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Kündigung und Krankschreibung gleichzeitig? Damit riskieren Mitarbeiter die Lohnfortzahlung

2. Aug. 2023
4 MIN

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Ein Klassiker: Arbeitnehmer kündigen – und melden sich gleichzeitig krank. Bei einer derart verdächtigen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kann der Arbeitgeber die Lohnfortzahlung verweigern, wenn der Mitarbeiter nicht nachweist, dass er wirklich krank ist.

Passgenaue Krankschreibung zum Ende der Kündigungsfrist? Das müssen Arbeitgeber nicht hinnehmen

Arbeitgeber müssen Kündigungsfristen einhalten, sonst droht schnell Ärger. Manche Arbeitnehmer machen sich die Sache leichter und lassen sich bei einer Eigenkündigung bis zum Ende der Kündigungsfrist krankschreiben. Das Kalkül: so müssen sie nicht mehr zur Arbeit erscheinen, trotzdem überweist der Arbeitgeber auch für die restlichen Wochen noch den Lohn oder das Gehalt. Er ist schließlich zur Lohnfortzahlung verpflichtet.

Dass es so nicht geht, hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) schon vor einiger Zeit klargestellt. Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein hat die vorgegebene Linie nun auf einen Fall angewandt, in dem eine Mitarbeiterin die Kündigungsfrist nicht durch eine, sondern mehrere Krankschreibungen hintereinander überbrücken wollte.

Kündigungsschreiben – und dann mehrere Krankschreibungen

Eine Pflegehelferin aus Schleswig-Holstein ließ ihrem Arbeitgeber fast zeitgleich eine Kündigung und eine Krankschreibung zukommen. Vom Datum des Kündigungsschreibens blieben genau sechs Wochen bis zum Ausscheiden. So lange dauert auch die Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber im Krankheitsfall. (Mehr dazu im Beitrag „Lohnfortzahlung aus Arbeitgeber-Sicht“.)

An ihrem Arbeitsplatz erschien die Frau nicht mehr. Der ersten Krankschreibung folgten weitere, so dass schließlich für die gesamte verbleibende Betriebszugehörigkeit Arbeitsunfähigkeit beansprucht wurde. Pikanterweise kündigte eine Kollegin der Pflegehelferin zum gleichen Zeitpunkt – sie wurde von demselben Arzt ebenfalls bis zum Ende der Kündigungsfrist arbeitsunfähig geschrieben.

Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist nicht in Stein gehauen

Der Arbeitgeber verweigerte die Entgeltfortzahlungen. Daraufhin ging die Pflegehelferin vors Arbeitsgericht. In der ersten Instanz hatte sie Erfolg. Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein sah in der Berufungsverhandlung jedoch keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig (LAG Schleswig-Holstein, 02.05.2023 - 2 Sa 203/22).

Den hohen Beweiswert einer „AU-Bescheinigung“ stellten die Kieler Richter nicht in Frage. In diesem Fall war der Beweiswert jedoch aufgrund der verdächtigen Deckungsgleichheit mit der restlichen Dauer des Arbeitsverhältnisses „erschüttert“. Und ist die AU-Bescheinigung erst einmal erschüttert, liegt es am Arbeitnehmer, seine Arbeitsunfähigkeit und damit den Anspruch auf Entgeltfortzahlung nachzuweisen. Dazu, so führten die Richter aus, muss der Arbeitnehmer seine Krankheiten offenlegen und den Arzt bei Bedarf von der Schweigepflicht entbinden.

Seine Zweifel an den Krankschreibungen der Pflegehelferin begründete das Gericht mit zwei Punkten. Erstens wurde sie „passgenau bis zum Ablauf der Kündigungsfrist“ krankgeschrieben. Zweitens machte die Formulierung des Kündigungsschreibens klar, dass die Frau nicht die Absicht hatte, noch einmal in den Betrieb zurückzukehren. So erbat sie die Zusendung einer Bestätigung und des Arbeitszeugnisses an ihre Privatadresse. Die Richter zeigten sich überzeugt, dass die Frau nicht wirklich erkrankt war. Auch die Zeugenaussage des Arztes, von dem die Krankschreibungen stammten, ergab keine eindeutigen Indizien gegen diese Version.

Das Bundesarbeitsgericht hat die Linie vorgegeben: passgenaue Krankmeldungen sind suspekt

Mit ihrer Entscheidung folgten die Kieler Richter einer Linie, die das Bundesarbeitsgericht bereits 2021 vorgegeben hat (BAG, 08.09.2021 - 5 AZR 149/21). Eine bei einer Zeitarbeitsfirma tätige kaufmännische Angestellte hatte nach etwa einem halben Jahr gekündigt und sich am gleichen Tag für die verbleibenden zwei Wochen krankgemeldet. Beim Entleihbetrieb hatte sie telefonisch angekündigt, nicht mehr zur Arbeit zu erscheinen.

Auch in dem Fall sah das BAG den Beweiswert der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert. Weil die Richter nicht vom Vorliegen einer echten Krankheit überzeugt waren, sprachen sie der Arbeitnehmerin den Anspruch auf Lohnfortzahlung ab.

Diese Rechtsprechung hat das LAG Schleswig-Holstein nun auf einen Fall übertragen, in dem mehrere Neu- und Folgebescheinigungen zur Arbeitsunfähigkeit nacheinander vorgelegt wurden. Wie das BAG diesen Fall beurteilt, wird sich in einiger Zeit zeigen: dort ist derzeit die Revision der Pflegeassistentin anhängig.

Drohen mit Krankschreibung

Noch eindeutiger liegt der Fall, wenn Arbeitnehmer androhen oder ankündigen, sich krankschreiben zu lassen. In solchen Fällen ist der Arbeitgeber nicht nur von der Pflicht zur Lohnfortzahlung befreit. Ein solches Verhalten rechtfertigt grundsätzlich eine außerordentliche, fristlose Kündigung.

 

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