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Sicherheitshalber volle Umsatzsteuer? Vorsicht, Falle!

Geschrieben von orgaMAX Redaktionsteam | 11.09.25 06:00

7 oder 19 Prozent, ermäßigte oder reguläre Umsatzsteuer? Das ist oft nicht klar. Tipps wie „Im Zweifel einfach die vollen 19 Prozent Umsatzsteuer ansetzen“ sollen Selbstständige lieber nicht beherzigen.

 

Einfach immer 19 Prozent berechnen? Vorsicht, Umsatzsteuerfalle

Bei jeder Rechnung mit Umsatzsteuer muss für jede Rechnungsposition der Umsatzsteuersatz korrekt bestimmt werden: volle Umsatzsteuer von 19 Prozent oder der ermäßigte Satz von 7 Prozent? Die Antwort kann schwierig sein. Die Umsatzsteuervorschriften sind kompliziert.

Gar nicht so selten hört man den Rat, in solchen Zweifelsfällen stets den vollen Umsatzsteuersatz zu berechnen. Manche Selbstständigen glauben, mit 19 Prozent auf der sicheren Seite zu sein. Das ist jedoch nicht richtig.

Wenn der volle Umsatzsteuersatz auf der Rechnung steht, obwohl der ermäßigte Satz korrekt wäre, hat das zwei Folgen:

  • Der Rechnungsaussteller schuldet dem Finanzamt den Steuersatz auf der Rechnung. Das gilt selbst dann, wenn der eigentlich falsch ist.

  • Der Rechnungsempfänger darf den falschen Steuersatz aber nicht als Vorsteuer abziehen. Das bedeutet, dass auch dem Kunden Ärger droht. Ist dieser ebenfalls selbstständig und umsatzsteuerpflichtig, kann er die als Teil des Rechnungsbetrags überwiesene Umsatzsteuer mit seiner eigenen Umsatzsteuerpflicht verrechnen. Dieser Vorsteuerabzug ist aber nur zulässig, wenn die Umsatzsteuer korrekt berechnet wurde.
    Liegt der korrekte Umsatzsteuersatz bei 7 Prozent, während der Kunde sich vom Finanzamt die in der Rechnung enthaltenen 19 Prozent erstatten ließ, droht ihm die Rückforderung.

Ein Hauptrisiko beim „sicherheitshalber“ falsch angesetzten vollen Umsatzsteuersatz sind die möglichen späteren Folgen für den Kunden – und damit die Kundenbeziehung.

 

Verwirrt vom System der Umsatzsteuer?

Anders als bei anderen Steuern sind bei der  Umsatzsteuer die Unternehmen und Selbstständigen dafür zuständig, das Geld von den Steuerpflichtigen – ihren Kunden – einzuziehen und es beim Fiskus abzuliefern. Das System wird in diesem Beitrag erläutert: „Steuern für Selbstständige: Die Umsatzsteuer“.

 

Ein Beispiel: Fotografin stellt Rechnungen mit vollem Umsatzsteuersatz

Angenommen, ein großes Unternehmen will ein neues Softwareprodukt von Anfang an in den sozialen Medien darstellen. Deshalb wird eine Fotografin beauftragt, die das Entwicklungsteam und die Markteinführung bei den Kunden begleitet. Dafür rechnet sie ein Jahr lang die laufend erstellten Fotos und Videos ab.

Sie ist umsatzsteuerpflichtig. Ihre Rechnungen enthalten den vollen Umsatzsteuersatz von 19 Prozent. Doch das ist falsch. Ihre Hauptleistung besteht darin, dem Unternehmen eine Lizenz zur Nutzung ihrer Bilder einzuräumen. Die korrekte Umsatzsteuer bei der Übertragung von Urheberrechten sind sieben Prozent.

Innerhalb eines Jahres kommt ein Rechnungsvolumen von 12.000 Euro netto zusammen. Aufgrund des zu hohen Umsatzsteuersatzes von 19 Prozent beträgt der in den Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteueranteil insgesamt 2.280 Euro. Richtig hätten es 840 Euro entsprechend sieben Prozent sein müssen.

Dem Kunden fällt der Fehler nicht auf. Er macht die von ihm als Vorsteuer bezahlten 2.280 Euro in seiner Umsatzsteuervoranmeldung geltend. Ein Jahr später stellt ein Betriebsprüfer des Finanzamts die Sache anhand der Eingangsrechnungen des Kunden fest. Dieser erhält einen Änderungsbescheid. Das Finanzamt fordert die unberechtigt als Vorsteuer geltend gemachten 1.440 Euro zurück. Der Kunde verlangt denselben Betrag als Erstattung von der Fotografin.

 

Lösung: Rechnungsberichtigung

Wenn bereits Rechnungen mit überhöhter Umsatzsteuer ausgestellt wurden, lässt sich die Sache nur mit einer Rechnungsberichtigung aus der Welt schaffen. Dazu ist ein neues Rechnungsdokument notwendig, das auf die falsch ausgestellte Rechnung eindeutig Bezug nimmt (etwa: „zur Berichtigung der Rechnung Nr. 08-15 vom 01.04.2025“) und alle Rechnungspflichtangaben enthält.

Wenn sowohl der Rechnungsaussteller als auch der Kunde noch keine Umsatzsteuervoranmeldung für den entsprechenden Zeitraum abgegeben haben, ist mit der korrigierten Rechnung die Sache geklärt.

Schwieriger wird es, wenn die  Rechnungskorrektur erst erfolgt, nachdem der Rechnungsaussteller den zu hohen Umsatzsteuerbetrag ans Finanzamt bezahlt und der Kunde ihn als Vorsteuer geltend gemacht hat. Dann muss zuerst der Kunde seinen Vorsteuerabzug korrigieren, das heißt dem Finanzamt Geld zurückzahlen. Erst dann kann der Rechnungsaussteller die zu viel gezahlte Umsatzsteuer von seiner Umsatzsteuerlast abziehen. Vor der Berichtigung der Umsatzsteuer beim Empfänger muss erst die „Gefährdung des Steueraufkommens“ durch den falschen Vorsteuerabzug beseitigt werden. So legt es das Gesetz fest (§ 14c Abs. 2 UStG).

Tipps zur Rechnungsberichtigung lesen Sie in den Beiträgen „Rechnungskorrekturen, Stornorechnung, Gutschrift und Zahlungserstattung: So ändern Sie fehlerhafte Rechnungen“ sowie „Stornorechnung: Beispiele und rechtliche Vorgaben“.

Andere typische Umsatzsteuer-Stolperfallen

Der „unrichtige Steuerausweis“ durch den regulären Umsatzsteuersatz, obwohl der ermäßigte Satz korrekt wäre, ist nur ein typischer Umsatzsteuerfehler. Weitere Beispiele:

  • Genauso falsch ist eine Rechnung mit ermäßigter Umsatzsteuer, obwohl der reguläre Steuersatz gilt. In dem Fall schuldet der Rechnungsaussteller dem Finanzamt die volle Umsatzsteuer. Vom Rechnungsempfänger darf er jedoch nur die in der Rechnung ausgewiesene ermäßigte Umsatzsteuer verlangen.

  • Problematisch sind zudem Rechnungsdokumente mit „unberechtigtem Steuerausweis“: Rechnungen mit Umsatzsteuer, die von Privatleuten, Kleinunternehmern oder nicht umsatzsteuerpflichtigen Unternehmern wie Ärzten (für Heilbehandlungen) stammen. Auch dann gilt: Wer unberechtigt Umsatzsteuer in der Rechnung ausweist, muss sie dem Finanzamt bezahlen. Der Rechnungsempfänger darf jedoch keine Vorsteuer abziehen.

Diese Fehler sind auch dann möglich, wenn statt einer Rechnung eine Gutschrift vom Kunden ausgestellt wird.

 

Bei Privatkunden drohen keine Probleme – bei nicht umsatzsteuerpflichtigen Geschäftskunden schon

Seit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2022 schuldet man den unrichtigen oder unberechtigten Umsatzsteueranteil dem Finanzamt nur noch, wenn die Rechnung an Unternehmen oder Selbstständige ging. Bei Privatleuten als Rechnungsadressaten kann der Fiskus nur die korrekte und nicht die überhöht ausgewiesene Umsatzsteuer fordern. Grund: Bei Privatkunden droht kein überhöhter Vorsteuerabzug, der durch die Nachforderung ausgeglichen werden müsste.

Dagegen beruft sich die Finanzverwaltung nach wie vor auf die „abstrakte Möglichkeit des Vorsteuerabzugs“, um den zu hoch ausgewiesenen Umsatzsteueranteil auch dann einzufordern, wenn die Rechnung an nicht vorsteuerberechtigte Unternehmenskunden ging, beispielsweise an einen Kleinunternehmer oder einen Arzt, dessen Leistungen umsatzsteuerfrei sind. Mehr dazu steht im Beitrag „Rechnung mit zu hoher Umsatzsteuer? Keine Steuerschuld mehr bei Endverbrauchern“.

 

Zweifelsfall bei der Umsatzsteuer: 0 Prozent, 7 Prozent oder 19 Prozent?

Wenn Selbstständige nicht die Kleinunternehmerregelung nutzen, müssen sie bei jeder Rechnung, die sie stellen, den korrekten Umsatzsteuersatz wählen.

  • Der reguläre Satz sind 19 Prozent; er gilt immer dann, wenn keine abweichende Regelung existiert.

  • Für eine ganze Reihe von Waren und Dienstleistungen gilt jedoch der ermäßigte Umsatzsteuersatz von 7 Prozent. Diese Umsätze stehen im Umsatzsteuergesetz, entweder in 12 Abs. 2 UStG oder in der Anlage 2. Dazu gehören etwa Eintrittskarten für Theater und Konzerte, das Anfertigen von Zahnersatz, Waren und Leistungen von gemeinnützigen Zweckbetrieben, die Übertragung von Urheberrechten, Hotelzimmer und viele Nahrungsmittel. Ab 2026 sollen auch Speisen in Restaurants wieder unter den ermäßigten Umsatzsteuersatz fallen.

  • Für einige wenige Dinge gibt es einen Umsatzsteuersatz von 0 Prozent (§ 12 Abs. 3 UStG), dabei geht es um Solarmodule, Photovoltaik und die dafür benötigten Bauteile. Anders als bei den in 4 UStG aufgelisteten umsatzsteuerfreien Waren und Leistungen ist beim sogenannten Nullsatz der Vorsteuerabzug möglich, auch wenn beim Weiterverkauf kein Umsatzsteuerbetrag anfällt.

Beratung ist besser als nachzahlen oder korrigieren

Umsatzsteuerrecht ist ausgesprochen kompliziert. Der offizielle Umsatzsteuer-Anwendungserlass der Finanzverwaltung umfasst annähernd 900 Seiten. Es lohnt sich, in Zweifelsfällen eine Steuerberaterin oder einen Steuerberater zu fragen.

Ein einmaliger Fehler beim Ausweis der Umsatzsteuer muss noch kein Beinbruch sein. Die möglichen negativen Folgen hängen von der Höhe des Steuerausfalls ab. Wird jedoch regelmäßig und über längere Zeit hinweg ein falscher Steuersatz berechnet, können bedrohliche Fehlbeträge zusammenkommen. Im schlimmsten Fall wird eine Betriebsprüfung mit anschließender Steuernachforderung samt Zinsen und Säumniszuschlag existenzbedrohend.

 

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