Was ist Kunst? Diese Frage beschäftigt nicht nur Kulturphilosophen. Wird eine selbstständige Tätigkeit als künstlerisch eingeordnet, hat dies direkte Folgen für Steuern, Buchführungspflichten und die Sozialversicherung. Im Zweifel können Gutachten entscheiden.
„Ist das wirklich Kunst?“ Eine solche Frage kann sich nicht nur auf ästhetische Standpunkte beziehen. Manchmal geht es dabei auch um handfeste finanzielle Aspekte:
Für die Finanzgerichte ist die „eigenschöpferische Leistung“ und eine ausreichende „künstlerische Gestaltungshöhe“ bei der selbstständigen Tätigkeit entscheidend.
So zeigte sich der Bundesfinanzhof, das oberste deutsche Steuergericht, skeptisch bei einem Schnitzer, der nach kleinen Vorlagen großformatige Wappen aus Holz anfertigte. Die Richter hielten es für wahrscheinlich, dass dies nach festen Vorgaben und damit handwerklich geschah. Gleichzeitig schnitzte der Mann Heiligenreliefs: Hier ging das Gericht von „zweckfreien Schöpfungen“ aus, die somit künstlerisch waren.
Die Richter wiesen darauf hin, dass gewerbliche und als auch freiberufliche Einkünfte gleichzeitig vorliegen können (BFH, 11.7.1991 - IV R 15/90). Wenn möglich, müssen dann die Einkünfte getrennt erfasst werden.
Kein Ausschlusskriterium für eine künstlerische Tätigkeit ist dagegen, dass Dinge mit gewerblichem Verwendungszweck beziehungsweise Gebrauchsgegenstände produziert werden. Auch an einer fehlenden künstlerischen Ausbildung muss die „Künstlereigenschaft“ nicht scheitern. Und selbst die künstlerische Schöpfungshöhe, die über das Urheberrecht entscheidet, muss für eine künstlerische Betätigung nicht notwendig vorliegen. Kernkriterium ist für die Rechtsprechung vielmehr die eigenschöpferische Umsetzung.
Ein Blick in die offiziellen „Amtlichen Hinweise“ in den Einkommensteuer-Richtlinien des Bundesfinanzministerium zeigt, dass die Streitfrage „Kunst oder nicht?“ die Finanzgerichte schon seit vielen Jahren beschäftigt (EStH H 15.6). Als künstlerisch-freiberuflich eingeordnet haben die Gerichte beispielsweise …
Abgelehnt wurde die „Kunsteigenschaft“ dagegen für …
Wenn Selbstständige vor Gericht darüber streiten, ob eine künstlerische Tätigkeit vorliegt, sind fast immer Gutachten im Spiel. Wie erwähnt sehen Gerichte den entscheidenden Gesichtspunkt normalerweise in der Gestaltungsfreiheit, manchmal auch die Gestaltungshöhe. Zu beiden Punkten hören die Richter meist Sachverständige an.
Die kommen jedoch nicht erst zu Wort, wenn der Streit vor dem Finanzgericht endet. In seiner Verfügung über die „Feststellung der Künstlereigenschaft“ vom 31. Mai 2023 weist das Bayerische Landesamt für Steuern darauf hin, dass Selbstständige schon gegenüber dem Finanzamt auf die Beurteilung durch externe Sachverständige bestehen können. In Bayern gibt es dafür feste Gutachterkommissionen zu den Bereichen Malerei und Plastik, Kunstgewerbe, Musik sowie Gebrauchsgrafik und Fotodesign. Diese Kommissionen beurteilen, ob der oder die Selbstständige aus ihrer Sicht künstlerisch tätig ist. Alternativ ist auch die Verpflichtung eigener Sachverständiger möglich.
Als mögliche Kriterien für die „Künstlereigenschaft“ nennt die Verfügung die Vorbildung (z. B. das Studium an einer Kunsthochschule), Presseveröffentlichungen, Kritiken in Kunstzeitschriften, die Beteiligung an Ausstellungen sowie die Mitgliedschaft in einschlägigen Berufsverbänden.
Selbstständige mit einer publizistischen oder künstlerischen Tätigkeit werden über die Künstlersozialkasse (KSK) pflichtversichert. Dort müssen sie analog zu Beschäftigten nur die Hälfte der Versicherungsbeiträge selbst tragen. (Weitere Informationen stehen im Beitrag „Nicht nur für Kreative: Künstlersozialversicherung und Künstlersozialabgabe“.)
Diese Form der Absicherung ist für viele Selbstständige attraktiv. Die Künstlersozialkasse achtet jedoch genau darauf, ob die ausgeübte Tätigkeit in ihren Katalog der akzeptierten Tätigkeiten fällt und damit aus ihrer Sicht tatsächlich künstlerisch (oder publizistisch) ist. Nur dann ist die Aufnahme in die KSK möglich. Der Katalog umfasst neben klassischen Kunstberufen wie dem des Musikers oder der Bildhauerin auch die Tätigkeit als selbstständiger Büttenredner, als Dramaturgin, als Komiker oder Licht-Designerin, um nur einige Beispiele zu nennen.
Schließlich kann es auch mit den tariflichen Sozialkassen Diskussionen über künstlerische Betätigung geben. Dabei geht es um Beiträge für die Beschäftigten, nicht für den Unternehmer oder die Unternehmerin selbst. Der Arbeitgeber muss mögliche Beiträge allerdings bezahlen.
Ein typisches Beispiel für Konflikte liefern Restauratoren von Bauwerken. Wird deren Arbeit als handwerklich eingestuft, fallen schnell Beiträge zur Zusatzversorgungskasse des Steinmetz- und Steinbildhauerhandwerks (ZVK-Steinmetz) an. In manchen Fällen fordert die Sozialkasse der Bauwirtschaft (SOKA-Bau) Beiträge. Tarifliche Sozialkassen wurden von den Tarifparteien geschaffen. Da das Bundesarbeitsministerium die entsprechenden Tarifverträge für allgemeingültig erklärt hat, trifft die Beitragspflicht auch nicht tarifgebundene Betriebe.
Die Frage einer Leserin zu ihrem Gründungsvorhaben wurde auf dem Existenzgründungsportal des Bundeswirtschaftsministeriums ausführlich beantwortet: „Selbst angefertigtes Kunsthandwerk verkaufen: freiberuflich oder gewerblich“. Die Antwort zeigt, welche Aspekte in der Praxis eine Rolle spielen können.
LektüretippsWeiterführende Informationen zu Rechts- und Steuerthemen finden Sie im orgaMAX-Blog und im Newsletter-Archiv:
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