Für viele Unternehmer und Selbstständige ist die Lage schwierig geworden, so dass sie ans Aufhören denken. Doch die Geschäftsaufgabe kann zu hohen Steuern führen. Je nach Umständen kann eine „Betriebsunterbrechung auf Dauer“ als Alternative überlegenswert sein.
Vielen Selbstständigen und Unternehmen steht das Wasser derzeit bis zum Hals. Energiepreise und Inflation treiben die Kosten. Die Kauflaune bei Verbrauchern sinkt, die Investitionsbereitschaft von Geschäftskunden ebenfalls. Dazu kommen in vielen Bereichen gestörte Lieferketten. Vor diesem Hintergrund kann der Ausstieg aus der Selbstständigkeit ins Blickfeld rücken, beispielsweise der Wechsel in eine Beschäftigung.
Allerdings sollte die Aufgabe der Selbstständigkeit durchdacht erfolgen. Wenn Sie Ihr Unternehmen endgültig schließen, müssen Sie den sogenannten Aufgabegewinn versteuern. Das betrifft nicht nur mögliche Guthaben auf dem Geschäftskonto, die Sie aufs Privatkonto überweisen. Es geht um den Wert Ihres gesamten Anlage- und Betriebsvermögens und kann zu einer empfindlichen Belastung führen.
In manchen Fällen ist deshalb eine unbefristete Betriebsunterbrechung die sinnvollere Alternative zur endgültigen Schließung. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die selbstständige Tätigkeit deutlich zu reduzieren, als Selbstständigkeit im Nebenberuf aber auf niedrigem Level beizubehalten. Ob diese Optionen in Frage kommen, hängt stets vom Einzelfall ab. Es lohnt sich jedoch, die verschiedenen Szenarien durchzurechnen.
Das Finanzamt erwartet bei der Aufgabe eines Betriebs eine Versteuerung des Aufgabegewinns. Die Aufgabe des Unternehmens wird steuerlich so behandelt, als wäre es verkauft worden (§ 16 Abs. 3 EStG). Auch wenn es dort wörtlich um die Aufgabe des Gewerbebetriebs geht, gelten die entscheidenden Regelungen des Paragrafen auch für Freiberufler (§ 18 Abs. 3 EStG).
Den Veräußerungsgewinn können Sie nicht etwa per Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermitteln. Vielmehr müssen Sie dafür das gesamte materielle und immaterielle Vermögen Ihres Unternehmens bewerten. Einige Beispiele:
Oft wird eine Schlussbilanz erstellt, um das Betriebsvermögen zu erfassen. Schon deshalb lohnt es sich, die Betriebsauflösung nicht ohne Steuerberater durchzuführen. Dessen Gebühren können Sie als Teil der Aufgabekosten vom Aufgabegewinn abziehen.
In bestimmten Fällen gilt beim Aufgabegewinn ein Steuerfreibetrag: Dann, wenn der oder die Selbstständige mindestens 55 Jahre alt oder dauerhaft berufsunfähig ist. In diesem Fall dürfen sie vom Ausgabegewinn einen Freibetrag von 45.000 Euro abziehen (§ 16 Abs. 4 EStG).
Allerdings schrumpft der Freibetrag, wenn der Aufgabegewinn mehr als 136.000 Euro erreicht: Jeder Euro darüber wird wiederum vom Freibetrag abgezogen. Erreicht der Aufgabegewinn 181.000 Euro, muss er voll versteuert werden.
Der Freibetrag für Aufgabegewinne darf pro Person nur einmal geltend gemacht werden. Jede zukünftige Geschäftsaufgabe ist dann voll steuerpflichtig.
Für Selbstständige, die nahe an der Altersgrenze von 55 Jahren sind, kann es damit einen echten Anreiz geben, mit der Geschäftsaufgabe zu warten. Die fehlenden Monate oder selbst Jahre lassen sich durchaus auch mit einer Betriebsstilllegung oder einer nebenberuflichen Selbstständigkeit überbrücken.
Eine mögliche Alternative zur Geschäftsaufgabe: Sie führen Ihre Selbstständigkeit nebenberuflich fort. Damit fällt kein Aufgabegewinn an – das Unternehmen besteht ja weiter. Dafür genügt eine „Selbstständigkeit auf Sparflamme“.
Eine nebenberufliche Selbstständigkeit ist sogar dann möglich, wenn Sie sich arbeitslos bzw. arbeitssuchend melden. Allerdings dürfen Sie in diesem Fall nicht mehr als 15 Wochenstunden selbstständig tätig sein und müssen für eine Stellenvermittlung zur Verfügung stehen.
Wenn Sie von der hauptberuflichen Selbstständigkeit in einen Angestelltenjob wechseln, ist die nebenberufliche Selbstständigkeit erst recht kein Problem, solange Sie Ihrem neuen Chef keine Konkurrenz machen und Ihre Arbeitskraft seinem Unternehmen voll zur Verfügung steht. Sie sollten den Arbeitgeber allerdings von ihrem Nebenerwerb in Kenntnis setzen.
Da bei diesem Szenario die Sozialversicherungspflicht durch den Hauptberuf bzw. von der Arbeitsagentur abgedeckt wird, kann sich diese Variante rechnen. Und: Sollte sich die Marktlage wieder verbessern, können Sie jederzeit wieder voll in die Selbstständigkeit zurückkehren.
Eine weitere Möglichkeit ist die Betriebsunterbrechung. Versteuern müssen Sie in diesem Fall nichts. Solange sie grundsätzlich die Absicht haben, die selbstständige Tätigkeit später wiederaufzunehmen, liegt keine steuerpflichtige Betriebsaufgabe vor. Beim Gewerbeamt anzeigen müssen Sie die Unterbrechung ebenfalls nicht, auch nicht als Gewerbetreibender.
Allerdings hat auch diese Option einen Haken: Eine Selbstständigkeit kostenneutral einzumotten ist schwierig bis unmöglich. In der Regel fallen laufende Kosten an, z. B. die Miete für Garagen oder Lagerräume, die Jahresgebühren für Softwarelizenzen, Kammerbeiträge oder Wartungskosten für Maschinen. Diese Ausgaben stellen selbst bei ruhender Geschäftstätigkeit Betriebsausgaben dar. Sie können mit den Einnahmen z. B. aus nachträglich bezahlten Rechnungen verrechnet werden, oder auch mit dem in Vorjahren erzielten Gewinn. Das nennt man Verlustrücktrag. Alternativ können Sie die Verluste „mitnehmen“ und als Verlustvortrag mit Einkünften in Folgejahren verrechnen.
Nach einiger Zeit müssen Sie jedoch damit rechnen, dass das Finanzamt Ihnen „Liebhaberei“ vorwirft. So wird eine scheinbar unternehmerische Tätigkeit bezeichnet, die über längere Zeit nur Verluste einbringt und offenbar keine Gewinne erzielen soll. Die Folge: Sie können damit verbundene Ausgaben und Verluste nicht länger steuerlich geltend machen. Bis es soweit ist, vergehen allerdings in der Regel Jahre.
Außerdem hat der Bundesfinanzhof festgestellt, dass der Übergang („Strukturwandel“) von einem gewinnorientierten Betrieb zur Liebhaberei steuerlich nicht wie die Aufgabe des Betriebs zu behandeln ist (BFH, 11.05.2016 - X R 61/14). Sie müssen dabei also keinen Aufgabegewinn versteuern. Verkaufen Sie jedoch nach dem Übergang Betriebsvermögen wie eine Maschine, müssen Sie dies als nachträgliche Betriebseinnahme nachversteuern. Ausschlaggebend ist dann der Gemeinwert, denn die Maschine zum Zeitpunkt des Übergangs hatte. Eine spätere Auflösung des Betriebs führt so zu einer vergleichbaren Steuerbelastung wie die direkte Auflösung, selbst wenn der Gemeinwert von Maschinen, Fahrzeugen und anderen Vermögenswerten zwischenzeitlich gesunken ist. Sie halten sich aber die Möglichkeit der Wiederaufnahme offen und können gegebenenfalls auf die Altersgrenze für den Freibetrag warten.
Es gibt keine Standard-Empfehlung für Selbstständige, deren Selbstständigkeit sich aktuell nicht mehr rechnet. Ob eine Geschäftsaufgabe, eine vorübergehende Betriebsunterbrechung oder die Fortführung im Nebenberuf die sinnvollste Lösung ist, lässt sich nur individuell entscheiden.
Die finanzielle Seite jeder sinnvoll möglichen Variante sollte man genau durchrechnen. Wenn Sie nicht gerade selbst Steuerexperte sind, holen Sie sich dafür am besten fachlichen Rat. Schließlich soll eine Betriebsaufgabe die finanziellen Belastungen nicht noch steigern.
Und dann ist da auch noch die psychologische Seite. Viele Personalchefs glauben, dass Menschen nicht mehr als Arbeitnehmer taugen, wenn sie erst einmal selbstständig waren. Das ist sicher übertrieben. Doch es ist gut möglich, dass Sie trotz der aktuellen Probleme später wieder die Lust packt, erneut Ihr eigener Chef zu sein. Dann ist es ein Vorteil, den Laden nicht ganz dichtgemacht zu haben. Auch dieser Aspekt kann eine Überlegung wert sein.
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