„Umsatzsteuerliche Einordnung von Umsätzen aus Online-Veranstaltungsdienstleistungen und weiteren Online-Dienstleistungsangeboten“: So lautet der Titel eines Schreibens des Bundesfinanzministeriums (BMF-Schreiben vom 29.04.2024).
Hinter der komplizierten Formulierung verstecken sich Festlegungen für die Finanzverwaltung. Sie betreffen die Umsatzsteuerpflicht in Bezug auf Online-Events wie etwa
Wenn das Streaming eines Online-Events oder der spätere Download einer Aufzeichnung kostenpflichtig sind, stellt sich die Frage: Fällt auf die Umsätze Umsatzsteuer an, und wenn ja, welcher Umsatzsteuer-Satz gilt? Darauf geht das BMF-Schreiben im Detail ein.
Das Schreiben konzentriert sich auf die Nutzung durch Privatleute. In erster Linie befasst es sich mit Konzerten, Theateraufführungen und ähnlichen Darbietungen, die online als Live-Veranstaltung oder als Aufzeichnung angeboten werden. Es soll aber ausdrücklich auch auf Online-Veranstaltungen in anderen Bereichen wie Bildung und Gesundheit anwendbar sein.
Für die Finanzverwaltung macht es einen großen Unterschied, wie beziehungsweise wann solche Events online bereitgestellt werden:
Die Unterscheidung hat laut dem BMF-Schreiben Folgen für die Umsatzsteuer und besonders für mögliche Umsatzsteuer-Erleichterungen. Dass es weitere Formen gibt, Events, online anzubieten, wird in dem Dokument ebenfalls berücksichtigt. Dazu gehören Präsenz-Veranstaltungen, die gleichzeitig live gestreamt werden, und Live-Events, die anschließend zusätzlich heruntergeladen werden können.
Sowohl bei Live-Streams wie auch bei einem späteren Download von Video- oder Audio-Mitschnitten gilt: Werden damit Umsätze erzielt, weil die Nutzer dafür bezahlen, dann liegt der Ort der Leistung nicht am Sitz des Anbieters und auch nicht am Ort der Veranstaltung, sondern beim Nutzer. Diese Festlegung der Finanzverwaltung ist neu. Sie entspricht jedoch einer expliziten Änderung von § 3a Abs. 3 Nr. 3, die der Entwurf zum Jahressteuergesetz 2024 vorsieht.
Daraus folgt für die Nutzung durch Privatleute:
Für die Nutzung durch Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuerrechts gilt:
Während der Ort der Leistung bei Live-Events wie bei späteren Downloads grundsätzlich gleich bestimmt wird, macht das BMF-Schreiben in Bezug auf mögliche Steuererleichterungen einen klaren Unterschied. Er betrifft zum Beispiel die Umsatzsteuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 20 UStG.
Diese Regelung besagt, dass bestimmte Kultureinrichtungen keine Umsatzsteuer bezahlen müssen. Das Gesetz zählt im Einzelnen „Theater, Orchester, Kammermusikensembles, Chöre, Museen, botanische Gärten, zoologische Gärten, Tierparks, Archive, Büchereien sowie Denkmäler der Bau- und Gartenbaukunst“ auf. Bei öffentlichen Einrichtungen dieser Art gilt die Umsatzsteuerbefreiung automatisch. Kommerzielle und gemeinnützige Theatergruppen, Orchester etc. müssen sie bei der zuständigen Behörde ihres Bundeslandes beantragen. Hat eine private Show-Compagnie diese Befreiung erreicht, dann gilt sie selbst beim Gastspiel an einer ansonsten umsatzsteuerpflichtigen Event Location.
Eine weitere Steuererleichterung gilt für Darsteller, die nicht umsatzsteuerfrei sind. Sie betrifft den Verkauf von Eintrittskarten und Tickets für „Theater, Konzerte und Museen“ sowie vergleichbare Darbietungen (§ 12 Abs. 2 Nr. 14 a UStG). Auf die Tickets fällt nur der ermäßigte Umsatzsteuersatz von 7 Prozent an.
Diese Ermäßigung greift auch bei virtuellen Eintrittskarten, das heißt bei zahlungspflichtigen Online-Events. Dies ist allerdings auf das Live-Streaming der Veranstaltung beschränkt. Wenn später gegen Gebühr eine Aufzeichnung heruntergeladen oder gestreamt werden kann, muss darauf der Regel-Umsatzsteuersatz von 19 Prozent aufgeschlagen werden.
Das BMF-Schreiben befasst sich auch mit dem in der Praxis häufigen Fall, dass Veranstalter die Live-Teilnahme an einer Online-Veranstaltung mit der Möglichkeit zum späteren Download eines Mitschnitts kombinieren. So werden beispielsweise viele Online-Seminare den Teilnehmern anschließend als Aufzeichnung zur Verfügung gestellt. Und auch hier verlangt die Finanzverwaltung genaues Hinsehen:
Diese Regelung wird in der Praxis für einigen Unmut sorgen. Schließlich gehört wie erwähnt das Bereitstellen einer Aufzeichnung bei vielen Online-Events zum Service. Ein Ausweg könnte darin bestehen, dafür einen kleinen Aufpreis festzulegen. Bei Kunden und Teilnehmern wird das vielleicht nicht gut ankommen, es kann jedoch die Umsatzsteuervorteile zu einem großen Teil sichern.
Ob die oben geschilderten Grundsätze auch anwendbar sind, wenn die Teilnehmer nur Folien oder ähnliches zum Download erhalten, geht aus dem BMF-Schreiben nicht klar hervor.
In erster Linie befasst sich das BMF-Schreiben mit Konzerten, Theateraufführungen und ähnlichen Darbietungen, die online als Live-Veranstaltung oder als Aufzeichnung angeboten werden. Für den Kultur-Bereich gelten eigene Umsatzsteuer-Befreiungen und -Ermäßigungen.
Die oben erläuterten Regelungen sollen aber ausdrücklich auch auf andere Online-Dienstleistungsangebote anwendbar sein. Explizit genannt werden in dem BFM-Schreiben die Bildung und der Gesundheitsbereich, die ebenfalls in der Regel umsatzsteuerfrei sind (für die Bildung folgt das aus § 4 Nr. 21,22 UStG, für Heilbehandlungen aus § 4 Nr. 14 UStG).
Die Umsatzsteuerpflicht für Online-Veranstaltungen in diesen Sektoren richtet sich also nach den oben dargestellten Prinzipien: Live-Unterricht per Internet und die direkte Teilnahme an einer Online-Sprechstunde sind umsatzsteuerfrei. Für den späteren Download der Unterrichtseinheit oder der Sprechstunde soll das jedoch nicht gelten.
Wenn der Download oder der Live-Stream über ein Portal oder einen externen Dienstleister bereitgestellt wird, kompliziert das die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung noch weiter. Das gilt vor allem dann, wenn das Portal den Verkauf der Zugangsberechtigung für den Anbieter übernimmt, dabei aber kein eigenes wirtschaftliches Risiko trägt. In solchen Fällen handelt es in eigenem Namen, aber auf Rechnung des Anbieters der Veranstaltung. Das nennt man Dienstleistungskommission.
Bei Dienstleistungskommission zählt umsatzsteuerlich oft der Bereitstellungsdienstleister als Empfänger der Veranstaltungsleistung. Umgekehrt muss er selbst den Teilnehmern Umsatzsteuer berechnen. Allerdings hängt das unter anderem davon ab, welchen Einfluss der Dienstleister zum Beispiel auf die Abrechnung oder auf die Veranstaltungsdurchführung hat. Entscheidend sind die Regelungen aus dem Umsatzsteuergesetz (§ 3 Abs. 11, 11a UStG). Außerdem gilt im Fall der Umsatzsteuerbefreiung für Theater, Orchester und Museen die Befreiung auch für den Bereitsteller.
Wie so oft im Umsatzsteuerrecht gilt auch für das BMF-Schreiben zu Online-Veranstaltungen: Einfache Anwendungsregeln für die Praxis bringt es nicht. Selbstständige, die selbst mit kostenpflichtigen Online-Events Geld verdienen wollen, sollten auf die fachkundige Beratung durch die Steuerberaterin oder den Steuerberater setzen. Das gilt ganz besonders, wenn für sie eine Umsatzsteuerbefreiung gilt oder wenn Teilnehmer aus dem EU-Ausland an den Onlineveranstaltungen teilnehmen.
Immerhin: Das Schreiben stellt nur die Rechtsauffassung der Finanzverwaltung dar. Ob sie vor den Finanzgerichten Bestand haben wird, bleibt abzuwarten. Für die betroffenen Anbieter von Online-Events ist das allerdings ein schwacher Trost.
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