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Schuldner in einem anderen EU-Land? Offene Forderungen im EU-Ausland

Geschrieben von orgaMAX Redaktionsteam | 13.12.23 13:23

Ihr Kunde bezahlt nicht, dummerweise liegt seine Adresse in einem anderen EU-Land? Kein Grund, die Forderung abzuschreiben. Für das Inkasso über EU-Grenzen hinweg gibt es mehrere Optionen.

Auftrag ausgeführt, Kunde zahlt nicht …

Zumindest ab und an kommt es vor, dass Kunden nicht bezahlen – obwohl die Lieferung oder die Dienstleistung korrekt abgewickelt und eine fehlerfreie Rechnung gestellt wurde. Wenn selbst gut formulierte Zahlungserinnerungen keine Reaktion bringen, bleibt nur der Übergang zu härteren Bandagen.

  • Hat Ihr Schuldner seinen Wohnsitz oder Unternehmenssitz in Deutschland, ist in der Regel das gerichtliche Mahnverfahren der nächste Schritt. Es läuft weitgehend automatisiert ab. Das Mahnverfahren bietet sich an, wenn Ihr Gläubiger die Forderung voraussichtlich nicht bestreitet – also nicht behaupten wird, dass er Ihnen gar kein Geld schuldet oder zumindest nicht so viel.
  • Falls Sie mit Widerspruch rechnen, ist eine Zahlungsklage sinnvoller. Sie kann alternativ dann erfolgen, wenn das gerichtliche Mahnverfahren zu einem Widerspruch des Schuldners führt. Zuständig für Zahlungsklagen ist bei Forderungen bis 5.000 Euro das Amtsgericht, bei höheren Forderungen das Landgericht. Am Landgericht herrscht Anwaltszwang, am Amtsgericht geht es auch ohne, selbst wenn der Verzicht auf anwaltliche Beratung je nach Sachlage nicht unbedingt empfehlenswert ist. Ihre Anwalts- und Gerichtskosten können Sie zusätzlich vom Schuldner einfordern – wenn der Forderungseinzug glückt.

Am Ende steht in beiden Fällen ein Titel. Sobald Ihre Forderung tituliert wurde, haben Sie gewissermaßen eine Bescheinigung darüber, dass Ihnen ein entsprechender Geldbetrag zusteht. Damit können Sie im nächsten Schritt die Zwangsvollstreckung veranlassen, zum Beispiel die Pfändung von Konten, Ansprüchen des Schuldners gegen Dritte oder von Wertgegenständen.

Etwas komplizierter: Forderungseinzug bei Schuldnern in einem anderen EU-Staat

Wenn der Wohn- oder Firmensitz des Schuldners in einem anderen EU-Land liegt, wird es etwas komplizierter. Allerdings gibt es auch dann gute Möglichkeiten, um als Gläubiger an Geld kommen. Dafür stehen Ihnen grundsätzlich drei verschiedene Wege offen:

  • Wie bei einer „innerdeutschen“ Forderung können Sie auf Zahlung klagen. In diesem Fall muss dafür jedoch zunächst geklärt werden, in welchem Land und nach welchem Recht die Klage zu erfolgen hat.
  • Um das Durchsetzen grenzüberschreitender Forderungen einfacher zu machen, gibt es in der EU alternativ das vereinfachte „Small-Claims-Verfahren“. Es lässt sich ohne Anwalt betreiben, steht aber nur für Beträge bis 5.000 Euro offen.
  • Für unbestrittene Forderungen gibt es zudem die Möglichkeit, einen Europäischen Zahlungsbefehl zu erwirken. Kommt es zu keinem Widerspruch des Schuldners, erhält man so innerhalb von 30 Tagen einen vollstreckbaren Titel, der Pfändungsmaßnahmen im jeweiligen EU-Land ermöglicht.

Die grenzüberschreitende Zahlungsklage

Eine reguläre Zahlungsklage ist auch dann möglich, wenn der Gläubiger seinen Sitz in Deutschland und der Schuldner seinen Sitz in einem anderen EU-Land hat. Ein einheitliches Vorgehen gibt es dabei nicht. Zunächst muss erst einmal geklärt werden, wo der Gerichtsstand liegt und welches materielle Recht gilt. Das wiederum hängt vor allem davon ab, was vertraglich vereinbart wurde.

Eine wichtige Besonderheit besteht, wenn der Schuldner ein Verbraucher oder eine Verbraucherin ist: In diesem Fall liegt gemäß EU-Recht der Gerichtsstand stets an deren Wohnort. Davon ausgenommen ist nur Dänemark. Der Shop-Betreiber muss den französischen Privatkunden, der die Rechnung nicht begleicht, also in Frankreich verklagen.

Anders ist es zwischen Geschäftsleuten:

  • Wenn Sie als deutscher Grafikdesigner aus Frankfurt die Corporate Identity eines Unternehmens in Wien, Malmö oder Barcelona gestalten oder als Händler Elektronik dorthin liefern, kann für das Vertragsverhältnis deutsches Recht gelten oder die einschlägigen Gesetze Österreichs, Schwedens oder Spaniens. Auch die Geltung von internationalem Warenkaufrecht (UN-Kaufrecht) kann festgelegt werden.
  • Ähnlich ist es mit dem Gerichtsstand: Der kann laut Vereinbarung in Frankfurt liegen oder in Wien, Malmö oder Barcelona. Ein Gerichtsstand an weiteren Orten ist ebenfalls möglich.
  • Schließlich enthalten grenzüberschreitende Verträge, in denen es um größere Beträge geht, häufig Streitbeilegungsklauseln. Dann muss vor dem Gang vor Gericht erst ein Schiedsgericht angerufen werden.

Unter Umständen kommt man um eine Klage im Ausland nicht herum. Es ist sogar möglich, dass ein deutsches Gericht das Recht eines anderen EU-Landes anwendet oder umgekehrt. Es kann also kompliziert sein. Ohne Anwalt, der das Vertragsverhältnis prüft und die rechtlichen Schritte betreut, wird es in den meisten Fällen kaum gehen. Besondere Komplexität droht, wenn die AGB beider Seiten unterschiedliche Festlegungen zum Gerichtsstand oder zum anwendbaren Recht treffen.

Immerhin: Wenn der Rechtsstreit nur EU-Länder betrifft, werden die Entscheidungen des Gerichts im einen Land im anderen Land anerkannt. Hat der deutsche Grafikdesigner vor dem Frankfurter Gericht eine titulierte Forderung gegen das Wiener Unternehmen erwirkt, kann er eine Vollstreckbarkeitsbescheinigung beantragen. Mit dieser lässt sich in Österreich beim zuständigen Bezirksgericht die „Exekution“ beantragen, beispielsweise eine Kontenpfändung.

Deutlich einfacher: das Small-Claims-Verfahren

Solange die Forderung aus einer Zivil oder Handelssache stammt und 5.000 Euro nicht überschreitet, gibt es eine wesentlich unaufwändigere Alternative: das „europäische Verfahren für geringfügige Forderungen“, oft auch als Small-Claims-Verfahren bezeichnet. Selbständige aus Deutschland können es sowohl für Unternehmen wie für Verbraucher aus einem anderen EU-Staat wählen, die ihnen Geld schulden. Einzige Ausnahme ist Dänemark. Außerdem kann das Verfahren nicht für arbeitsrechtliche und Unterhaltsforderungen genutzt werden.

Für das Verfahren fallen Gebühren an, die vom jeweiligen Land abhängen. Sie liegen allerdings deutlich unter den Rechtskosten, die ein reguläres Zivilverfahren verursacht. Weiterer Vorteil: Beim Small-Claims-Verfahren hat das Gericht eine Entscheidung innerhalb von 30 Tagen zu treffen. Wird die Forderung vom Gericht anerkannt, darf der Gläubiger ohne zusätzliche Vollstreckbarerklärung im anderen EU-Land direkt Zwangsvollstreckungsmaßnahmen wie die Pfändung einleiten.

Das zuständige Gericht kann wie bei regulären Zahlungsklagen in Deutschland oder im anderen EU-Land liegen, das hängt auch beim Small-Claims-Verfahren vom Fall ab, etwa vom möglichen Verbraucherstatus des Schuldners. In Deutschland sind Amtsgerichte für das Small-Claims-Verfahren zuständig. Es läuft über Formblätter, die zwischen dem Gläubiger, dem Gericht und dem Schuldner ausgetauscht werden. Ein Anwalt ist nicht notwendig. Meist ergeht direkt eine schriftliche Entscheidung. In einzelnen Fällen kommt es zur mündlichen Verhandlung in Form einer Videokonferenz.

Besonders einfach: Das europäische Mahnverfahren mit europäischem Zahlungsbefehl

Schließlich gibt es noch das europäische Mahnverfahren, an dessen Ende bei Erfolg der Erlass eines europäischen Zahlungsbefehls steht. Es ist ebenfalls für grenzüberschreitende Forderungen bis 5.000 Euro gedacht und für alle EU-Länder außer Dänemark möglich. Wie das gerichtliche Mahnverfahren in Deutschland bietet es sich an, wenn die Forderung voraussichtlich nicht bestritten wird. Legt der Schuldner Widerspruch ein, werden statt des Mahnverfahren ein Small-Claims-Verfahren oder eine Zahlungsklage nötig.

Das Verfahren lässt sich online abwickeln. Allerdings fallen auch hierbei Gebühren an. Der Gläubiger füllt zunächst das „Formblatt A“ aus und übermittelt es an das zuständige Gericht in Deutschland oder im anderen EU-Land. Als europäisches Mahngericht Deutschland fungiert das Amtsgericht Berlin-Wedding. Belege, Vertragsunterlagen und andere Nachweise werden nicht benötigt. Das Gericht unternimmt die weiteren Schritte. Legt der Schuldner keinen Widerspruch ein, erhält der Gläubiger nach 30 Tagen einen europäischen Zahlungsbefehl, der automatisch vollstreckbar ist. Der Gläubiger kann damit direkt zur Pfändung übergehen oder die Forderung auf andere Weise geltend machen.

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