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„Schnupperrückkehr“ aus der Erwerbsminderung: Neues Modell für Erwerbsminderungsrentner

6. Mär. 2024
6 MIN

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Wenn die gesundheitlichen Probleme mit der Zeit weniger gravierend werden, erweist sich die Erwerbsminderungsrente oft als Sackgasse: die Rückkehr ins normale Berufsleben ist schwierig. Jetzt können Betroffene sechs Monate lang eine Beschäftigung oder eine Selbstständigkeit mit normalen Arbeitszeiten ausprobieren, ohne ihren Rentenanspruch zu gefährden. Die „Arbeitserprobung“ bietet Chancen für die Gründung aus Erwerbsminderung und für Arbeitgeber auf der Suche nach Fachkräften.

 

Erwerbsminderungsrente: Neue Option zur Rückkehr in den Beruf

Seit dem 01. Januar 2024 haben Bezieher von Erwerbsminderungsrenten eine neue Möglichkeit, um ins Arbeitsleben zurückzukehren. Sie können eine Zeitlang, in der Regel sechs Monate, eine Vollzeit- oder Teilzeitarbeit ausüben, ohne ihren Rentenanspruch zu verlieren. Das gilt sowohl für eine Beschäftigung wie für eine Selbstständigkeit.

Die Deutsche Rentenversicherung nennt das Modell „Arbeitserprobung“, Die Beschränkung der täglich möglichen Arbeitszeit auf drei beziehungsweise sechs Stunden, sonst Voraussetzung für die Erwerbsminderungsrente, muss während dieser Erprobungsphase nicht beachtet werden. Das Einkommen, dass in dieser Phase erzielt wird, wird auf den Rentenbezug angerechnet, wenn es die Hinzuverdienstgrenze überschreitet (mehr dazu unten). Eine Rückzahlung der während der Erprobung bezogenen Rente droht jedoch nicht.

Ein Antrag ist für die Arbeitserprobung nicht notwendig. Es genügt, den Rentenversicherungsträger über den Plan zu informieren und dazu die tägliche und wöchentliche Arbeitszeit, eine kurze Tätigkeitsbeschreibung und das voraussichtliche, geschätzte Einkommen mitzuteilen.

Die Möglichkeit zur Arbeitserprobung beruht auf einer neu ins Sozialgesetzbuch eingefügten Regelung (§ 43 Abs. 7 SGB VI).

 

Möglichkeiten für Arbeitgeber – und für die Gründung aus Erwerbsminderung

Chronische Erkrankungen, die zur Erwerbsminderung führen, verlieren mit ausreichend Zeit und guter Behandlung oft viel von ihrer negativen Wirkung. So kann eine gute Medikamenteneinstellung die Alltagsfolgen schwerer Stoffwechselprobleme abmildern. Depressionen, Angstzustände oder Suchtproblematiken, häufigste Ursache von Erwerbsminderung, lassen sich oft erfolgreich therapieren. Selbst wenn die Betroffenen nicht vollständig geheilt sind, fühlen sie sich bereit, allmählich wieder „richtig“ zu arbeiten.

Trotzdem zögern viele Betroffene, die Erwerbsminderungsrente komplett aufzugeben. Der direkte Sprung ins kalte Wasser des Berufslebens ist riskant: Was, wenn durch den Stress die Depression, das Asthma oder das Rheuma wieder voll durchschlagen?

In dieser Situation senkt die Arbeitserprobung Hürden und schafft in doppelter Hinsicht Chancen:

  • Arbeitgeber können Fachkräften, die aufgrund gesundheitlicher Probleme aus dem Berufsleben ausgeschieden sind, eine Testphase zur Rückkehr anbieten. Dass die Erwerbsminderungsrente als Rückfallposition erhalten bleibt, bietet beiden Seiten Sicherheit.
  • Wer eine volle oder teilweise Erwerbsminderungsrente bezieht, kann eine Selbstständigkeit beginnen und dabei den Rentenbezug als finanziellen Fallschirm für die ersten sechs Monate nutzen – also in der Zeit, in der ohnehin meist kaum Gewinn anfällt. Erweist sich die Belastung durch die Existenzgründung als zu groß, steht die unbürokratische Rückkehr in die Erwerbsminderungsrente offen.

 

Hinzuverdienst und Anrechnung bei Erwerbsminderungsrente

Bis zu dieser neuen Option gab es nur die Möglichkeit, sich in begrenztem Rahmen und dafür dauerhaft etwas zur Erwerbsminderungsrente hinzuzuverdienen. Bei dem zeitlich unbeschränkten Zuverdienst muss jedoch die Beschränkung auf drei beziehungsweise sechs Arbeitsstunden pro Tag beachtet werden.

Außerdem wird Einkommen ab der individuell geltenden Hinzuverdienstgrenze auf den Rentenbetrag angerechnet. Das gilt für den dauerhaften Zuverdienst wie für die sechsmonatige Arbeitserprobung. Die Hinzuverdienstgrenzen werden jährlich neu festgesetzt.

  • Die Hinzuverdienstgrenze bei teilweiser Erwerbsminderung (tägliche Arbeitsfähigkeit von drei bis sechs Stunden) liegt 2024 bei mindestens 117,50 Euro pro Jahr, das entspricht 3093,16 Euro pro Monat. Je nach dem Einkommen vor Eintritt der teilweisen Erwerbsunfähigkeit kann diese Grenze auch höher liegen.
  • Bei voller Erwerbsminderung (tägliche Arbeitsfähigkeit unter drei Stunden) ist 2024 ein anrechnungsfreier Hinzuverdienst von bis zu 558,75 Euro möglich, entsprechend 1.546,56 Euro monatlich.

 

Hintergrund: die Erwerbsminderungsrente

Viele Beschäftigte sind irgendwann in ihrem Arbeitsleben mit gesundheitlichen Problemen konfrontiert, die ihnen ein normales Berufsleben sehr erschweren oder ganz unmöglich machen. Früher einmal gab es in solchen Fällen eine Berufsunfähigkeitsrente oder Erwerbsunfähigkeitsrente. Das ist schon lange vorbei.

Seit 2001 gibt es nur noch den Rentenantrag wegen „voller Erwerbsminderung“ oder „teilweiser Erwerbsminderung“. Voraussetzung für die Bewilligung ist, dass man aus gesundheitlichen Gründen nur eingeschränkt arbeiten kann und Reha-Maßnahmen keinen Weg zurück in den Beruf versprechen.

  • Wer noch zwischen drei und sechs Stunden pro Arbeitstag arbeiten kann, erhält eine teilweise Erwerbsminderungsrente.
  • Wer nur drei oder weniger Stunden pro Tag schafft, bekommt eine volle Erwerbsminderungsrente.

Die Erwerbsminderungsrenten reichen selten aus, um den bisherigen Lebensstandard zu halten. Der durchschnittliche Zahlbetrag vor Steuern bei voller Erwerbsminderung lag im Jahr 2022 bei 1.007 Euro pro Monat. Die individuelle Rentenhöhe hängt vom jeweiligen Rentenanspruch ab, in erster Linie von den erreichten Beitragszeiten. Dabei werden die erreichten Rentenpunkte um eine sogenannte Zurechnungszeit ergänzt: eine fiktive Beitragszeit, als hätte man mit gleichem Einkommen bis zur Regelaltersgrenze weitergearbeitet.

 

Bitte beachten Sie: Für den Rentenbezug genügt es nicht, dass man im angestammten Beruf nicht mehr arbeiten kann. Eine Friseurin mit schweren Kontaktallergien, die nicht mehr mit Kosmetika und Haarspray hantieren darf, hat deshalb noch keinen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente, solange sie etwa als Kellnerin oder Verkäuferin weiter voll einsatzfähig ist.

 

 

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