Was die meisten angehenden Gründer nicht wissen: Kosten, die schon vor Betriebseröffnung oder Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit anfallen, mindern als vorab entstandene Betriebsausgaben den Gewinn. Gezahlte Mehrwertsteuer-Beträge werden vom Finanzamt in voller Höhe als Vorsteuer erstattet. Laut Bundesfinanzhof können Vorlaufkosten sogar dann von der Steuer abgesetzt werden, wenn die Gründung schließlich doch nicht zustande kommt.
Darum geht’s: Typische Vorlaufkosten
Doch der Reihe nach: Eine Existenzgründung beginnt bekanntlich nicht mit dem ersten Arbeitstag im Büro, Ladenlokal oder in der Werkstatt: Oft sind monatelange, manchmal sogar jahrelange aufwendige Vorarbeiten nötig. Denken Sie nur an ...
- Recherchen, Seminare und Reisen,
- Planungen und Beratungen,
- Anschaffungen, Einrichtungen und Renovierungen oder auch
- Lizenzen und Genehmigungen.
All das geht ganz schön ins Geld: Lange bevor die erste Rechnung an einen Kunden geschrieben werden kann, müssen Gründer oft erst einmal selbst tief in die Tasche greifen.
Vorgründungskosten sind Betriebsausgaben
Die gute Nachricht: Sofern es sich dabei um betriebliche Ausgaben handelt, bei denen es einen sachlich und zeitlich erkennbaren Zusammenhang mit dem konkreten Gründungsvorhaben gibt, handelt es sich bei solchen Vorlaufkosten um Betriebsausgaben.
In § 4 Abs. 4 EStG heißt es unmissverständlich: „Betriebsausgaben sind die Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind.“
Wann eine Ausgabe stattfinden darf, ist hier nicht näher bestimmt. Je nach Größe und Komplexität eines Vorhabens können Vorlaufzeiten von mehreren Jahren anstandslos anerkannt werden. Bei sehr langen Vorbereitungsphasen müssen dann im Einzelfall aber auch nachvollziehbare Gründe vorgebracht werden.
Ebenfalls erstattungsfähig: die Vorsteuer
Mehr noch: Der in den einzelnen Ausgaben enthaltene Umsatzsteuer-Anteil kann von umsatzsteuerpflichtigen Selbstständigen und Gewerbetreibenden als Vorsteuer geltend gemacht und von den eigenen Umsatzsteuereinnahmen abgezogen werden. Solange noch keine oder erst sehr geringe Umsatzsteuereinnahmen vorliegen, ergibt sich ein Vorsteuerüberhang. Den erstattet das Finanzamt normalerweise anstandslos in voller Höhe.
Das wiederum ist in § 15 UStG geregelt. Auch dort wird der Steuerabzug nicht von bestimmten Zeitpunkten oder Fristen abhängig gemacht. Einzige Voraussetzung: Die betreffende Lieferung oder Leistung muss von einem anderen Unternehmer für das neue Unternehmen erbracht worden sein – und nicht etwa den privaten Bedarf des Gründers!
Die gezahlten Vorsteuerbeträge machen Sie bei Ihrer ersten Umsatzsteuervoranmeldung geltend. Die Netto-Betriebsausgaben finden Eingang in die erste Einnahmenüberschussrechnung.
Steuerliche Anerkennung trotz Verzicht oder Scheitern
Wichtig: Die steuerliche Anerkennung als Betriebsausgaben und Vorsteuer gilt sogar dann, wenn der Gründer seine Pläne letztlich nicht verwirklichen kann und kein einziger Cent Betriebseinnahmen erzielt wird. Das hat der Bundesfinanzhof in einem Grundsatzurteil entschieden (Az.: III R 96/88 vom 15. April 1992) und seitdem wiederholt bekräftigt.
Die Beweispflicht liegt allerdings in jedem Fall beim Steuerpflichtigen: Sie müssen im Zweifel plausibel machen können...
- welchem konkreten betrieblichen Zweck eine Ausgabe gedient hat,
- dass Sie ernste Gründungsabsichten hatten und
- notfalls erklären können, warum Sie sich zu guter Letzt gegen eine Umsetzung Ihrer Pläne entschieden haben.
Beispiele für Vorlaufkosten
Zurück zu den vorweggenommenen Betriebsausgaben: Als typische Vorlaufkosten gelten zum Beispiel ...
- Planungs- und Gutachterkosten,
- Gebühren für Genehmigungen und Bescheinigungen,
- Gerichts- und Notarkosten,
- Finanzierungskosten,
- Ausgaben für Werbung und Organisationsaufbau,
- Beratungs-, Coaching und Trainingshonorare,
- Ausgaben für Fachliteratur,
- Reise- und Weiterbildungskosten,
- Fahrtkosten aller Art (wahlweise die tatsächlich entstandenen Kosten oder 0,30 Euro pro gefahrenen Kilometer),
- Mieten und Renovierungskosten,
- Anschaffung von Fahrzeugen, Maschinen, Anlagen und Inventar,
- Ausgaben für Testkäufe oder auch
- Büromaterial, Porto und Kommunikationsgebühren im erforderlichen Umfang.
Bitte beachten Sie: Wenn Sie die Vorlaufkosten nicht aus der eigenen Tasche bezahlen wollen, müssen Sie schon vor dem Start in die Selbstständigkeit fleißig Belege sammeln. Nur so senken Sie Ihre Steuerbelastung! |
Andererseits: Auch die Buchhalterregel „Keine Buchung ohne Beleg!“ kann in Ausnahmefällen außer Kraft gesetzt werden. Falls Sie bei einer offensichtlich betrieblich veranlassten Ausgabe partout keinen Beleg mehr finden (und sich auch nachträglich vom Lieferanten oder Dienstleister ausstellen lassen können), dürfen Sie ausnahmsweise einmal einen Eigenbeleg anfertigen. Sie sollten aber darauf vorbereitet sein, dass bei einer späteren Betriebsprüfung zumindest der Vorsteueranteil gestrichen wird.
Lektüretipp: Was beim Erstellen von Eigenbelegen zu beachten ist, erfahren Sie im orgaMAX-Newsletterbeitrag „Finanzamt erlaubt Notlösung!“ |
Rechnungsanforderungen: hohe Hürden
Die formalen Anforderungen an die Nachweise über vorweggenommene Betriebsausgaben unterscheiden sich nicht von denen sonstiger Eingangsrechnungen – und die haben es in sich. Sie müssen darauf achten, dass sämtliche in § 14 Abs. 4 UStG geforderten Angaben enthalten sind:
- Ihr Name bzw. der Ihres künftigen Unternehmens,
- Name, Anschrift und Steuernummer des Lieferanten oder Dienstleisters,
- Ausstellungsdatum,
- Rechnungsnummer,
- Zeitpunkt der Lieferung bzw. Dienstleistung,
- Menge und Art der gelieferten Gegenstände bzw. Dienstleistungen,
- nach Umsatzsteuersätzen unterschiedene Preise der Lieferungen bzw. Dienstleistungen,
- die daraus resultierenden Umsatzsteuerbeträge.
An Kleinbetrags-Quittungen (bis zu 250 Euro brutto) werden etwas geringere Anforderungen gestellt: Hier genügen Name und Anschrift des Ausstellers, das Ausstellungsdatum, Menge und Bezeichnung der gelieferten Produkte oder Art und Umfang der Dienstleistung, Bruttobetrag sowie der Steuersatz der darin enthaltenen Umsatzsteuer.
Lektüretipp: Ausführlichere Informationen zu den gesetzlichen Rechnungsanforderungen finden Sie im orgaMAX-Grundlagenbeitrag „Rechnung schreiben: Was Sie über die Rechnungsstellung wissen sollten“. |
Auf den Zahlungs-Zeitpunkt kommt es an!
Sofern die Betriebseröffnung erst im Folgejahr erfolgt, müssen Sie im laufenden Jahr theoretisch separate Einkommen- und Umsatzsteuererklärungen abgeben. Falls es sich um überschaubare Beträge (zum Beispiel von ein paar Hundert Euro) handelt, können Sie der Einfachheit halber darauf verzichten: Sie behandeln die Vorlaufkosten dann einfach so, als seien sie erst im Jahr der Gründung angefallen.
Bevor Sie diesen ebenso bequemen wie sinnvollen und für alle Beteiligten einfacheren Weg wählen, sprechen Sie am besten mit Ihrem Steuerberater. Sie können aber auch direkt beim Finanzamt nachfragen.
Ausgaben nach Betriebsschließung
Übrigens: Was Gründern Recht ist, ist Aussteigern billig: Das Prinzip der vorweggenommenen Betriebsausgaben gilt sinngemäß umgekehrt auch für Ausgaben, die erst nach einer Betriebsschließung anfallen: Notwendige Ausgaben nach der Abmeldung eines Gewerbes oder der Aufgabe einer freiberuflichen Tätigkeit erkennt das Finanzamt ebenfalls an – und zwar auch dann, wenn sie erst im Folgejahr anfallen!
Fazit
Geschäftliche Ausgaben im Vorlauf einer möglichen Gründung müssen Sie nicht aus der eigenen Tasche bezahlen. Warum auch? Schließlich profitiert der Staat ja auch von den Steuern auf die späteren Gewinne!
Immer wenn Sie in Ihre Geldbörse greifen, die Geld- oder Kreditkarte zücken oder Lastschrift-Aufträge erteilen, sollten Sie ans Finanzamt denken und sich eine Quittung oder Rechnung geben lassen. So viel Zeit muss sein: Es lohnt sich – selbst wenn die Gründung am Ende doch nicht zustande kommt!