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Umsatzsteuer bei Online-Seminaren und anderen Online-Events

17. Okt. 2024
9 MIN

orgaMAX Blog_Headerbild875x350_Online-EventsViele Selbstständige erzielen Umsätze mit Online-Seminaren, Online-Konzerten oder anderen Online-Events. Dann stellen sich Fragen zur Umsatzsteuer. Die Finanzverwaltung hat vor einiger Zeit klargestellt, welche Regelungen sie anwendet. Bei Online-Veranstaltungen, so zeigt sich, lauern einige Umsatzsteuer-Stolperfallen.

 

„Umsatzsteuerliche Einordnung von Online-Veranstaltungsdienstleistungen“: Um was geht es eigentlich?

Umsatzsteuerliche Einordnung von Umsätzen aus Online-Veranstaltungsdienstleistungen und weiteren Online-Dienstleistungsangeboten“: So lautet der Titel eines Schreibens des Bundesfinanzministeriums (BMF-Schreiben vom 29.04.2024).

Hinter der komplizierten Formulierung verstecken sich Festlegungen für die Finanzverwaltung. Sie betreffen die Umsatzsteuerpflicht in Bezug auf Online-Events wie etwa

  • per Internet übertragene oder bereitgestellte Lesungen, Konzerte, Performances und andere Kulturangebote
  • Online-Seminare, Online-Trainings und Webinare
  • Online-Fitnesskurse und verwandte Events wie Yoga- oder Pilates-Workouts über das Internet
  • Online-Gesundheitsberatungen und Online-Unterricht.

Wenn das Streaming eines Online-Events oder der spätere Download einer Aufzeichnung kostenpflichtig sind, stellt sich die Frage: Fällt auf die Umsätze Umsatzsteuer an, und wenn ja, welcher Umsatzsteuer-Satz gilt? Darauf geht das BMF-Schreiben im Detail ein.

Das Schreiben konzentriert sich auf die Nutzung durch Privatleute. In erster Linie befasst es sich mit Konzerten, Theateraufführungen und ähnlichen Darbietungen, die online als Live-Veranstaltung oder als Aufzeichnung angeboten werden. Es soll aber ausdrücklich auch auf Online-Veranstaltungen in anderen Bereichen wie Bildung und Gesundheit anwendbar sein.

 

Vorproduzierte Inhalte oder Live-Events?

Für die Finanzverwaltung macht es einen großen Unterschied, wie beziehungsweise wann solche Events online bereitgestellt werden:

  • Wird die Veranstaltung in Echtzeit gestreamt oder so veranstaltet, dass man im Internet live teilnehmen kann wie bei einem Webinar? Nehmen die Teilnehmer ohne Zeitverzögerung, aber zu einem vorgegebenen Termin teil? Können sie vielleicht sogar direkt mit Kommentaren, Emojis oder Rückfragen reagieren, etwa über einen Begleit-Chat? Solche Live-Events im Internet stellen aus Sicht der Finanzämter „kulturelle, künstlerische, wissenschaftliche, unterrichtende, sportliche, unterhaltende oder ähnliche Leistungen“ im Sinne des 3a Abs. 3 Nr. 3 a UStG dar.

  • Oder wird nach einem Online-Vortrag, -Konzert oder -Seminar anschließend eine Aufzeichnung zum Download bereitgestellt, die man anschauen oder anhören kann, wann man möchte? Vorproduzierten Downloads dieser Art sind nach Verwaltungsauffassung „auf elektronischem Weg erbrachte sonstige Leistungen“ gemäß 3a Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 UStG.

Die Unterscheidung hat laut dem BMF-Schreiben Folgen für die Umsatzsteuer und besonders für mögliche Umsatzsteuer-Erleichterungen. Dass es weitere Formen gibt, Events, online anzubieten, wird in dem Dokument ebenfalls berücksichtigt. Dazu gehören Präsenz-Veranstaltungen, die gleichzeitig live gestreamt werden, und Live-Events, die anschließend zusätzlich heruntergeladen werden können.

 

Online-Events: Ort der Leistung und Abführen der Umsatzsteuer

Sowohl bei Live-Streams wie auch bei einem späteren Download von Video- oder Audio-Mitschnitten gilt: Werden damit Umsätze erzielt, weil die Nutzer dafür bezahlen, dann liegt der Ort der Leistung nicht am Sitz des Anbieters und auch nicht am Ort der Veranstaltung, sondern beim Nutzer. Diese Festlegung der Finanzverwaltung ist neu. Sie entspricht jedoch einer expliziten Änderung von § 3a Abs. 3 Nr. 3, die der Entwurf zum Jahressteuergesetz 2024 vorsieht.

Daraus folgt für die Nutzung durch Privatleute:

  • Bei privaten Nutzern, die im EU-Ausland wohnen oder dort ihren „gewöhnlichen Aufenthaltsort“ haben, fällt der Umsatzsteuersatz des jeweiligen EU-Landes Für einen privaten Live-Hörer aus den Niederlanden oder einen privaten Downloader aus Österreich muss der deutsche Veranstalter bzw. Anbieter grundsätzlich niederländische oder österreichische Umsatzsteuer entrichten. Zum Glück gilt dies erst ab einer Grenze von 10.000 Euro pro Kalenderjahr.
  • Der Betrag bezieht sich bei Downloads auf sämtliche „sonstigen Leistungen“, die digital erbracht werden ( 3a Abs. 5 Satz 3 UStG). Bis zu dieser Grenze kann deutsche Umsatzsteuer abgeführt werden. Anlaufstelle ist das sogenannte „Mini-One-Stop-Shop“ des Bundeszentralamts für Steuern.
  • Für Umsätze aus Live-Events ist dagegen das „One-Stop-Shop“ des BZSt zuständig, über das die Umsatzsteuer für grenzüberschreitende Dienstleistungen erfasst werden. Dann bezieht sich der Schwellenbetrag auf sämtliche Dienstleistungen und Lieferungen in andere EU-Länder. Mehr dazu steht im Beitrag „One-Stop-Shops & mehr: Umsatzsteuer-Regelungen bei B2C-Geschäften in der EU“. Auch in diesem Fall gilt: Solange die 10.000-Euro-Grenze nicht überschritten wird, kann die deutsche Umsatzsteuer abgeführt werden.

Für die Nutzung durch Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuerrechts gilt:

  • Wenn Unternehmen aus dem EU-Ausland die „Leistung“ des Live-Streams oder des Downloads eines deutschen Anbieters in Anspruch nehmen, ergibt sich in der Regel ein Fall von „Reverse Charge“. Die Steuerschuldnerschaft wechselt zum Kunden/Nutzer. Der Anbieter weist in der Rechnung keine Umsatzsteuer aus und erläutert das durch einen Hinweis wie „Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers“. Der Kunde muss die Umsatzsteuer in seiner Umsatzsteuererklärung im eigenen EU-Land angeben und darf sie dann gleich wieder als Vorsteuer geltend machen, sodass die Sache zum Nullsummen-Spiel wird.
  • Deutsche Selbstständige, die beruflich live an einem kostenpflichtigen Online-Event teilnehmen oder für den Download einer Aufzeichnung davon bezahlen, müssen dies im Fall eines Veranstalters aus dem EU-Ausland ebenfalls in ihrer (deutschen) Umsatzsteuer-Voranmeldung angeben. Auch sie können den Betrag in der gleichen Voranmeldung direkt wieder als Teil der Vorsteuer abziehen.
  • Kleinunternehmer müssen in dieser Konstellation allerdings die Umsatzsteuer ans Finanzamt abführen. Für sie gilt das Reverse-Charge-Verfahren nicht. Sie sollten deshalb die Umsatzsteuer, die auf Live-Veranstaltungen oder kostenpflichtige Event-Aufzeichnungen aus dem EU-Ausland anfällt, beim Finanzamt anmelden und versteuern. Das gilt wohlgemerkt nur, wenn sie diese Downloads oder Streams im Rahmen ihrer Selbstständigkeit nutzen und nicht zu privaten Zwecken. Bei privater Nutzung liegt die Zuständigkeit für die Umsatzsteuer wie oben erläutert beim Anbieter des Webinars oder Online-Events.

 

Steuerbefreiung für Kultur-Einrichtungen: Nur bei Live-Events, nicht für Aufzeichnungen

Während der Ort der Leistung bei Live-Events wie bei späteren Downloads grundsätzlich gleich bestimmt wird, macht das BMF-Schreiben in Bezug auf mögliche Steuererleichterungen einen klaren Unterschied. Er betrifft zum Beispiel die Umsatzsteuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 20 UStG.

Diese Regelung besagt, dass bestimmte Kultureinrichtungen keine Umsatzsteuer bezahlen müssen. Das Gesetz zählt im Einzelnen „Theater, Orchester, Kammermusikensembles, Chöre, Museen, botanische Gärten, zoologische Gärten, Tierparks, Archive, Büchereien sowie Denkmäler der Bau- und Gartenbaukunst“ auf. Bei öffentlichen Einrichtungen dieser Art gilt die Umsatzsteuerbefreiung automatisch. Kommerzielle und gemeinnützige Theatergruppen, Orchester etc. müssen sie bei der zuständigen Behörde ihres Bundeslandes beantragen. Hat eine private Show-Compagnie diese Befreiung erreicht, dann gilt sie selbst beim Gastspiel an einer ansonsten umsatzsteuerpflichtigen Event Location.

  • Stellt die umsatzsteuerbefreite Show-Truppe später Aufzeichnungen ihres Auftritts zum kostenpflichtigen Download bereit, fällt darauf Umsatzsteuer
  • Anders ist es, wenn das Live-Event gegen Bezahlung per Internet mitverfolgt werden kann: in diesem Fall gilt die Umsatzsteuerbefreiung. Auf die Einnahmen wird also keine „Mehrwertsteuer“ fällig.

 

Auch die ermäßigte Umsatzsteuer für Eintrittskarten gilt nur beim Live-Event

Eine weitere Steuererleichterung gilt für Darsteller, die nicht umsatzsteuerfrei sind. Sie betrifft den Verkauf von Eintrittskarten und Tickets für „Theater, Konzerte und Museen“ sowie vergleichbare Darbietungen (§ 12 Abs. 2 Nr. 14 a UStG). Auf die Tickets fällt nur der ermäßigte Umsatzsteuersatz von 7 Prozent an.

Diese Ermäßigung greift auch bei virtuellen Eintrittskarten, das heißt bei zahlungspflichtigen Online-Events. Dies ist allerdings auf das Live-Streaming der Veranstaltung beschränkt. Wenn später gegen Gebühr eine Aufzeichnung heruntergeladen oder gestreamt werden kann, muss darauf der Regel-Umsatzsteuersatz von 19 Prozent aufgeschlagen werden.

 

Gemischte Leistungen: Live-Teilnahme und Download-Link

Das BMF-Schreiben befasst sich auch mit dem in der Praxis häufigen Fall, dass Veranstalter die Live-Teilnahme an einer Online-Veranstaltung mit der Möglichkeit zum späteren Download eines Mitschnitts kombinieren. So werden beispielsweise viele Online-Seminare den Teilnehmern anschließend als Aufzeichnung zur Verfügung gestellt. Und auch hier verlangt die Finanzverwaltung genaues Hinsehen:

  • Werden die Live-Teilnahme und der spätere Download als Paket verkauft, ist das der Verwaltungsauffassung zufolge eine „einheitliche Leistung eigener Art“. Die Folge: Die volle Umsatzsteuerpflicht des Downloads gilt für die gesamte Leistung. Umsatzsteuerermäßigung und Umsatzsteuerbefreiungen sind nicht anwendbar.
  • Anders sieht es aus, wenn die Möglichkeit zum späteren Download gegen einen Aufpreis möglich ist. In diesem Fall kann der Gesamtpreis in einen Teil für das Live-Event aufgeteilt werden, für den die Umsatzsteuer ermäßigt sein oder entfallen kann, und in einen Download-Aufpreis zum vollen Umsatzsteuersatz.

Diese Regelung wird in der Praxis für einigen Unmut sorgen. Schließlich gehört wie erwähnt das Bereitstellen einer Aufzeichnung bei vielen Online-Events zum Service. Ein Ausweg könnte darin bestehen, dafür einen kleinen Aufpreis festzulegen. Bei Kunden und Teilnehmern wird das vielleicht nicht gut ankommen, es kann jedoch die Umsatzsteuervorteile zu einem großen Teil sichern.

Ob die oben geschilderten Grundsätze auch anwendbar sind, wenn die Teilnehmer nur Folien oder ähnliches zum Download erhalten, geht aus dem BMF-Schreiben nicht klar hervor.

 

Es geht nicht nur um Konzerte und Shows, sondern auch um Gesundheits- und Bildungsangebote

In erster Linie befasst sich das BMF-Schreiben mit Konzerten, Theateraufführungen und ähnlichen Darbietungen, die online als Live-Veranstaltung oder als Aufzeichnung angeboten werden. Für den Kultur-Bereich gelten eigene Umsatzsteuer-Befreiungen und -Ermäßigungen.

Die oben erläuterten Regelungen sollen aber ausdrücklich auch auf andere Online-Dienstleistungsangebote anwendbar sein. Explizit genannt werden in dem BFM-Schreiben die Bildung und der Gesundheitsbereich, die ebenfalls in der Regel umsatzsteuerfrei sind (für die Bildung folgt das aus § 4 Nr. 21,22 UStG, für Heilbehandlungen aus § 4 Nr. 14 UStG).

Die Umsatzsteuerpflicht für Online-Veranstaltungen in diesen Sektoren richtet sich also nach den oben dargestellten Prinzipien: Live-Unterricht per Internet und die direkte Teilnahme an einer Online-Sprechstunde sind umsatzsteuerfrei. Für den späteren Download der Unterrichtseinheit oder der Sprechstunde soll das jedoch nicht gelten.

 

Wenn Dienstleister den Zugang bereitstellen

Wenn der Download oder der Live-Stream über ein Portal oder einen externen Dienstleister bereitgestellt wird, kompliziert das die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung noch weiter. Das gilt vor allem dann, wenn das Portal den Verkauf der Zugangsberechtigung für den Anbieter übernimmt, dabei aber kein eigenes wirtschaftliches Risiko trägt. In solchen Fällen handelt es in eigenem Namen, aber auf Rechnung des Anbieters der Veranstaltung. Das nennt man Dienstleistungskommission.

Bei Dienstleistungskommission zählt umsatzsteuerlich oft der Bereitstellungsdienstleister als Empfänger der Veranstaltungsleistung. Umgekehrt muss er selbst den Teilnehmern Umsatzsteuer berechnen. Allerdings hängt das unter anderem davon ab, welchen Einfluss der Dienstleister zum Beispiel auf die Abrechnung oder auf die Veranstaltungsdurchführung hat. Entscheidend sind die Regelungen aus dem Umsatzsteuergesetz (§ 3 Abs. 11, 11a UStG). Außerdem gilt im Fall der Umsatzsteuerbefreiung für Theater, Orchester und Museen die Befreiung auch für den Bereitsteller.

 

Fazit: Es ist kompliziert

Wie so oft im Umsatzsteuerrecht gilt auch für das BMF-Schreiben zu Online-Veranstaltungen: Einfache Anwendungsregeln für die Praxis bringt es nicht. Selbstständige, die selbst mit kostenpflichtigen Online-Events Geld verdienen wollen, sollten auf die fachkundige Beratung durch die Steuerberaterin oder den Steuerberater setzen. Das gilt ganz besonders, wenn für sie eine Umsatzsteuerbefreiung gilt oder wenn Teilnehmer aus dem EU-Ausland an den Onlineveranstaltungen teilnehmen.

Immerhin: Das Schreiben stellt nur die Rechtsauffassung der Finanzverwaltung dar. Ob sie vor den Finanzgerichten Bestand haben wird, bleibt abzuwarten. Für die betroffenen Anbieter von Online-Events ist das allerdings ein schwacher Trost.

 

Lektüretipps:

Weiterführende Informationen zum Thema Rechnungstellung finden Sie im orgaMAX-Blog und Newsletter-Archiv:

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