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Insolvenzrecht 2023: Erleichterungen für Unternehmen in der Krise

Geschrieben von orgaMAX Redaktionsteam | 29.12.22 07:52

Als Teil der Maßnahmen gegen die Energiepreiskrise bringt das Jahr 2023 eine vorübergehende Lockerung im Insolvenzrecht. Für einen Insolvenzantrag wegen Überschuldung bleiben vorübergehend maximal acht statt sechs Wochen Zeit. Die Prognose zur Fortführung des Unternehmens muss nur vier Monate umfassen.

Wenn die Überschuldung droht, gelten 2023 befristete Erleichterungen

Bereits auf die Corona-Pandemie in den Jahren 2020 und 2021 reagierte die Politik mit befristeten Erleichterungen im Insolvenzrecht. Angesichts der Energiepreisentwicklung und der dadurch ausgelösten Wirtschaftskrise griff sie nun erneut zu diesem Mittel.

Das Ergebnis sind einige auf das Jahr 2023 befristete Erleichterungen für Unternehmen, die von Überschuldung bedroht sind. Sie finden sich in einem neu betitelten Gesetz. Es trägt den sperrigen Titel „Sanierungs- und insolvenzrechtliches Krisenfolgenabmilderungsgesetz“ (SanInsKG).

Insolvenzeröffnungsgrund: Überschuldung

Die Insolvenzordnung (InsO) kennt zwei Insolvenzgründe, die einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens notwendig machen: Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung.

Der in § 19 InsO geregelte Insolvenzgrund Überschuldung ist auf juristische Personen beschränkt. Er gilt also zum Beispiel für eine GmbH, eine UG (haftungsbeschränkt) oder einen e. V. Überschuldung liegt dann vor, wenn das verbliebene Aktivvermögen der Gesellschaft – Bankguthaben, Grundstücke, Maschinen etc. – weniger wert sind als der Gesamtbetrag der Schulden. Eine Bewertung „Pi mal Daumen“ genügt zur Feststellung nicht. Im konkreten Fall ist eine professionelle, umfassende Prüfung der Unternehmensfinanzen erforderlich. Zudem kann sich die Lage rasch ändern.

Bei Überschuldung: viermonatige Fortführungsprognose genügt

Der Insolvenzordnung zufolge können überschuldete Gesellschaften einen Insolvenzantrag nur dann vermeiden, wenn „die Fortführung des Unternehmens in den nächsten zwölf Monaten … überwiegend wahrscheinlich“ ist. Erforderlich ist also eine Prognose über die Unternehmensergebnisse in den nächsten Monaten. Nur wenn sie positiv ausfällt, kann die Geschäftsführung den Gang zum Insolvenzgericht vermeiden.

Für diese Prognose gilt nun ab dem Jahreswechsel eine verkürzte Frist. Gemäß § 4 Abs. 2 SanInsKG genügt es vom 09. November 2022 bis zum 31. Dezember 2023, wenn die Gesellschaft voraussichtlich die nächsten vier Monate weitergeführt werden kann.

Insolvenzantrag wegen Überschuldung: Maximal sechs statt vier Wochen Zeit

Grundsätzlich gibt die Insolvenzordnung den Verantwortlichen einer überschuldeten Gesellschaft maximal sechs Wochen Zeit, um nach dem Eintritt der Überschuldung Insolvenzantrag zu stellen (§ 15a Abs. 1 InsO). Auch diese Frist wird vorübergehend angehoben, auf höchstens acht Wochen (§ 4a SanInsKG). Auch diese Verlängerung gilt vom 09. November 2022 bis zum 31. Dezember 2023.

Wohlgemerkt: Es geht um die maximale Frist bis zur Antragstellung. Diese muss laut Gesetz aber stets „ohne schuldhaftes Zögern“ erfolgen. Wenn es keine betriebswirtschaftlich realistische Perspektive auf Fortführung der Geschäfte mehr gibt, dürfen Geschäftsführer die Sechs- bzw. Achtwochenfrist nicht abwarten.

Wann gelten die Regelungen genau?

Überschuldete Gesellschaften können sich selbst dann auf die Erleichterungen berufen, wenn ihre Überschuldung bereits vor dem Inkrafttreten der Ausnahmeregelungen am 9. November 2022 lag, die verlängerten Fristen jedoch bis zu diesem Tag oder darüber hinaus reichen.

Umgekehrt wird der außerhalb der Sonderregelung geltende Prognose-Zeitraum von 12 Monaten bereits wieder für Überschuldungszeitpunkte ab dem 1. September 2023 relevant. Die letzte Möglichkeit, die verkürzte Prognose auf vier Monate in Anspruch zu nehmen, besteht bei einer Überschuldung am 31. August 2023.

Was gilt bei Zahlungsunfähigkeit?

Im Fall der Zahlungsunfähigkeit gibt es keine Änderungen.

  • Unternehmen und aktiv Selbstständige, die fällige Zahlungen nicht aufbringen können, müssen innerhalb von maximal drei Wochen Insolvenzantrag stellen, unabhängig von ihrer Rechtsform (§ 17 InsO).
  • Den Antrag können auch Gläubiger stellen, etwa bei Einstellung der Zahlungen durch den Schuldner.
  • Sind voraussichtlich innerhalb eines Prognose-Zeitraums von 24 Monaten fällige Zahlungen nicht möglich, kann der Schuldner Insolvenzantrag wegen drohender Zahlungsunfähigkeit stellen (§ 18 InsO).

Das Risiko persönlicher Haftung bleibt trotzdem groß

Die drohende Insolvenz einer GmbH oder UG ist vor allem für die Geschäftsführer stets auch ein persönliches Risiko. Versäumen sie den Insolvenzantrag, machen sie sich strafbar. Das gilt auch dann, wenn das Versäumnis fahrlässig beziehungsweise aus Unwissenheit über die finanzielle Lage der Gesellschaft erfolgt. Die Lage wird dadurch erschwert, dass weder die Feststellung einer Überschuldung noch eine tragfähige Fortführungsprognose triviale Aufgaben darstellen.

Neben Geldstrafen sind bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe möglich (§ 15a Abs.4 InsO). Dazu kommt die persönliche Haftung mit dem Privatvermögen aufgrund von Sorgfaltspflichtverletzungen: Gläubiger der Gesellschaft können sich an den oder die Geschäftsführer halten. Weitere Schadenersatzforderungen drohen, wenn Verantwortliche trotz Überschuldung Zahlungen anweisen (§ 15b Abs. 4 InsO). Umgekehrt können unterlassene Zahlungen ebenfalls zur Haftung und zu Ermittlungen führen. So fällt das Nichtabführen von Sozialversicherungsbeiträgen für Arbeitnehmer unter den Straftatbestand des „Veruntreuens von Arbeitsentgelt“ (§ 266a StGB).

Die Führung einer GmbH durch finanzielle Krisenzeiten bleibt also trotz der Erleichterungen auch im Jahr 2023 eine heikle Angelegenheit. Das gilt auch und gerade für die privaten Finanzen: Im Zweifel ist die Pfändung bis zum Existenzminimum möglich. Deshalb empfiehlt sich die regelmäßige Abstimmung mit dem Steuerberater. Im Zweifel müssen die Daten sogar täglich erhoben werden. Bei drohender Insolvenz kann auch die Beratung durch einen Anwalt für Insolvenzrecht sinnvoll sein.


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