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Für Gründer: „Nachvertragliches Wettbewerbsverbot“ im letzten Arbeitsvertrag?

19. Apr. 2023
7 MIN

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Sie waren bisher Arbeitnehmer und wollen sich nun in der gleichen Branche selbstständig machen? Dann sollten Sie prüfen, ob Ihr Arbeitsvertrag ein „nachvertragliches Wettbewerbsverbot“ enthält. Es untersagt Ihnen für bis zu zwei Jahren, Ihrem bisherigen Arbeitgeber Konkurrenz zu machen. Solche Verbote sind jedoch nur begrenzt möglich. Zudem haben Sie Anspruch auf eine Entschädigung. Und: Viele dieser Klauseln sind unwirksam, eine Prüfung lohnt sich.

Keine Konkurrenz für den eigenen Arbeitgeber

Beschäftigte dürfen nicht zum Wettbewerber für den eigenen Arbeitgeber werden. Wer vormittags für seinen Chef Versicherungspolicen verkauft, kann nicht nachmittags als dessen Teilzeit-Konkurrent auf eigene Rechnungen Versicherungen vermitteln. So etwas gibt dem Arbeitgeber das Recht zu Kündigung, in schweren Fällen außerordentlich und fristlos.

In diesem Punkt ist das Arbeitsrecht unmissverständlich, auch wenn die Regelung im Handelsgesetzbuch mit altertümlichen Begriffen wie „Handlungsgehilfe“ und „Prinzipal“ hantiert (§ 60 HGB). Die Arbeitsgerichte wenden allerdings nur das Verbot an, „im Handelszweige“ des Chefs zu wildern, sprich in der gleichen Branche oder mit einem vergleichbaren Angebot. Eine Nebenbei-Selbstständigkeit, die den Arbeitgeber nicht tangiert, kann er seinem Mitarbeiter nicht einfach verbieten.

Nach dem Ausscheiden schützt nur eine Klausel vor der Konkurrenz

Anders ist die Lage, wenn das Beschäftigungsverhältnis beendet ist. Anschließend steht es dem bisherigen Angestellten frei, sich selbstständig zu machen, und dann dem bisherigen Brötchengeber Konkurrenz. Er kann auch bei einem Wettbewerber anheuern. Beides ist für den bisherigen Arbeitgeber schmerzhaft, weil der bisherige Mitarbeiter nicht nur das Geschäft und dessen Interna kennt, sondern auch dessen Kunden.

Zur Vorbeugung steht in vielen Arbeitsverträgen eine Wettbewerbsverbotsklausel: Der Mitarbeiter verpflichtet sich, dem Arbeitgeber auch nach dem Ausscheiden für eine bestimmte Zeit keine Konkurrenz zu machen. Tut er es doch, wird eine Vertragsstrafe fällig. Im Gegenzug muss der Arbeitgeber sich für diese Zeit zu einer sogenannten Karenzentschädigung verpflichten.

Solche Klauseln sind arbeitsrechtlich knifflig und an einige Voraussetzungen gebunden. Schließlich schränkt ein Wettbewerbsverbot die Berufsfreiheit ein.

Nachvertragliches Wettbewerbsverbot: Das gibt es dabei zu beachten

Gesetzliche Regelungen zu Wettbewerbsverboten stehen in §§ 74 – 75f HGB. Sie gelten für alle Arbeitnehmer und Arbeitgeber, nicht nur in kaufmännischen Berufen (§ 110 GewO). Die wichtigsten Vorschriften:

  • Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot muss schriftlich vereinbart worden sein und eine Entschädigung vorsehen (§ 74 HGB).
  • Die Klausel muss klar benennen, wo und wie lange welche Art von Tätigkeit ausgeschlossen wird. Das ergibt sich schon aus der verfassungsmäßig garantierten Berufsfreiheit.
  • Aus der Vereinbarung muss klar hervorgehen, wann und wie oft die Vertragsstrafe fällig wird. Deren Höhe darf nicht unverhältnismäßig sein (§ 75c HGB). Das wäre zum Beispiel dann der Fall, wenn die Strafe die finanziellen Möglichkeiten des früheren Arbeitnehmers von vornherein völlig überfordert.
  • Das Wettbewerbsverbot darf für maximal zwei Jahre ab dem Ausscheiden gelten. Ist die vereinbarte Frist länger, ist die Regelung „unverbindlich“. Das bedeutet, vereinfacht ausgedrückt: Der bisherige Arbeitnehmer kann sich aussuchen, ob er auf der Klausel besteht und die Karenzentschädigung einfordert, oder ob er trotz der Klausel zum Wettbewerber des früheren Chefs wird (§ 74a HGB).
  • Die Entschädigung muss mindestens die Hälfte des Arbeitnehmergehalts betragen (§ 74 Abs. 1 HGB), sonst ist das Verbot unverbindlich. Dabei fließen durchschnittlich erzielte Provisionen und andere variable Lohnbestandteile sowie Einmalzahlungen mit ein.
  • Unverbindlich in diesem Sinn sind Wettbewerbsverbote auch dann, wenn sie nicht auf einem berechtigten geschäftlichen Interesse des bisherigen Arbeitgebers beruhen oder die beruflichen Möglichkeiten des Mitarbeiters unfair einschränken. Ein Interesse liegt beispielsweise vor, wenn der Mitarbeiter Geschäftsgeheimnisse kennt. Ein Wettbewerbsverbot darf nicht rein vorsorglich ausgesprochen werden.
  • Die Karenzentschädigung muss monatlich bezahlt werden (§ 74b HGB).

Anrechnung des neuen Verdiensts

Das, was der frühere Angestellte während der Geltung des Wettbewerbsverbots verdient, wird auf die Karenzentschädigung angerechnet (§ 74c HGB). Deshalb muss er den früheren Chef über seinen neuen Verdienst oder selbstständige Einkünfte informieren, wenn dieser es verlangt. Andere Einkünfte wie Mieteinnahmen, Zinseinkünfte oder Erbschaften werden nicht angerechnet.

Das genaue Verfahren ist kompliziert: Angerechnet wird nur der Betrag, der über die Summe aus Karenzentschädigung und dem 1,1-fachen des früheren Gehalts hinausgeht. Erzwingt das Wettbewerbsverbot einen Umzug, wird nur der Betrag angerechnet, der über der Karenzentschädigung plus dem 1,25-fachen des früheren Gehalts liegt.

Macht der bisherige Angestellte sich selbstständig, muss er eine Ergebnisprognose über den erwarteten Gewinn vorlegen. Auf dieser Basis erfolgt die vorläufige Anrechnung. Eine endgültige Abrechnung ergibt sich dann auf Grundlage des Einkommensteuerbescheids. In der Praxis liegt der Anrechnungsbetrag von frischgebackenen Selbstständigen häufig bei null. Gründer erzielen am Anfang selten ein hohes Einkommen und haben deshalb meist Anspruch auf die gesamte Karenzentschädigung.

Nichtigkeit der Wettbewerbsklausel

Aufgrund der komplexen Anforderungen sind Teile von Wettbewerbsklauseln in vielen Fällen unwirksam. Oft ist sogar die ganze Klausel insgesamt nichtig. Das gilt laut Gesetz etwa dann, wenn der Vertrag keine Karenzentschädigung festlegt (§ 74 Abs. 1 HGB).

Für gründungswillige Noch-Angestellte kann es sich deshalb lohnen, den Arbeitsvertrag juristisch prüfen zu lassen. Auch ihre Arbeitgeber stehen mit einer arbeitsvertraglichen Prüfung auf der sicheren Seite. Stellt sich die Klausel im Ernstfall als insgesamt nichtig heraus, können Unternehmen nicht gegen die neue Konkurrenz vorgehen, und Mitarbeiter keine Entschädigung einfordern, selbst wenn sie sich an die Regelung halten.

Auch die Inhaltskontrolle von Musterklauseln kann zur Stolperfalle werden. Vorformulierte Muster-Arbeitsverträge, die nicht Punkt für Punkt ausgehandelt werden, werden von den Arbeitsgerichten als AGB eingeordnet. Sie unterliegen besonders strengen Anforderungen. Unklare oder unerwartete Regelungen führen dann ebenfalls schnell zur Nichtigkeit. Das gilt zum Beispiel dann, wenn die Höhe der Vertragsstrafe nicht klar vereinbart wurde.

Gründen trotz Wettbewerbsklausel?

Gründungswillige, die bisher angestellt waren und in ihrem Arbeitsvertrag eine nachvertragliche Wettbewerbsklausel haben, sollten genau hinschauen:

  • Machen Sie mit der geplanten Gründung dem früheren Arbeitsgeber Konkurrenz? Das kann teuer werden, wenn der Arbeitsvertrag dafür eine Vertragsstrafe festlegt.
  • Allerdings muss die Klausel auch wirksam und durchsetzbar sein. Das hängt von vielen Aspekten ab. Die Regelung setzt ein berechtigtes Interesse des ehemaligen Chefs voraus. Außerdem muss sie ausreichend präzise formuliert sein und die gesetzlichen Einschränkungen berücksichtigen.
  • Eine wirksame Klausel kann das Gründungsvorhaben um zwei Jahre hinauszögern. Immerhin kann während dieser Zeit die Karenzentschädigung die Gründungsvorbereitung finanzieren.
  • Vielleicht lohnt es sich auch, das eigene Gründungsvorhaben so zu planen, dass dem bisherigen Arbeitgeber keine Konkurrenz entsteht. In diesem Fall kann die Karenzentschädigung helfen, die Anlaufphase des eigenen Unternehmens zu überbrücken.
  • Wann genau ein Wettbewerbsverhältnis entsteht, hängt vom Einzelfall ab. Es kann ausreichen, dass man die Kontakte zu den Kunden des bisherigen Arbeitgebers aktiviert oder dessen Geschäftsmodell nachahmt. Zu eng darf dieser den Wettbewerbsbegriff aber nicht auslegen. In Zweifelsfällen bleibt wohl nur der Weg zum Anwalt, um die Situation zu klären.
  • In manchen Fällen kann es auch sinnvoll sein, sich mit dem früheren Arbeitgeber zu einigen. Wenn die geplante Gründung zwar grundsätzlich unter die Wettbewerbsklausel fällt, dem bisherigen Chef aber nicht wirklich wehtut, ist er vielleicht froh, wenn er auf das Auszahlen der Karenzentschädigung verzichten kann. Beispiel: Die bisherige Friseurgesellin eröffnet nach der Meisterprüfung einen eigenen Salon am gleichen Ort. Der ist aber auf ein sehr jugendliches Publikum ausgerichtet, während ihre bisherige Arbeitgeberin vor allem das mittlere und ältere Alterssegment anspricht.

Bei GmbH-Geschäftsführern gelten eigene Regeln

Wettbewerbsverbote finden sich nicht nur bei Arbeitnehmern, sondern auch bei vielen GmbH-Geschäftsführern. In ihrem Fall gilt jedoch eine andere Rechtslage. Das beginnt schon damit, dass in ihrem Fall nicht die Arbeitsgerichte für Streitigkeiten zuständig sind, sondern die Zivilgerichte.


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