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Selbstständig und privat krankenversichert? Basis- und Notlagentarif

Geschrieben von orgaMAX Redaktionsteam | 16.05.23 06:53

Für privat krankenversicherte Selbstständige, denen die Beiträge ihres regulären Tarifs zu teuer werden, gibt es Sozialtarife, die alle Versicherer anbieten müssen: den Basistarif, den Standardtarif und den Notlagentarif.

Selbstständig, privat krankenversichert – und finanziell in der Klemme. Was nun?

Die Corona-Krise hat gezeigt, wie schnell Selbstständige ohne eigenes Zutun finanziell in Bedrängnis geraten können. Betroffen ist dann auch die private Absicherung. Wer privat und in einem teuren Tarif versichert ist, hat grundsätzlich mehrere Möglichkeiten, zu reagieren:

  • Wenn genügend Zeit bleibt, sollten Gespräche mit dem Versicherer der erste Schritt sein. Möglicherweise lassen sich die Prämien durch einen Tarifwechsel oder durch höhere Eigenbehalte auf ein bezahlbares Niveau absenken. Nachteil: die Leistungen werden geringer, und eine spätere Rückkehr in den ursprünglichen Tarif kann unmöglich oder schwierig werden. Zumindest droht eine erneute Gesundheitsüberprüfung.
  • Wer PKV-versichert ist, hat Anspruch darauf, in den Basistarif zu wechseln, den alle privaten Versicherer anbieten müssen. Wer schon vor 2009 privatversichert war, muss dafür bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Die Leistungen entsprechen der gesetzlichen Krankenversicherung, der maximale Beitrag orientiert sich an deren Höchstsatz. Wer aus finanzieller Bedrängnis in den Basistarif wechselt, hat allerdings nur zwei Jahre Zeit, um ohne erneute Gesundheitsprüfung in den alten Tarif zurückzukehren.
  • Wer schon vor 2009 privat krankenversichert war, kann alternativ in den Standardtarif wechseln, den private Versicherer ebenfalls anbieten müssen. Die Prämie ist in der Regel günstiger als beim Basistarif. Die Leistungen orientieren sich an denen der gesetzlichen Versicherung, sind allerdings nicht in jeder Beziehung gleichwertig.
  • Wer bedürftig im Sinne des Sozialrechts ist, muss nur die Hälfte des Beitrags zum Basistarif bezahlen. Zudem kann das Jobcenter einen Zuschuss leisten. Dieser kann bei Bedürftigkeit grundsätzlich auch zu anderen PKV-Tarifen gezahlt werden.
  • Wer mit zwei Monatsbeiträgen in Rückstand gerät, wird nach einer bestimmten Zeit vom Versicherer in den Notlagentarif überführt. Dann ist nur noch eine Minimalversorgung abgedeckt.

Beraten lassen: Versicherte sollten nicht überstürzt reagieren, wenn die PKV-Beiträge zur Belastung werden. Viele Entscheidungen sind später nicht mehr reversibel. Auch Selbstständige können bei Fragen zur PKV eine Beratung der Verbraucherzentralen oder der Unabhängigen Patientenberatung nutzen. Beim Bundesgesundheitsministerium gibt es ein Bürgertelefon zur Krankenversicherung unter 030 340 606 601. Bei Konflikten mit dem Versicherer ist der PKV-Ombudsmann ein möglicher Ansprechpartner.

 

Basistarif: private Krankenversicherung zu GKV-Bedingungen

Mit der Schaffung der allgemeinen Krankenversicherungspflicht wurden private Krankenversicherungen verpflichtet, ihren Mitgliedern einen Basistarif anzubieten. Der Leistungsumfang ist eng an das angelehnt, was gesetzlich Krankenversicherte von ihren Krankenkassen bezahlt bekommen. Die Tarifbedingungen des Basistarifs sind bei allen Versicherern gleich. Rechtsgrundlage ist § 152 VAG.

  • Im Basistarif darf der Beitrag höchstens so hoch sein wie er Höchstbeitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung (für ein Einkommen in Höhe der geltenden Beitragsbemessungsgrenze) plus der durchschnittlichen Zusatzbeitrag. 2023 kostet der Basistarif damit maximal 807,98 Euro pro Monat.
  • Im Basistarif Versicherte können zwischen Selbstbehalten von 300 Euro, 600 Euro, 900 Euro, 1.200 Euro und einer Versicherung ohne Selbstbehalt wählen.
  • Im Basistarif ist der Anspruch auf Krankentagegeld enthalten.
  • Altersrückstellungen dürfen in den Basistarif mitgenommen werden, wenn man beim selben Versicherer bleibt. Beim Wechsel zu einem anderen Versicherer bleiben sie jedoch nur zum Teil erhalten.
  • Für Kinder und Jugendliche muss eine Tarifvariante ohne Altersrückstellungen angeboten werden.

Private Krankenversicherungen müssen alle Selbstständige in den Basistarif aufnehmen, die bei ihnen privat krankenversichert sind. Einschränkungen gelten nur für Versicherte, die bereits vor 2009 privat krankenversichert waren: sie müssen über 55 sein, eine Rente beziehen oder finanziell vom Beitrag ihres regulären Tarifs überfordert sein. (Für diese Gruppe kommt alternativ der Standardtarif in Betracht, s.u.).

Anspruch auf Aufnahme in den Basistarif haben außerdem freiwillig gesetzlich Krankenversicherte mit Wechselberechtigung in die PKV, aber nur während der ersten sechs Monate. Aufnahmeberechtigt sind Selbstständige auch dann, wenn sie gar keine Krankenversicherung haben, etwa weil sie gerade aus dem Ausland zurückgekehrt sind. Keine Aufnahmepflicht gilt unter anderem für Bedürftige, Pflegebedürftige oder Asylsuchende.

In der Praxis bietet der Basistarif vor allem denjenigen Privatversicherten einen Ausweg, für die die regulären Tarife zum Beispiel aufgrund ihres Alters oder von Vorerkrankungen keine oder zumindest keine bezahlbare Alternative mehr darstellen. Anders als bei anderen PKV-Tarifen gibt es beim Basistarif keine Risikozuschläge oder Leistungsausschlüsse aufgrund des Alters oder des Gesundheitszustand. Es erfolgt auch keine Gesundheitsprüfung.

Im Basistarif werden Zuzahlungen wie bei gesetzlich Krankenversicherten fällig, beispielsweise für zahnärztliche Leistungen. Wer möchte, kann zusätzlichen Behandlungsbedarf – etwa Zahnersatz – im Basistarif in der Regel durch Zusatzversicherungen abdecken. Allerdings ist die Arztwahl eingeschränkt: reine Privatärzte können nicht mehr genutzt werden bzw. die Behandlung ablehnen. Auch Vertragsärzte der Kassenärztlichen Vereinigung sind anders als bei Kassenpatienten nicht zur Behandlung von Privatpatienten im Basistarif verpflichtet.

Ein Anspruch auf Rückkehr aus dem Basistarif in den regulären Tarif besteht nur innerhalb von zwei Jahren. Voraussetzung ist, dass der Wechsel aufgrund von Bedürftigkeit erfolgt war und diese nicht mehr vorliegt. Das muss der Versicherte dem Versicherer nachweisen (§ 204 Abs. 2 VVG). Wenn die zwei Jahre abgelaufen sind, muss der Versicherer in die Rückkehr einwilligen. Er muss dann nicht mehr die alten Tarifkonditionen gewähren und wird wohl eine erneute Gesundheitsprüfung fordern.

Basistarif: Halber Beitrag bei Bedürftigkeit

Wer bedürftig im Sinne des Sozialgesetzbuchs ist (§ 9 SGB II), muss nur die Hälfte des Höchstbeitrags zum Basistarif bezahlen. Ansprechpartner dafür ist der Versicherer. Wenn auch die Hälfte des Beitrags nicht selbst getragen werden kann, können die Jobcenter zusätzlich einen Anteil am halbierten Beitrag zum Basistarif übernehmen. Informationen dazu bietet ein Merkblatt der Arbeitsagentur.

Grundsätzlich kann der Zuschuss vom Jobcenter für Bedürftige auch für den regulären Tarif einer privaten Krankenversicherung genutzt werden. Das bietet sich zum Beispiel dann an, wenn der reguläre Tarif aufgrund der umfangreicheren Leistungen wichtig ist, beispielsweise für Selbstständige mit chronischer Erkrankung. In diesem Fall sollte der Antrag beim Jobcenter rechtzeitig vor dem zwangsweisen Wechsel in den Notlagentarif erfolgen!

Standardtarif

Der Standardtarif ist ein anderer, einheitlicher Tarif der privaten Krankenversicherungen, der sich am Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung orientiert und den die Versicherer anbieten müssen. Er beruht auf einer bis Ende 2008 geltenden Gesetzesnorm (§ 257 Abs. 2a SGB V a. F.) und steht nur noch Versicherten offen, die schon vor 2009 privat krankenversichert waren und seither nicht in einen Unisex-Tarif gewechselt sind. Außerdem müssen Versicherte beim Wechsel …

  • 65 sein, oder
  • 55 sein und ein Einkommen von maximal der besonderen Versicherungspflichtgrenze haben (2023: 59.950 Euro), oder
  • eine gesetzliche Rente beziehen und ein Einkommen maximal in Höhe der besonderen Versicherungspflichtgrenze haben.

Für diese Gruppe bietet der Standardtarif im Vergleich zum Basistarif, den sie ebenfalls wählen kann, in einigen Aspekten Vorteile. So liegt der maximale Beitrag niedriger als beim Basistarif: beim Standardtarif entspricht er dem Höchstbeitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung (2023: 728,18 Euro), zudem werden die erworbenen Altersrückstellungen angerechnet. Außerdem können sich Ehepaare gemeinsam für zusammen 150 Prozent des GKV-Höchstbeitrags im Standardtarif versichern. Dafür fällt die Selbstbeteiligung zum Teil höher aus, Krankentagegeld und Kuren sind nicht im Tarif enthalten.

Notlagentarif: Minimaltarif bei Beitragsrückständen

Private Krankenversicherungen dürfen Versicherten, die ihre Prämien nicht bezahlen können, nicht einfach komplett kündigen. Sie werden vielmehr in den sogenannten Notlagentarif oder Nichtzahlertarif überführt. Ihr bisheriger Tarif ruht. Das Verfahren ist gesetzlich geregelt (§ 153 VAG).

Der Notlagentarif deckt nur besonders wichtige bzw. dringende Behandlungen ab:

  • medizinische Versorgung bei akuten Erkrankungen oder Schmerzen
  • die Versorgung von Schwangeren sowie bei und nach der Geburt einschließlich der Vorsorgeuntersuchungen
  • die empfohlenen Schutzimpfungen sowie Früherkennungs- und Vorsorgeuntersuchungen für Kinder und Jugendliche

Sämtliche Zusatzleistungen des regulären Tarifs fallen weg. Wer im Notlagentarif landet, kann kein Zweibettzimmer im Krankenhaus verlangen und sich keine alternativen Heilmethoden erstatten lassen. Bestehende Zusatzversicherungen kann der Versicherer im Notlagentarif ruhen lassen.

Im Gegenzug verringern sich die Prämien deutlich. Der Versicherer errechnet sie nicht individuell, sondern jeweils für alle betroffenen Versicherungsnehmer einheitlich. Sie liegen in der Regel bei bis zu 125 Euro im Monat. Im Notlagentarif gelten außerdem keine Selbstbehalte.

Für Versicherungszeiten im Notlagentarif werden keine Altersrückstellungen gebildet. Die angesammelten Rückstellungen werden vielmehr dazu genutzt, um bis zu 25 Prozent der Notlagentarif-Prämie zu begleichen. Das führt allerdings dazu, dass Versicherte die Rückstellungen neu aufbauen müssen, wenn sie die Beitragsschulden beglichen haben und in den angestammten Tarif zurückkehren.

 

Bitte beachten Sie:

  • Wenn lediglich vorübergehende Zahlungsprobleme dazu führen, dass eine oder mehrere Prämien nicht rechtzeitig bezahlt werden, sollten Versicherte von sich aus ihren Versicherer ansprechen. Möglicherweise lässt sich der Wechsel in den Notlagentarif durch eine Stundungs- und Ratenzahlungsvereinbarung vermeiden.
  • Der Wechsel in den Notlagentarif bedeutet keine Stundung der Beitragsschulden. Der Versicherer kann weiterhin versuchen, seine offenen Forderungen zum Beispiel durch eine Pfändung zu vollstrecken.
  • Wer die Voraussetzungen für Bürgergeld (Nachfolger von ALG II) bzw. Grundsicherung erfüllt, kann vom Notlagentarif in den Basistarif wechseln und muss dort nur den halben Beitrag leisten (s.o.). Zusätzlich kann er dafür einen Zuschuss vom Jobcenter bzw. vom Sozialamt erhalten. Das hat den Vorteil, dass im Gegensatz zum Notlagentarif nicht nur eine medizinische Basisversorgung versichert ist.

 


Der Notlagentarif: So kommt man hinein und wieder heraus

Der Wechsel vom regulären in den Notlagentarif erfolgt automatisch. Versicherte müssen dafür keine Anträge stellen. Umgekehrt hängt die Rückkehr in den alten Tarif nach Zahlung der Beitragsschulden nicht von der Einwilligung des Versicherers ab, sie ist gesetzlich vorgegeben. Der Prozess ist in § 193 Abs. 6 bis 10 VVG festgelegt:

  • Sobald der PKV-Versicherte Beitragsschulden in Höhe von zwei Monatsbeiträgen hat, wird er von der privaten Krankenversicherung gemahnt.
  • Liegt zwei Monate nach Zugang der ersten Mahnung weiter ein Zahlungsrückstand in Höhe von einer Monatsprämie oder mehr vor, folgt eine zweite Mahnung.
  • Bestehen einen Monat nach Zugang der zweiten Mahnung weiterhin Beitragsschulden in Höhe von mindestens einer Monatsprämie, ruht der reguläre Versicherungstarif ab dem Folgemonat. Gleichzeitig beginnt die Versicherung im Notlagentarif.
    Der Wechsel dauert also in etwa ein halbes Jahr. Bei den Rückständen werden auch Säumniszuschläge mitberücksichtigt. Sie betragen ein Prozent der ausstehenden Betrags pro Monat.
  • Sobald der oder die Versicherte die ausstehenden Beitragsforderungen samt Säumniszuschlägen und den Kosten des Forderungsmanagements beglichen hat, kehrt er automatisch in den regulären Versicherungstarif zurück. Dieser beginnt mit dem übernächsten Monat nach Zahlungseingang.

Ärzte sind von Patienten im Sozialtarif nicht unbedingt begeistert

Als Privatpatient ist man bei Ärzten und Kliniken im Allgemeinen gern gesehen. Für Versicherte in den Sozialtarifen gilt das nicht unbedingt. Das liegt daran, dass bei ihnen ärztliche Leistungen geringer vergütet werden. Bei akuten Beschwerden sind Ärzte jedoch zur Behandlung verpflichtet. In anderen Fällen dürfen Vertragsärzte der Kassenärztlichen Vereinigungen („Kassenärzte“) anders als bei GKV-Patienten die Behandlung verweigern.

Patienten im Notfall- oder Basistarif müssen Ärzten und Kliniken ihren Versicherungstarif direkt bei Beginn offenlegen. Wenn die private Versicherung eine Versicherten-Chipkarte ausstellt, ist die Information darauf gespeichert. Ohne Karte ist ein mündlicher Hinweis wichtig. Andernfalls ist der Arzt berechtigt, seine Leistung nach regulären GOÄ-Merkmalen abzurechnen. Die private Krankenversicherung ersetzt aber nur den geringeren Satz, und beim Notfalltarif nur die dort abgedeckte Basisversorgung.

Wann dürfen die privaten Versicherer aufrechnen?

Früher durften Versicherer offene Beitragsforderungen mit Ansprüchen der Versicherten auf Kostenerstattung oder Krankentagegeld aufrechnen. Das betraf auch den Notlagentarif. Inzwischen hat der Gesetzgeber die vom BGH mehrfach bestätigte Aufrechnungsmöglichkeit untersagt (§ 192 Abs. 7 VVG).

  • Für privat Krankenversicherte, die im Basis- oder Notlagentarif versichert sind, gilt bei Beitragsrückständen ein Aufrechnungsverbot.
  • Wenn Ärzte Patienten behandeln, die im Notlagen- oder Basistarif versichert sind, können sie die Bezahlung auch direkt vom Versicherer einfordern, wenn das mit dem Patienten vereinbart wurde.

 

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