In wirtschaftlich schwierigen Zeiten steigt das Risiko, dass Geschäftspartner in die Insolvenz schlittern. Das wird auch für ihre Lieferanten und Dienstleister schnell zur finanziellen Bedrohung:
Bei noch nicht bezahlten Rechnungen droht der Zahlungsausfall. Gläubiger erhalten im Insolvenzverfahren meist nur eine kleine Quote ihrer offenen Forderungen, oder gar nichts. In der Regel ist bei insolventen Unternehmen wenig zu holen.
Außerdem hat der Insolvenzverwalter ein Wahlrecht. In vielen Fällen steht es ihm frei, von Geschäften beziehungsweise Vereinbarungen zurückzutreten, wenn sie bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht vollständig erfüllt wurden.
Schließlich kann der Insolvenzverwalter bereits abgeschlossene Geschäfte, Zahlungen und andere „Rechtshandlungen“ anfechten, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen und die Gläubiger dadurch benachteiligt wurden.
In allen drei Fällen droht dem Geschäftspartner des insolventen Unternehmens, dass es für seinen Aufwand am Ende keine Gegenleistung erhält. Dazu kommt der verlorene Kunde. Im schlimmsten Fall schlittert man selbst in die Zahlungsunfähigkeit.
Bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens übernimmt ein vom Insolvenzgericht bestellter Insolvenzverwalter die Geschäftsführung. Er kann bei einer Vielzahl der noch nicht vollständig ausgeführten Vereinbarungen entscheiden, ob er sie erfüllen möchte oder nicht. Dieses Recht gibt ihm § 103 Insolvenzordnung. Erfüllen wird er nur Transaktionen, die die Insolvenzmasse vergrößern. Bei anderen Geschäften wird er die Erfüllung verweigern.
Der Insolvenzverwalter kann beispielsweise wählen, ob er eine schriftlich vereinbarte Warenbestellung honorieren möchte. Das gilt selbst dann, wenn die Ware bereits geliefert wurde, der Zahlungstermin aber noch aussteht. Macht er von seinem Recht auf Nichterfüllung Gebrauch, wird er den Kaufpreis nicht überweisen. Dem Lieferanten bleibt nur übrig, die offene Rechnung als Insolvenzforderung anzumelden.
Das Wahlrecht betrifft auch Dienstleistungen wie einen Programmierauftrag sowie Dauerlieferverträge und andere „Dauerschuldverhältnisse“. Ausgenommen sind Miet- und Pachtverträge. Für diese hat der Insolvenzverwalter allerdings ein Sonderkündigungsrecht.
Das Wahlrecht in Bezug auf die Erfüllung steht nur dem Insolvenzverwalter zu. Bei einer Insolvenz in Eigenverwaltung kann es der mit der Sanierung beauftragte Geschäftsführer ausüben. Der Geschäftspartner hat dagegen kein Wahl- oder Sonderkündigungsrecht:
Besteht der Insolvenzverwalter auf Erfüllung, muss die Lieferung erfolgen oder die Dienstleistung ausgeführt werden – obwohl mit keiner Bezahlung zu rechnen ist.
Wählt er die Nichterfüllung, bleibt die Vereinbarung zwar formal bestehen. Eine Bezahlung erfolgt jedoch nicht, auch nicht für schon ausgeführte Leistungen. Bereits gelieferte oder übergebene Dinge können nicht zurückgeholt werden. Stattdessen bleibt erneut nur die Hoffnung auf eine Quote aus der Insolvenzmasse. Die Aussichten auf vollständige Bezahlung sind entsprechend gering.
Auch bei bereits vollständig abgewickelten Geschäften kann es zu Rückforderungen kommen. Insolvenzverwalter können bestimmte „Rechtshandlungen“, die das insolvente Unternehmen vorgenommen hat, nachträglich anfechten. Das kann zum Beispiel ein Vertragsabschluss, eine Zahlung, eine Lieferung, die Vergabe eines Auftrags, die Gewährung oder Stundung eines Kredits oder Ähnliches mehr sein.
Mit einer Anfechtung kann der Insolvenzverwalter bereits überwiesenes Geld oder bereits gelieferte Ware zurückholen. Die Möglichkeit der Insolvenzanfechtung betrifft ausdrücklich auch Abschlüsse und Zahlungen vor dem Eröffnungsantrag. Wie weit die Frist zurückreicht, hängt vom genauen Anfechtungsgrund ab, mehr dazu steht im nächsten Abschnitt.
Voraussetzung für die Insolvenzanfechtung ist eine Gläubigerbenachteiligung durch die betreffende Handlung. Sie muss das verbleibende Vermögen des insolventen Unternehmens verringert haben, so dass für die anderen Gläubiger weniger Vermögen übrigbleibt. Typische Fälle: Nur einer von mehreren Gläubigern erhält seine Rechnung bezahlt, das letzte Kapital wird trotz absehbarer Zahlungsunfähigkeit noch für Einkäufe verwendet, das Unternehmen verkauft kurz vor der Insolvenz Maschinen unter Wert oder gibt eigene Forderungen ohne Gegenleistung auf.
Insolvenzverwalter gehen sehr oft vor Gericht, um ihre Forderungen durchzusetzen. Ist die Anfechtung erfolgreich, führt sie zu einem Rückzahlungs- oder Rückgewährungsanspruch. Das Geld, die Waren oder andere Wertgegenstände, die aus dem Vermögen des insolventen Unternehmens abgeflossen sind, müssen zurückentrichtet werden.
Ein Beispiel: Kurz vor dem Eröffnungsantrag wurde ein Werkvertrag über ein Produktdesign abgeschlossen. Der Designer führt den Auftrag aus und wird bezahlt. Der Vertragsabschluss wird vom Insolvenzverwalter angefochten. Der Designer muss sein Honorar zurückerstatten. Ihm bleibt nur, den Betrag als Insolvenzforderung anzumelden.
Das Insolvenzrecht ist komplex. Es unterscheidet zwischen verschiedenen Gründen einer Insolvenzanfechtung (§§ 139 – 147 InsO). Diese wirken sich darauf aus, in welchem Zeitraum vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens Zahlungen oder andere Handlungen anfechtbar sind. Ob die Kenntnis der finanziellen Lage eine Anfechtungsvoraussetzung ist, hängt ebenfalls vom genauen Grund ab.
Die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit als Voraussetzung einer Anfechtung setzt nicht voraus, dass der zahlungsunfähige Kunde seinem Lieferanten oder Dienstleister die finanziellen Probleme beichtet. Es genügt, wenn ausreichende Indizien vorlagen.
Das können bei größeren Unternehmen Presseberichte über eine Krisenlage sein. Auch zunehmende Zahlungsverzögerungen im Vorlauf, nicht eingehaltene Zahlungszusagen oder frühere geplatzte Ratenzahlungen werden von den Gerichten als Anzeichen gewertet, dass dem Gläubiger die wahre Situation bewusst war.
Drei Dinge können dabei helfen, das Risiko aus einer Kundeninsolvenz zu minimieren:
Ist der Kunde bereits insolvent, kann ein auf Insolvenzrecht spezialisierter Anwalt weiterhelfen, um Anfechtungsversuche abzuwehren. Bei Zahlungsausfällen und nicht erfüllten Verträgen bleibt meist nur die Hoffnung, am Ende des Insolvenzverfahrens wenigstens einen kleinen Teil des Geldes wiederzusehen.
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