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Mietminderung bei Gewerbemietvertrag

Geschrieben von orgaMAX Redaktionsteam | 17.08.22 11:15

Wenn die Gewerberäume einen erheblichen Mangel aufweisen, dürfen grundsätzlich auch Gewerbemieter einen Teil der Miete zurückbehalten. Die Mietminderung ist allerdings an einige Voraussetzungen geknüpft. Sie kann zum Beispiel im Mietvertrag ausgeschlossen sein. Dann führt eine Mietminderung schnell zur außerordentlichen Kündigung.

Welche Art von Mangel berechtigt im Gewerbemietrecht zur Mietminderung?

Damit bei einem Gewerbemietverhältnis eine Mietminderung in Frage kommt, muss eine der folgenden Voraussetzungen vorliegen:

  • Die Büro-, Lager-, Werkstatt- oder Ladenräume weisen einen erheblichen Sachmangel auf, der die geschäftliche Nutzung deutlich erschwert oder einschränkt. Beispiel: Die Räume können nicht beheizt werden oder es regnet durchs Dach.
  • Die Räumlichkeiten weisen einen erheblichen Rechtsmangel auf, der sie für den im Mietvertrag vereinbarten Geschäftszweck untauglich macht. Beispiel: Die Räumlichkeiten werden für den Betrieb einer Apotheke vermietet, sie erfüllen jedoch nicht die baurechtlichen Vorschriften der Apothekenbetriebsordnung, weil ein Laborraum und ausreichende Lagerräume fehlen.
  • Eine Eigenschaft der Räumlichkeiten, die im Mietvertrag zugesichert wurde, fehlt bzw. besteht nicht mehr. Beispiel: Die Kundenparkplätze vor dem Laden, die der Mietvertrag zusichert, nutzt der Vermieter zum Lagern von Baumaterial.

Rechtsgrundlage ist der Anspruch auf eine „angemessen herabgesetzte“ Miete bei geminderter Tauglichkeit gemäß § 536 BGB.

Wann ist eine Mietminderung ausgeschlossen?

Allerdings gibt es auch Umstände, die selbst in den genannten Fällen eine Mietminderung ausschließen:

  • Vor einer Mietminderung muss der Mieter den Vermieter auf den Mangel oder das Problem hinweisen und ihm eine angemessene Zeit zur Beseitigung einräumen. Vorher ist eine Mietminderung nicht zulässig.
  • Ein Sachmangel berechtigt dann nicht zur Kürzung der Miete, wenn der Mieter ihn selbst zu verantworten hat. Das umfasst auch Schäden, die Kunden, Besucher oder Mitarbeiter des mietenden Unternehmens verursacht haben. Wenn der Selbstständige wegen des seit Wochen ausgefallenen Lastenaufzugs die Miete kürzt, sollte er sicher sein, dass es nicht seine eigenen Lieferanten waren, die den Aufzug überladen haben.
  • Ein mietvertraglich vereinbartes, aber fehlendes Ausstattungsmerkmal berechtigt dann nicht zur Mietminderung, wenn dem Mieter das Fehlen bei Übernahme der Räumlichkeiten bekannt war. Gleiches gilt, wenn ihm das Fehlen nur aus Fahrlässigkeit nicht aufgefallen ist. Wer erst nach zwei Jahren entdeckt, dass die im Mietvertrag verzeichnete Hintertür nicht existiert, kann die Miete deshalb nicht mindern.
  • Ähnlich liegt der Fall, wenn der Mangel vom Mieter längere Zeit akzeptiert wurde. Wer die hässlichen Flecken an der Decke erst drei Jahre nach dem Wasserschaden zum Grund für eine Mietminderung nimmt, wird vor Gericht Argumentationsprobleme haben.

Um wie viel darf gemindert werden?

Grundsätzlich muss die Mietminderung dem Mangel entsprechen. Ist die Nutzung im Sinne des Gewerbemietvertrags gar nicht mehr möglich, kann die Miete bis auf null gemindert werden.

In der Praxis existiert eine Reihe von Gerichtsurteilen, die Minderungsquoten in konkreten Fällen festlegen und als Orientierung dienen können. Eine objektive Bewertungsliste gibt es ansonsten nicht. Auch deshalb empfiehlt es sich nicht unbedingt, eine Mietminderung ohne Rechtsberatung durchzuführen.

Ausschluss der Mietminderung im Mietvertrag

Viele Gewerbemietverträge enthalten eine Klausel, wonach die Minderung der Miete, die Aufrechnung von Forderungen und das Zurückbehaltungs- bzw. Leistungsverweigerungsrecht bei Nichterfüllung des Vertrags ausgeschlossen sind. Anders als bei Wohnmietverträgen ist das im Gewerbemietrecht möglich.

In diesem Fall muss der Mieter auch bei berechtigten Mängeln die Miete voll bezahlen und seine eigenen Forderungen gesondert geltend machen (so z. B. OLG Brandenburg, 04.02.2020 - 3 U 34/19). Allerdings hat der Bundesgerichtshof festgestellt, dass Klauseln zum Ausschluss der Mietminderung der sogenannten Inhaltskontrolle für AGB (§ 307 BGB) unterliegen, wenn sie „formularmäßig“, d. h. als Teil eines Mustervertrags verwendet werden. Das bedeutet in der Praxis: Nutzt der Vermieter einen Muster-Mietvertrag, muss die entsprechende Klausel sehr genau festlegen, wann genau die Mietminderung ausgeschlossen ist. Ein umfassender Ausschluss ohne nähere Qualifizierung ist unwirksam. Dann kann der Gewerbemieter bei erheblichen Mängeln doch einen Teil der Miete zurückbehalten (vgl. BGH, 06.04.2016 - XII ZR 29/15).

Eine unberechtigte Mietminderung berechtigt zur außerordentlichen Kündigung

Wenn sich herausstellt, dass die Mietminderung unberechtigt war, liegt ein Zahlungsverzug vor. Der wiederum berechtigt den Vermieter spätestens nach der zweiten nicht voll bezahlten Monatsmiete zur außerordentlichen Kündigung (§ 543 Abs.2 Nr. 3 BGB).

Deshalb ist eine Mietminderung im Gewerbemietrecht vergleichsweise riskant. Kann man nicht beweisen, dass der Mangel auf das Konto des Vermieters geht, darf dieser einen fristlos vor die Tür setzen. Die ausstehende Miete schuldet man ihm trotzdem. Allerdings gibt es auch die umgekehrte Möglichkeit: Sind die Mängel so gravierend, dass eine vertragsmäßige geschäftliche Nutzung der Räume ausgeschlossen ist, kann man auch als Mieter außerordentlich und ohne Kündigungsfrist kündigen, wenn der Vermieter das Problem nicht in angemessener Zeit abstellt.

Praxisbeispiele für Mietminderung – und mögliche Konfliktthemen:

  • Der Vermieter lässt die Abwasserrohre im Gewerbehof erneuern. Kunden können das Ladengeschäft nur noch erreichen, wenn sie die Baustelle durchqueren. Der Umsatz bricht ein. Als Reaktion auf die Mietminderung der Ladenbetreiberin argumentiert der Vermieter, er habe sie schon vor dem Einzug über die anstehenden Bauarbeiten informiert.
  • In den Lagerräumen, die das Textilhandelsunternehmen nutzt, bildet sich Schimmel an mehreren Wänden. Er gefährdet die Gesundheit der Mitarbeiter und den Zustand der Ware. Das Unternehmen kürzt die Mietzahlung. Der Vermieter führt die Schimmelbildung darauf zurück, dass die Belüftungsanlage nicht betrieben wurde.
  • Der Betreiber des Einkaufscenters vermietet die Räumlichkeiten neben dem Modegeschäft an eine andere Bekleidungsboutique. Die Inhaberin beruft sich auf die Konkurrenzschutz-Pflicht des Vermieters (sie wird aus § 535 BGB abgeleitet) und mindert die Miete. Der Vermieter argumentiert, dass die beiden Läden ein unterschiedliches Kundensegment ansprechen und der Anspruch auf Konkurrenzschutz deshalb nicht greift.

Fazit: Ansprüche durchsetzen ja, aber nicht ohne Beratung

Wenn Mängel an den gemieteten Räumlichkeiten den Geschäftsbetrieb stören oder unmöglich machen, ist das ausgesprochen ärgerlich. Trotzdem sollten Unternehmer und Selbstständige nicht einfach spontan die Miete mindern. Der erste Blick muss dem Text des Mietvertrags gelten. Und auch dann hängt die Möglichkeit einer Mietminderung von den konkreten Umständen ab: Sind die Klauseln im Mietvertrag wirksam? Rechtfertigt der Mangel eine Minderung, und wenn ja in welcher Höhe? Ist die Beweislage klar genug, um einen Konflikt zu riskieren? Was, wenn der Vermieter fristlos kündigt?

Angesichts der Unwägbarkeiten ist eine anwaltliche Beratung meist der sinnvollste erste Schritt. Im Zweifel spart man sich den plötzlichen Rausschmiss bei gleichzeitiger Pflicht, die Miete trotzdem nachzahlen zu müssen. In anderen Fällen ist die Mietminderung dagegen das beste Mittel, um säumige Vermieter auf Trab zu bringen.


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