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„Liebhaberei“ und fehlende Gewinnerzielungsabsicht

Geschrieben von orgaMAX Redaktionsteam | 10.07.23 06:41

Stuft das Finanzamt selbstständige Aktivitäten als „Liebhaberei“ ein, werden die Verluste daraus steuerlich nicht anerkannt. Gründer haben eine Schonfrist für Anlaufverluste.

Liebhaberei: ohne Gewinnerzielungsabsicht keine Anerkennung für die Steuer

Eine selbstständige Tätigkeit, mit der über längere Zeit keine Gewinne erzielt werden, kann das Finanzamt als „Liebhaberei“ einordnen. Der Fiskus unterstellt, dass es gar nicht um Gewinnerzielung geht, sondern beispielsweise nur darum, steuerbegünstigt einem Hobby nachzugehen oder Verluste auszuweisen, die die Einkommensteuer drücken.

Voraussetzung dafür, dass Liebhaberei im steuerlichen Sinn vorliegt: selbst wenn die Tätigkeit grundsätzlich „steuerbare Einkünfte“ gemäß § 2 Abs. 1 Einkommensteuergesetz einbringen könnte, wird sie so ausgeübt, dass Gewinne auch auf längere Sicht unwahrscheinlich oder unmöglich sind. Es fehlt die Orientierung an betriebswirtschaftlichen Grundsätzen. Die eigentlichen Motive sind privater Natur.

Liebhaberei kann Aktivitäten betreffen, die ansonsten freiberuflich oder gewerblich wären, in die Land- und Forstwirtschaft fallen oder zu Vermietung und Verpachtung gehören würden.

Liebhaberei: keine steuerpflichtigen Einnahmen, keine ansetzbaren Betriebsausgaben

Erlässt das Finanzamt einen Bescheid wegen Liebhaberei, müssen die entsprechenden Einnahmen nicht mehr versteuert werden. Das klingt auf den ersten Blick positiv. Aber ein solcher Bescheid ergeht nur, wenn die Aktivität seit längerem Verluste produziert. Und diese Verluste dürfen dann nicht mehr in der Steuererklärung geltend gemacht werden, um sie Einnahmen aus anderen Bereichen gegenzurechnen und so die Steuerlast zu senken.

Ein Einkommensteuer-Änderungsbescheid wegen Liebhaberei führt deshalb oft zu hohen Nachzahlungen für alle zurückliegenden Jahre mit vorläufigem Steuerbescheid. Der Wegfall von Verlusten, auch in Form von Verlustrücktrag oder Verlustvortrag, erhöht rückwirkend die steuerrelevanten Einnahmen.

Liebhaberei oder nicht?

Beim Verdacht auf Liebhaberei stellen sich Betriebsprüfer Fragen wie diese:

  • Wie sieht die Finanzplanung aus – gibt es überhaupt eine? Ist sie realistisch?
  • Liegt der Verdacht nahe, dass jemand aus persönlicher Neigung einem Hobby, einer idealistischen Tätigkeit oder einer Familientradition nachgeht, ohne realistische Chance, damit in die schwarzen Zahlen zu kommen?
  • Wird der Lebensunterhalt auf andere Art verdient? Zum Beispiel als Arbeitnehmer oder mit einer anderen selbstständigen Tätigkeit? Werden so die Verluste aufgefangen?
  • Lassen sich über die selbstständige Tätigkeit Dinge wie ein Auto, ein Smartphone oder ein Laptop als Betriebsausgaben ansetzen, die privat genutzt werden?
  • Existiert der Betrieb nur, um dort eine nahestehende Person zu beschäftigen und zu „versorgen“?
  • Ist der Betrieb statt auf Gewinne nur auf die Eigenfinanzierung ausgerichtet?
  • In welche Richtung haben sich Umsatzverluste und Geschäftsaussichten über die Jahre entwickelt?
  • Wird das Geschäftskonzept geändert, um auf anhaltenden finanziellen Misserfolg zu reagieren? Werden die Ursachen analysiert?

 

Anlaufverluste sind bei einer Selbstständigkeit normal

Eine Existenzgründung führt nur in seltenen Ausnahmen unmittelbar zu Gewinnen. Anlaufverluste sind der Normalfall, selbst über mehrere Jahre hinweg. Das sehen auch die Finanzgerichte so. In aller Regel geht das Finanzamt erst dann von Liebhaberei aus, wenn die Freiberuflichkeit oder der Gewerbebetrieb fünf Wirtschaftsjahre Jahre defizitär bleiben. Entscheidend ist allerdings der Einzelfall.

Verluste sind noch kein Beweis für Liebhaberei

Langjährige Verluste allein genügen nicht, um von Liebhaberei auszugehen. Das ist seit Jahrzehnten die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH, 25.06.1984 - GrS 4/82).

  • Vielmehr steht bei Liebhaberei regelmäßig „die Befriedigung persönlicher Neigungen“ im Zentrum, es geht zum Beispiel um hobby-affine Aktivitäten, um Traditionspflege oder um wissenschaftliche oder kulturelle Aktivitäten.
  • Manchmal sind auch rein wirtschaftliche Vorteile ausschlaggebend, die außerhalb der tatsächlichen „Einkunftssphäre“ entstehen, etwa wenn man privat genutzte Dinge als Betriebsausgaben einem Betrieb zuordnet, der nur zur diesem Zweck existiert.
  • Ein anderes Beispiel sind Gründungen, die allein dazu dienen, steuermindernde Abschreibungen vorzunehmen oder Verwandten ein Gehalt zu zahlen.
  • Dagegen ist die Steuerersparnis durch echte (und nicht nur buchmäßige) Verluste grundsätzlich kein Argument für fehlende Gewinnerzielungsabsicht. Schließlich spart der oder die Steuerpflichtige in diesem Fall nichts. Sie müssen den Verlust voll tragen, profitieren steuerlich aber nur in Höhe des Grenzsteuersatzes.
  • Eine Tätigkeit, die als Existenzgrundlage angelegt ist, kann keine Liebhaberei sein, auch nicht bei wirtschaftlichem Misserfolg. Liebhaberei erfordert parallele Einnahmen oder Geldmittel für den Lebensunterhalt, etwa aus einem Hauptberuf oder aus Privatvermögen.

Liebhaberei und Gewinnerzielung können ineinander übergehen

Der Status als Liebhaberei ist nicht in Stein gemeißelt. Wer eine bestimmte Aktivität zunächst vor allem aus Spaß und ohne Gewinnerzielungsabsicht ausführt, dann aber das geschäftliche Potenzial entdeckt und Gewinne erzielt, muss die Einnahmen entsprechend versteuern.

Umgekehrt kann eine selbstständige Tätigkeit, die über Jahre hinweg den Lebensunterhalt bestritten hat, in eine Liebhaberei übergehen. Das wäre beispielsweise der Fall, wenn ein Handwerk nach dem Renteneintritt nur noch in geringem Umfang und ohne Gewinnerzielung weiterbetrieben wird.

Liebhaberei oder nicht? Einige Beispiele

Wenn das Finanzamt Liebhaberei unterstellt, muss es eine der oben beschriebenen Konstellationen beweisen können. Solche Streitigkeiten führen oft zu Gerichtsverfahren. Einige Beispiele:

  • Der Inhaber eines Bootshandels erzielte über viele Jahre hinweg Verluste. Nach acht Jahren unterstellte das Finanzamt Liebhaberei. Der Mann klagte. Sein Argument: Es habe zwar objektiv keine Gewinnprognose gegeben, subjektiv aber sehr wohl einen Gewinn angestrebt. Da der Absatz von Booten stagnierte, habe er den Versand von Zubehör begonnen, Kleingeräte ins Sortiment aufgenommen, Werbung betrieben, eine Filiale eröffnet und Kosten reduziert. Der Bundesfinanzhof befand, die Ernsthaftigkeit dieser Umstrukturierungsversuche müsse für die Einordnung als Liebhaberei genau geprüft werden. (BFH, 21. 7. 2004 – X R 33/03).
  • Ein Mann mit „nicht unerheblichem Immobilien- und Kapitalvermögen“ gründete einen Verlag. Allerdings erschienen während der ersten sechs Jahre nur drei Bücher: Die Trilogie eines unbekannten Schriftstellers, die sich sehr schleppend verkaufte. Das Finanzamt verweigerte nach einer Betriebsprüfung die Anerkennung der Verluste und änderte rückwirkend die Einkommensteuerbescheide. Der BFH entschied, dass die Einordnung als Liebhaberei zumindest während einer Anlaufphase von fünf Jahren nur in Ausnahmefällen möglich sei. Wenn die Gründung vor allem auf persönlichen Neigungen und Interessen beruhe, sei ein schlüssiges Betriebskonzept Voraussetzung für die steuerliche Anerkennung der Verluste (BFH, 23.05.2007 - X R 33/04).
  • Eine angestellte Geschäftsführerin hatte nebenbei eine Modeboutique, in der zunächst mehrere Angestellte und später nur noch eine Bekannte von ihr arbeiteten. Die Boutique, die von 2007 bis 2018 bestand, war durchgehend defizitär. Das Finanzamt erkannte die Verluste nur für eine Anlaufphase von sechs Jahren an. Für die restlichen Jahre, in denen Verluste von mehr als 800.000 Euro anfielen, ging das Finanzamt von Liebhaberei aus. Seiner Meinung nach hätte die Boutique früher eingestellt werden müssen. Die Frau legte einen Eilantrag gegen den Bescheid ein. Das Finanzgericht hielt ihr entgegen, der Standort der Boutique in einem kleinen Wintersportort sei unpassend gewählt. Sie habe nach Ende der Anlaufphase „trotz ihrer betriebswirtschaftlichen Kenntnisse als Geschäftsführerin“ kein schlüssiges Betriebskonzept entwickelt. Das Fehlen geeigneter Umstrukturierungsmaßnahmen sei Indiz für ihre fehlende Gewinnerzielungsabsicht. Als mögliche persönliche Motive nannte das Finanzgericht die Versorgung der ihr nahestehenden Verkäuferin und die gesellschaftliche Akzeptanz am Wintersportort (FG München, 09.10.2018 - 2 V 2143/18).

Fazit: Der Unterstellung von Liebhaberei lässt sich vorbeugen

  • Man darf sich sehr wohl mit etwas selbstständig machen, das einem persönlich wichtig ist: etwa mit einer Segelschule, einer Kunstgewerbe-Werkstatt, mit Kochseminaren oder Naturführungen. Dagegen kann das Finanzamt nichts einwenden, selbst wenn der wirtschaftliche Erfolg auf sich warten lässt. Die Finanzgerichte verlangen allerdings, dass Selbstständige ihre unternehmerische Tätigkeit in einer Form betreiben, die Einnahmen perspektivisch zumindest möglich macht. Wer das Hobby zum Beruf macht, muss das Projekt auch wirtschaftlich mit dem nötigen Ernst verfolgen.
  • Ein Businessplan mit nachvollziehbarer, ausformulierter Finanzplanung ist das beste Argument gegen die Behauptung, die Selbstständigkeit sei „von Anfang an erkennbar ungeeignet, auf Dauer einen Gewinn zu erbringen“.
  • Das Gleiche gilt, wenn Geschäftskonzepte nicht wie geplant aufgehen. Angesichts anhaltender Verluste belegen Analysen, Anpassungen und Umstrukturierungen, dass es Ihnen ernst ist mit der Gewinnerzielung. Dokumentieren Sie Ihre Maßnahmen und Überlegungen!
  • Je näher Ihre selbstständige Tätigkeit am Bereich von Hobby und Freizeitgestaltung liegt, umso leichter droht Ihnen bei roten Zahlen die Einordnung als Liebhaberei. Das Gleiche gilt bei Verlusten, die sich etwa in Form von Abschreibungen zwar in der Buchführung ergeben, sie aber persönlich nicht ärmer machen, da sie ohnehin angefallen wären.
  • Und vor allem: Lassen Sie sich nicht verunsichern, wenn das Finanzamt von Liebhaberei spricht. Im Normalfall stehen Ihnen ab Gründung mindestens fünf Jahre zu, um in die Gewinnzone zu kommen. Auch danach gibt es in vielen Fällen konkrete Argumente, warum trotz roter Zahlen eine echte Gewinnerzielungsabsicht vorliegt. Ihr Steuerberater oder eine Anwältin für Steuerrecht helfen Ihnen weiter.

 

Zum Weiterlesen

Die Finanzverwaltung listet ihre Anmerkungen zum Thema Liebhaberei in Punkt R 15.3 der Einkommensteuerhinweise auf.


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