Für privat krankenversicherte Selbstständige, denen die Beiträge ihres regulären Tarifs zu teuer werden, gibt es Sozialtarife, die alle Versicherer anbieten müssen: den Basistarif, den Standardtarif und den Notlagentarif.
Die Corona-Krise hat gezeigt, wie schnell Selbstständige ohne eigenes Zutun finanziell in Bedrängnis geraten können. Betroffen ist dann auch die private Absicherung. Wer privat und in einem teuren Tarif versichert ist, hat grundsätzlich mehrere Möglichkeiten, zu reagieren:
Beraten lassen: Versicherte sollten nicht überstürzt reagieren, wenn die PKV-Beiträge zur Belastung werden. Viele Entscheidungen sind später nicht mehr reversibel. Auch Selbstständige können bei Fragen zur PKV eine Beratung der Verbraucherzentralen oder der Unabhängigen Patientenberatung nutzen. Beim Bundesgesundheitsministerium gibt es ein Bürgertelefon zur Krankenversicherung unter 030 340 606 601. Bei Konflikten mit dem Versicherer ist der PKV-Ombudsmann ein möglicher Ansprechpartner. |
Mit der Schaffung der allgemeinen Krankenversicherungspflicht wurden private Krankenversicherungen verpflichtet, ihren Mitgliedern einen Basistarif anzubieten. Der Leistungsumfang ist eng an das angelehnt, was gesetzlich Krankenversicherte von ihren Krankenkassen bezahlt bekommen. Die Tarifbedingungen des Basistarifs sind bei allen Versicherern gleich. Rechtsgrundlage ist § 152 VAG.
Private Krankenversicherungen müssen alle Selbstständige in den Basistarif aufnehmen, die bei ihnen privat krankenversichert sind. Einschränkungen gelten nur für Versicherte, die bereits vor 2009 privat krankenversichert waren: sie müssen über 55 sein, eine Rente beziehen oder finanziell vom Beitrag ihres regulären Tarifs überfordert sein. (Für diese Gruppe kommt alternativ der Standardtarif in Betracht, s.u.).
Anspruch auf Aufnahme in den Basistarif haben außerdem freiwillig gesetzlich Krankenversicherte mit Wechselberechtigung in die PKV, aber nur während der ersten sechs Monate. Aufnahmeberechtigt sind Selbstständige auch dann, wenn sie gar keine Krankenversicherung haben, etwa weil sie gerade aus dem Ausland zurückgekehrt sind. Keine Aufnahmepflicht gilt unter anderem für Bedürftige, Pflegebedürftige oder Asylsuchende.
In der Praxis bietet der Basistarif vor allem denjenigen Privatversicherten einen Ausweg, für die die regulären Tarife zum Beispiel aufgrund ihres Alters oder von Vorerkrankungen keine oder zumindest keine bezahlbare Alternative mehr darstellen. Anders als bei anderen PKV-Tarifen gibt es beim Basistarif keine Risikozuschläge oder Leistungsausschlüsse aufgrund des Alters oder des Gesundheitszustand. Es erfolgt auch keine Gesundheitsprüfung.
Im Basistarif werden Zuzahlungen wie bei gesetzlich Krankenversicherten fällig, beispielsweise für zahnärztliche Leistungen. Wer möchte, kann zusätzlichen Behandlungsbedarf – etwa Zahnersatz – im Basistarif in der Regel durch Zusatzversicherungen abdecken. Allerdings ist die Arztwahl eingeschränkt: reine Privatärzte können nicht mehr genutzt werden bzw. die Behandlung ablehnen. Auch Vertragsärzte der Kassenärztlichen Vereinigung sind anders als bei Kassenpatienten nicht zur Behandlung von Privatpatienten im Basistarif verpflichtet.
Ein Anspruch auf Rückkehr aus dem Basistarif in den regulären Tarif besteht nur innerhalb von zwei Jahren. Voraussetzung ist, dass der Wechsel aufgrund von Bedürftigkeit erfolgt war und diese nicht mehr vorliegt. Das muss der Versicherte dem Versicherer nachweisen (§ 204 Abs. 2 VVG). Wenn die zwei Jahre abgelaufen sind, muss der Versicherer in die Rückkehr einwilligen. Er muss dann nicht mehr die alten Tarifkonditionen gewähren und wird wohl eine erneute Gesundheitsprüfung fordern.
Wer bedürftig im Sinne des Sozialgesetzbuchs ist (§ 9 SGB II), muss nur die Hälfte des Höchstbeitrags zum Basistarif bezahlen. Ansprechpartner dafür ist der Versicherer. Wenn auch die Hälfte des Beitrags nicht selbst getragen werden kann, können die Jobcenter zusätzlich einen Anteil am halbierten Beitrag zum Basistarif übernehmen. Informationen dazu bietet ein Merkblatt der Arbeitsagentur.
Grundsätzlich kann der Zuschuss vom Jobcenter für Bedürftige auch für den regulären Tarif einer privaten Krankenversicherung genutzt werden. Das bietet sich zum Beispiel dann an, wenn der reguläre Tarif aufgrund der umfangreicheren Leistungen wichtig ist, beispielsweise für Selbstständige mit chronischer Erkrankung. In diesem Fall sollte der Antrag beim Jobcenter rechtzeitig vor dem zwangsweisen Wechsel in den Notlagentarif erfolgen!
Der Standardtarif ist ein anderer, einheitlicher Tarif der privaten Krankenversicherungen, der sich am Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung orientiert und den die Versicherer anbieten müssen. Er beruht auf einer bis Ende 2008 geltenden Gesetzesnorm (§ 257 Abs. 2a SGB V a. F.) und steht nur noch Versicherten offen, die schon vor 2009 privat krankenversichert waren und seither nicht in einen Unisex-Tarif gewechselt sind. Außerdem müssen Versicherte beim Wechsel …
Für diese Gruppe bietet der Standardtarif im Vergleich zum Basistarif, den sie ebenfalls wählen kann, in einigen Aspekten Vorteile. So liegt der maximale Beitrag niedriger als beim Basistarif: beim Standardtarif entspricht er dem Höchstbeitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung (2023: 728,18 Euro), zudem werden die erworbenen Altersrückstellungen angerechnet. Außerdem können sich Ehepaare gemeinsam für zusammen 150 Prozent des GKV-Höchstbeitrags im Standardtarif versichern. Dafür fällt die Selbstbeteiligung zum Teil höher aus, Krankentagegeld und Kuren sind nicht im Tarif enthalten.
Private Krankenversicherungen dürfen Versicherten, die ihre Prämien nicht bezahlen können, nicht einfach komplett kündigen. Sie werden vielmehr in den sogenannten Notlagentarif oder Nichtzahlertarif überführt. Ihr bisheriger Tarif ruht. Das Verfahren ist gesetzlich geregelt (§ 153 VAG).
Der Notlagentarif deckt nur besonders wichtige bzw. dringende Behandlungen ab:
Sämtliche Zusatzleistungen des regulären Tarifs fallen weg. Wer im Notlagentarif landet, kann kein Zweibettzimmer im Krankenhaus verlangen und sich keine alternativen Heilmethoden erstatten lassen. Bestehende Zusatzversicherungen kann der Versicherer im Notlagentarif ruhen lassen.
Im Gegenzug verringern sich die Prämien deutlich. Der Versicherer errechnet sie nicht individuell, sondern jeweils für alle betroffenen Versicherungsnehmer einheitlich. Sie liegen in der Regel bei bis zu 125 Euro im Monat. Im Notlagentarif gelten außerdem keine Selbstbehalte.
Für Versicherungszeiten im Notlagentarif werden keine Altersrückstellungen gebildet. Die angesammelten Rückstellungen werden vielmehr dazu genutzt, um bis zu 25 Prozent der Notlagentarif-Prämie zu begleichen. Das führt allerdings dazu, dass Versicherte die Rückstellungen neu aufbauen müssen, wenn sie die Beitragsschulden beglichen haben und in den angestammten Tarif zurückkehren.
Bitte beachten Sie:
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Der Wechsel vom regulären in den Notlagentarif erfolgt automatisch. Versicherte müssen dafür keine Anträge stellen. Umgekehrt hängt die Rückkehr in den alten Tarif nach Zahlung der Beitragsschulden nicht von der Einwilligung des Versicherers ab, sie ist gesetzlich vorgegeben. Der Prozess ist in § 193 Abs. 6 bis 10 VVG festgelegt:
Als Privatpatient ist man bei Ärzten und Kliniken im Allgemeinen gern gesehen. Für Versicherte in den Sozialtarifen gilt das nicht unbedingt. Das liegt daran, dass bei ihnen ärztliche Leistungen geringer vergütet werden. Bei akuten Beschwerden sind Ärzte jedoch zur Behandlung verpflichtet. In anderen Fällen dürfen Vertragsärzte der Kassenärztlichen Vereinigungen („Kassenärzte“) anders als bei GKV-Patienten die Behandlung verweigern.
Patienten im Notfall- oder Basistarif müssen Ärzten und Kliniken ihren Versicherungstarif direkt bei Beginn offenlegen. Wenn die private Versicherung eine Versicherten-Chipkarte ausstellt, ist die Information darauf gespeichert. Ohne Karte ist ein mündlicher Hinweis wichtig. Andernfalls ist der Arzt berechtigt, seine Leistung nach regulären GOÄ-Merkmalen abzurechnen. Die private Krankenversicherung ersetzt aber nur den geringeren Satz, und beim Notfalltarif nur die dort abgedeckte Basisversorgung.
Früher durften Versicherer offene Beitragsforderungen mit Ansprüchen der Versicherten auf Kostenerstattung oder Krankentagegeld aufrechnen. Das betraf auch den Notlagentarif. Inzwischen hat der Gesetzgeber die vom BGH mehrfach bestätigte Aufrechnungsmöglichkeit untersagt (§ 192 Abs. 7 VVG).