche Auskünfte muss das zuständige Betriebsstätten-Finanzamt dagegen im Bereich der Lohnsteuer-Vorschriften erteilen. Die gebührenfreie „Anrufungsauskunft“ ist in § 42e EStG geregelt. Sie bezieht sich nicht nur auf allgemeine Informationen zum Thema Lohnsteuer, sondern gilt ausdrücklich für die korrekte steuerliche Behandlung einzelner Mitarbeiter!

Hintergrund: Als Unternehmer sind Sie für den Lohnsteuer-Abzug Ihres Personals zuständig. Bei der Lohnsteuer handelt es sich jedoch nicht um eine betriebliche Steuer, sondern um die persönliche Einkommensteuer-Vorauszahlung einzelner Mitarbeiter.

Obwohl es also letztlich um eine Privatangelegenheit der Arbeitnehmer geht, haftet der Arbeitgeber für eventuelle Fehler beim Berechnen und Abführen der Lohnsteuer! Um dieses Risiko zumindest zu begrenzen, muss das Finanzamt im konkreten Einzelfall Beratung anbieten.

Klärungsbedarf gibt es mehr als genug, denken Sie nur an die ...

  • Anwendung von Lohnsteuertabellen oder Pauschalversteuerung,
  • steuerliche Behandlung von Zulagen, Prämien oder vermögensbildender Leistungen,
  • Bewertung von Sachbezügen,
  • Berechnung von Lohnsteuer, Kirchensteuer und / oder Solidaritätszuschlag bei beschränkter oder unbeschränkter Steuerpflicht oder auch
  • Form und Inhalt von finanzamtskonformen Lohnkonten und Gehaltsbescheinigungen.

Wenn Sie sich auf eine erteilte Anrufungsauskunft verlassen, dürfen Ihnen daraus bei einer späteren Steuerprüfung keine Nachteile (wie z. B. Lohnsteuer-Nachzahlungen) entstehen. Das gilt selbst dann, wenn der zuständige Finanzamtsprüfer oder ein anderes Finanzamt eine abweichende Auffassung vertritt.

Bitte beachten Sie:

  • „Anrufungsauskunft“ klingt nach Telefonauskunft, ist aus Beweisgründen jedoch grundsätzlich ein schriftlicher Bescheid. Auch wenn Sie Ihr Anliegen telefonisch oder per E-Mail vorbringen, bekommen Sie ein Antwortschreiben vom Finanzamt.
  • Wenn Sie mit dem Ergebnis der Stellungnahme nicht einverstanden sind, können Sie die Auskunft rechtlich überprüfen lassen.
  • Eine Anrufungsauskunft dürfen nicht nur Arbeitgeber (und die von ihnen beauftragten Steuerberater) verlangen, sondern auch einzelne Arbeitnehmer.

 

Ausführliche Informationen zu Art, Umfang, Überprüfbarkeit und Bindungswirkung von Anrufungsauskünften finden Sie im BMF-Schreiben vom 12.12.2017.

 

Noch mehr „Verbindliche Auskünfte“

Verbindliche Auskünfte können Sie gemäß § 89 Abs. 2 AO auch in anderen Steuerfragen einholen. Dort heißt es: Finanzämter und Bundeszentralamt für Steuern können auf Antrag „verbindliche Auskünfte über die steuerliche Beurteilung von genau bestimmten, noch nicht verwirklichten Sachverhalten erteilen, wenn daran im Hinblick auf die erheblichen steuerlichen Auswirkungen ein besonderes Interesse besteht.“

Der Antrag auf Erteilung einer kostenpflichtigen (!) verbindlichen Auskunft kann schriftlich oder elektronisch (z. B. E-Mail oder via ElsterOnline) beim zuständigen Finanzamt gestellt werden. Laut Steuer-Auskunftsverordnung sind folgende Angaben erforderlich:

  • Name, ggf. Firma, Anschrift, Steuernummer des Antragstellers,
  • Beschreibung des (noch nicht verwirklichten!) Sachverhalts,
  • Erläuterung des Rechtsproblems,
  • Formulierung konkreter Rechtsfragen,
  • Begründung des eigenen Rechtsstandpunktes,
  • Darlegung des „besonderen steuerlichen Interesses des Antragstellers“ an der Auskunft,
  • Erklärung, dass bislang bei keiner anderen Finanzbehörde zum betreffenden Sachverhalt eine verbindliche Auskunft beantragt wurde, sowie die
  • ausdrückliche Versicherung, dass alle Angaben der Wahrheit entsprechen.
Bitte beachten Sie: Verbindliche schriftliche Finanzamts-Stellungnahmen sind in der Regel gebührenpflichtig. Das gilt auch dann, wenn sie zu Ungunsten des Antragstellers ausfallen oder der Antrag zurückgezogen wird.

 

Die fälligen „Wertgebühren“ richten sich nach dem Gegenstandswert gemäß „Anlage 2“ zu § 34 Absatz 1 Satz 3 Gerichtskostengesetz. Die Berechnung erfolgt auf Grundlage der vom Steuerpflichtigen selbst dargelegten steuerlichen Auswirkungen des fraglichen Sachverhaltes. Lässt sich ein Gegenstandswert nicht ermitteln oder schätzen, wird eine Zeitgebühr fällig. In dem Fall beträgt die Gebühr 50 Euro je angefangene halbe Stunde Bearbeitungszeit.

 

Die gute Nachricht: Keine Gebühr wird fällig, wenn ...

  • der Gegenstandswert weniger als 10 000 Euro und
  • die Bearbeitungszeit weniger als zwei Stunden beträgt!

Ausführliche Informationen zum Thema „Verbindliche Auskünfte“ gibt es auf der Website des Bundeszentralamts für Steuern.

 

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